Reinhard Gruber ist verantwortlich für das Domarchiv und die Altmatriken von St. Stephan.
Reinhard Gruber ist verantwortlich für das Domarchiv und die Altmatriken von St. Stephan.
Thema war der Stephansdom und das Gedenkjahr 2018.
Viele historische Ereignisse - darunter die Revolution 1848, der Jugendprotest gegen Hitler 1938 und der Dombrand 1945 - haben im Wiener Stephansdom und den kirchlichen Gebäuden um den Dom Spuren hinterlassen, nicht jedoch das Ende der Monarchie im November 1918: Das sagte Domarchivar Reinhard Gruber in der ORF-Radiosendung "Memo" am Montagabend, 1. Jänner 2018. Thema war der Stephansdom und das Gedenkjahr 2018. Über den 12. November 1918 gibt es interessanterweise keinen Eintrag in der Pfarrchronik, so Gruber. Dort seien ansonsten die meisten historischen Ereignisse erwähnt.
"Wir wissen nur, dass Fürsterzbischof Friedrich Piffl am Tag der Ausrufung der Republik sofort seinen Fürstentitel zurückgelegt hat und die Bürger aufgerufen hat zur Treue zur Republik als rechtmäßige Rechts- und Regierungsform", sagte der Archivar. Als Kaiser Karl dann aber im April 1922 in Madeira gestorben sei, habe im Dom ein Pontifikal-Requiem mit Kardinal Pfiffl stattgefunden.
Die Verbundenheit der österreichischen Kirche mit der Monarchie sei eng gewesen. Das zeige sich auch daran, dass sich auf der Turmspitze der Südturms der Doppeladler finde. Auch nach 1945 seien die Symbole belassen worden. Nach dem Brand des alten Daches 1945 sei auf der Südseite des neuen Daches wieder das Wappen des Kaisertums Österreich beibehalten worden, verbunden mit dem Monogramm von Kaiser Franz I. "Auf der Nordseite finden sich aber das Wappen der Stadt Wien und das Wappen der Republik Österreich", so Gruber.
Der Zeithistoriker Helmut Wohnout betonte "kathpress" gegenüber, das Ende der Monarchie sei gerade für die Katholiken "die große Zäsur schlechthin" gewesen. Kardinal Piffl habe die Entwicklung nach anfänglichem Zögern allerdings mittragen können. Grund dafür war laut Wohnout, dass die auf das Lehrgebäude Thomas von Aquins zurückgehende "Akkomodationstheorie" (Anpassungsmodell) Piffl - ebenso wie dem damaligen noch kaiserlichen Minister Ignaz Seipel - theologisch ermöglicht habe, den Übergang zur demokratisch-republikanischen Staatsform mitzutragen. Dieser theologische Ansatz habe ein gewisses Maß an Flexibilität möglich gemacht, um sich auf eine geänderte politische Situation einzulassen, so Wohnout, ein ausgewiesener Experte für die Zwischenkriegszeit in Österreich.