Kardinal Christoph Schönborn war am Sonntag, 18. März 2018 Gast in der ORF-Pressestunde.
Kardinal Christoph Schönborn war am Sonntag, 18. März 2018 Gast in der ORF-Pressestunde.
Zwischen Caritas und Bischöfen gibt es Grundvertrauen".
"Sparen ist gut und notwendig, aber bitte nicht bei den Ärmsten." Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn einmal mehr seine Position zur heimischen Budget- und Sozialpolitik auf den Punkt gebracht. In der ORF-"Pressestunde" am Sonntag, 18. März 2018 bekräftigte der Kardinal, dass es zu begrüßen sei, wenn die neue Regierung keine neuen Schulden machen will. Das sei ganz im Sinne der Generationengerechtigkeit, die Schuldenlast sei auch so schon hoch genug. Zugleich müsse man aber betonen, dass gerade im Sozialbereich sicher proportional deutlich weniger gespart werden dürfe als in anderen Bereichen, so Kardinal Schönborn.
Stimmen, die ein Zerwürfnis zwischen Caritas und Bischöfen orteten, wies der Kardinal einmal mehr zurück. Die Caritas-Direktoren hatten Anfang März in einem Schreiben an die Regierung eine Rücknahme von Sparmaßnahmen im Sozialbereich gefordert und vor einer "Demontage des Sozialstaates" gewarnt. "Man kann uns nicht auseinanderdividieren", so der Kardinal wörtlich in der ORF-Pressestunde. Die Caritas als Teil des Kirche sei die Lobby für die Ärmsten, für jene, die sonst keine Lobby haben. Das sei ein Kernauftrag des Evangeliums, unterstrich der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Zugleich ließ er freilich durchblicken, dass die konkrete Stellungnahme der Caritas von Anfang März nicht im Detail mit den Bischöfen abgesprochen war. Das habe aber nur kurz intern zu Verstimmungen geführt, so Kardinal Schönborn. Zwischen Caritas und Bischöfen gebe es ein Grundvertrauen.
Wenn etwa bei Langzeitarbeitslosen gespart wird, bringe das auch nicht jene Summen, die für die Budgetsanierung notwendig sind, warf der Wiener Erzbischof weiters ein. Freilich sei das wesentlich leichter durchsetzbar als etwa Steuern von großen Konzernen einzufordern.
Der Kardinal mahnte weiters auch einen sorgsamen Umgang mit der Sprache ein und kritisierte das "Unwort" "Sozialschmarotzer". Kardinal Schönborn: "Die Sozialschmarotzer sitzen sicher nicht in der Gruft", einer Obdachloseneinrichtung der Caritas in Wien.
Angesprochen auf Forderungen, wonach im Sinne des Sparens etwa auch der katholische Kirche Steuererleichterung gestrichen werden könnten, wies der Kardinal darauf hin, dass man zwar über alles reden könne, solche Regelungen aber alle Kirchen und Religionsgemeinschaften gleichermaßen treffen würden. Kirchliche Einrichtungen würden in vielen Bereichen wesentliche Dienste für die Gesellschaft erbringen und das auch kostengünstiger. Der Kardinal verwies etwa auf die acht Wiener Ordensspitäler, die geringere Subventionen von der öffentlichen Hand erhalten würden als öffentliche Krankenhäuser.
Auch die Caritas bekomme für viele ihrer Leistungen erhebliche Beiträge von der öffentlichen Hand, so der Wiener Erzbischof. Wenn der Staat aber alle diese Aufgaben selbst übernehmen müsste, käme das wohl viel teurer.
Kardinal Christoph Schönborn hat an die politisch Verantwortlichen in Österreich appeliert, vom Instrument des humanitären Bleiberechts öfter Gebrauch zu machen. Es sei unverständlich, dass inzwischen gut integrierte Menschen, um die sich oft auch viele Menschen ehrenamtlich bemüht hätten, abgeschoben werden. Das seien nicht nur dramtische Situationen für die Betroffenen, sondern würde auch bei den Helfern enorme Trauer, Wut und Bitterkeit auslösen. "Wer sich wirklich integrieren will und sich bemüht ist doch eine Bereicherung für Österreich", so der Kardinal wörtlich. Es brauche in der Wirtschaft etwa solche engagierte junge Leute. Deshalb sollten die Behörden bei den Asylwerbern zum einen genau und damit "differenzierter hinsehen" und das humanitäre Bleiberecht "großherziger anwenden".
Auch wenn Österreich nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann, müsse doch stets "der Mensch im Mittelpunkt stehen". Asyl sei ein Menschenrecht, so Schönborn. Der Kardinal erinnerte u.a. daran, dass ein Land wie der Libanon mit selbst gerade vier Millionen Einwohnern mindestens 1,5 Millionen Flüchtlinge beherbergen muss. Das seien ganz andere Dimensionen als in Österreich. "Also tun wir bitte nicht so, als stünden wir unmittelbar vor einer Katastrophe", so Kardinal Schönborn wörtlich.
Es sei wohl richtig gewesen, den Zuzug von Flüchtligen über den Balkan weitgehend zu stoppen, aber das Leid der Menschen in den Flüchtlingslagern in Griechenland "muss uns etwas angehen. Da dürfen wir nicht wegsehen."
