Dr. Hiyam Marzouqa ist Ärztin aus voller Leidenschaft. Sie ist nach ihrer Ausbildung im Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt, um ihre jungen Landsleute medizinisch zu versorgen.
Dr. Hiyam Marzouqa ist Ärztin aus voller Leidenschaft. Sie ist nach ihrer Ausbildung im Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt, um ihre jungen Landsleute medizinisch zu versorgen.
Im Caritas Baby Hospital in Bethlehem werden alle Kinder behandelt, egal welche Religion ihre Familien haben und ob sie arm oder reich sind. Chefärztin Hiyam Marzouqa, selbst Katholikin, und ihr Team können trotz erschwerter Bedingungen im Schatten der Grenzmauer, die Israel und Palästina trennt, vielen Kindern helfen.
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit wird eine Kleinstadt im Nahen Osten zum Mittelpunkt der christlichen Welt. Zehntausende Christen pilgern an jenen Ort, an dem Jesus geboren wurde.
Aus Bethlehem stammt auch Hiyam Marzouqa. Seit 2006 ist sie Chefärztin des dortigen Caritas Baby Hospital.
Obwohl sie das Leben während ihrer zwei Studienaufenthalte in Deutschland sehr genoss, kehrte die katholische Palästinenserin nach dem Abschluss in ihre Heimat zurück. Einerseits, weil sie die Wärme und Herzlichkeit ihrer Heimat vermisste, andererseits weil es im Westjordanland nach wie vor an gut ausbildeten Ärzten, vor allem Kinderärzten fehlt.
Während einer Vortragsreise durch unsere Erzdiözese dürfen wir die außergewöhnliche Frau kennenlernen. Eine Frage, die sich anfangs gleichsam aufdrängt: „Was bedeutet für Sie, in Bethlehem geboren zu sein und dort zu leben?“
Dr. Hiyam Marzouqa findet rasch eine Antwort: „Es ist ein wunderbares Gefühl, obwohl dieser Fleck auf der Welt eine politische Ecke voll von Konflikten ist. Aber wir dürfen täglich in die Geburtskirche gehen und dort eine Kerze anzünden. Andere Menschen hingen wünschen sich wenigstens einmal in ihrem Leben nach Bethlehem auf Besuch zu kommen.“
Und der Kinderärztin hat sich eine Sache in ihr Leben eingeprägt: „Seit ich ein Kind bin, mache ich immer, wenn ich auf die Geburtskirche schaue, ein Kreuzzeichen. Das habe ich von meiner Oma so gelernt. Unzählige Male habe ich sie zu den Messen dorthin begleitet.“
Kommen im Caritas Baby Hospital in Bethlehem auch Kinder zur Welt?
Nein, wir haben keine Entbindungsstation, wir sind nur ein Kinderkrankenhaus. Wir können Lungenkrankheiten, Infektionen oder Magen-Darm-Erkrankungen behandeln. Wir haben auch keine chirurgische Abteilung, weil die laufenden Kosten zu hoch wären. Dieses finanzielle Risiko wollten wir nicht eingehen.
Wir sind bekannt dafür, dass wir für alle offen stehen, egal woher sie kommen, egal welche Religion der Patient hat und egal ob die Eltern Geld haben, oder nicht. Arme und sozialbedürftige Kinder werden kostenlos behandelt, 90 Prozent der jährlichen Kosten von 10 Millionen Euro müssen wir durch Spenden aufbringen.
Sie können in Ihrem Krankenhaus keine chirurgischen Eingriffe vornehmen. Was passiert dann mit den schwerkranken Kindern?
Kinder, die eine komplizierte Operation benötigen, müssen wir in ein nahegelegenes Spital in Jerusalem bringen. Wir arbeiten mit den israelischen Kollegen sehr gut zusammen. Wir reden nicht über Politik, sondern über die Kinder und tun unser Bestes, dass diese gesund werden.
Diese Grenzmauer zwischen Westjordanland und Israel stellt immer wieder ein großes Hindernis dar, vor allem wenn es um Leben oder Tod geht. Die Eltern müssen eine Erlaubnis beantragen, um das nur zehn Kilometer von uns entfernte Jerusalem zu erreichen. Wir besorgen für unsere Patienten diese Erlaubnisse und das Kind wird ins Krankenhaus in Israel überwiesen.
Manchmal gab es in der Vergangenheit an der Grenze Probleme, dass wir zwei Krankenwägen gebraucht haben: einen, der das Kind von unserem Krankenhaus bis zum Checkpoint, dem Durchlass in der Grenzmauer, brachte. Ein zweiter kam aus Jerusalem, um das Kind an der Grenze umzuladen.
Gott sei Dank geht es in den vergangenen zwei Jahren auch mit einem Krankenwagen, der aus Jerusalem bis zu unserem Krankenhaus kommt und das Kind mitnimmt. Das ist eine große Erleichterung für uns und für das Kind, vor allem wenn dieses künstlich beatmet werden muss.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie tagtäglich?
Wir müssen genügend Spenden sammeln, um weitermachen zu können. Und als Medizinerin ist es für mich ebenfalls ganz schlimm, wenn zwischendurch auch mal ein Kind stirbt. An dieser medizinischen Grenze zu stehen, ist ein schreckliches Gefühl. Aber wir sind für Kind und Familie da und begleiten sie auf dem schmerzlichen Weg.
Ich kann mich noch an ein Kind erinnern, das auf dem Sterbebett nach dem Namen einer Krankenschwester rief. Wir haben diese dann von ihrem Zuhause abgeholt. Der Bub wollte sich von ihr verabschieden und ihr im letzten Moment seines Lebens Danke sagen.
Ist das Baby-Hospital eine Generationen-Einrichtung?
Ja, so ist es. Es kommen oft Frauen und Männer mit ihren Kindern zu uns, die erzählen, dass sie selbst als Kinder bereits in unserem Hospital waren. Irgendwie ist spürbar, dass die Liebe fürs Krankenhaus über Generationen verankert bleibt.
Wir sind ein christliches Krankenhaus für eine überwiegend muslimische Gesellschaft. Die Muslime vertrauen uns mehr als anderen Krankenhäusern, weil sie bei uns die Nächstenliebe und die Zuwendung bekommen, die sie woanders weniger erfahren dürfen.
Wir stehen kurz Weihnachten. Wie feiern Sie das Fest in Ihrem Heimatort?
Den weihnachtlichen Höhepunkt erleben wir am 24. Dezember. Etwa 20 Pfadfindergruppen aus ganz Palästina gehen singend durch die Straßen Bethlehems, um den lateinischen Patriarchen von Jerusalem zu empfangen. Danach feiern wir die Mitternachtsmesse in der Geburtskirche.
Der 25. Dezember steht dann ganz im Zeichen der Familie. Die Familienmitglieder versammeln sich zum gemeinsamen Mittagessen und Gespräch. Darauf freue ich mich.
Im südlichen Westjordanland, der Gegend zwischen Bethlehem und Hebron, leben rund 330.000 Kinder unter 14 Jahren.
Wenn sie krank werden, ist das Caritas Baby Hospital in Bethlehem die zentrale Anlaufstelle. Es ist das einzige Spital im Westjordanland, das ausschließlich Kinder behandelt. Auf den Pflegestationen des Caritas Baby Hospitals können bis zu 82 Kinder stationär betreut werden.
Dank der im 2013 eingerichteten Intensivstation ist das Kinderspital auch für Notfälle und Kinder in kritischen Zuständen vorbereitet.
Spendenkonto:
Kinderhilfe Bethlehem Österreich
Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien
IBAN AT39 3200 0000 0005 0500
BIC RLNWATWW
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at