Der Kardinal erinnerte zudem an ein Wort von Andre Heller in dessen Rede am 12. März beim Staatsakt zum Gedenken an den "Anschluss" vor 80 Jahren, als dieser von der "Weltmuttersprache Mitgefühl" gesprochen hatte. "Diese Muttersprache dürfen wir nicht verlernen", so der Appell Kardinal Schönborns.
Eindringlich mahnte der Kardinal auch mehr innereuropäische Solidarität in der Flüchtlingsfrage ein. So fühlten sich etwa die Italiener von Europa in dieser Frage zurecht "verschaukelt und verlassen".
Weiters brauche es eine massive europäische Hilfsinitiative für Afrika, so Kardinal Schönborn, "sonst brauchen wir uns nicht wundern, wenn auch weiterhin so viele Menschen nach Europa wollen". Hier werde dann gemeinhin von "Wirtschaftsflüchtlingen" gesprochen, letztlich seien es aber schlicht Menschen auf der Suche nach menschenwürdigen Lebensbedingungen.
Das Kreuz gehört für Kardinal Christoph Schönborn eindeutig in den öffentlichen Raum. Freilich dürfe es nicht als Zeichen der Abgrenzung missverstanden oder gar missbraucht werden. "Das Kreuz darf nicht gegen andere verwendet werden", es sei vielmehr ein "Rettungszeichen", ein "Zeichen der Einladung, ein Angebot ohne Zwang", so Schönborn wörtlich in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag.
Der zunehmende Nationalismus und eine anti-europäische Politik der Abschottung in einigen europäischen Ländern machten ihm Sorge, räumte der Kardinal weiter ein. Er hoffe sehr, dass diese Entwicklung nicht auch in Österreich überhand nehme. Es gelte diesbezüglich "wachsam zu sein, aber nicht ängstlich", plädierte der Kardinal für einen seriösen demokratischen Diskurs.
Auf den Islam angesprochen zeigte Schönborn Verständnis für jene Menschen, die Angst hätten. Er berichtete von einem Gespräch mit dem Großmufti von Bosnien, den er vor kurzem anlässlich des Besuchs der österreichischen Bischöfe in Sarajewo getroffen hatte. Auch Großmuft Kavazovic habe große Besorgnis vor radikalen Tendenzen im Islam geäußert. Zugleich habe er sich überzeugt gezeigt, dass der moderate Islam bosnischer Art sehr wohl europatauglich sei. Notwendig sei wohl eine Allianz all jener Kräfte, die für einen toleranten Islam stehen, so Kardinal Schönborn unter Verweis auf etliche innerislamisch Befürworter dieser Forderung.
Zum viel diskutierten Kopftuch meinte der Kardinal, entscheidend sei die Wahlfreiheit. Es dürfe kein Zwang ausgeübt werden. Auch wenn es in jeder Religion bestimmte Regeln gibt, sei letztlich stets der Repekt vor der Freiheit jedes Einzelnen entscheidend.
Angesprochen auf die vielen hundert Muslime (meist Flüchtlinge), die jedes Jahr zum Christentum konvertieren, bekräftigte Schönborn, dass es sich dabei um seriöse Lebens- und Glaubensentscheidungen handle und die Menschen nicht nur versuchten, Asyl zu bekommen. Die Taufvorbereitung sei sehr intensiv und dauere mindestens ein Jahr und zum anderen würden die Menschen sich damit auch einem hohen Risiko aussetzen. Es sei innerhalb der islamischen Gemeinschaft - im Westen wie in mehrheitlich muslimischen Ländern - nach wie vor gefährlich, zu einer anderen Religion zu wechseln. Er wolle deshalb einmal mehr an die religiös Verantwortlichen im Islam appellieren, die Religionsfreiheit anzuerkennen und umzusetzen.
Auf die gut 50.0000 jährlichen Kirchenaustritte angesprochen, verwies der Kardinal auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, wonach alle größeren etablierten Institutionen mit Skepsis zu kämpfen hätten. Zugleich zeigten Umfragen, dass immerhin noch 80 Prozent der Österreicher wollten, dass Österreich ein christliches Land bleibt.
Und Österreich sei auch nach wie vor von christlichen Werten geprägt, zeigte sich Kardinal Schönborn überzeugt. Er untermauerte dies mit der Feststellung, dass in diesem Winter kein einziger Obdachloser erfroren sei. Das sei u.a. etwa auch auf Initiativen wie das Caritas-Kältetelefon aber auch auf die spontane Hilfe von Privatpersonen zurückzuführen. Viele wollten demnach vielleicht nicht viel mit der Kirche zu tun haben, "aber Christen wollen sie schon sein", so die Interpretation des Wiener Erzbischofs.
Ein weiterer hoffnungsvoller Aspekt: Zwischen 5.000 und 6.000 Érwachsene würden sich jedes Jahr taufen lassen. Ein besonderes belebendes Element für die Kirche in Österreich seien zudem auch die vielen orientalischen und orthodoxen Christen, die in den vergangenen Jahren zugezogen seien, ergänzte Schönborn.
Papst Franziskus bezeichnete der Wiener Erzbischof als "Geschenk Gottes". Sein Grundmotto bzw. sein Appell an die Christen sei: "Nicht richten, sondern aufrichten." Institutionelle Reformen in der katholischen Kirche seien sicher notwendig, so Kardinal Schönborn, entscheidend sei aber eine "Herzensreform".
Zum "Anschluss" 1938 und die Rolle des damaligen Wiener Erzbischofs Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955) bekräftigte Schönborn einmal mehr, dass Innitzer bald seine öffentliche Zustimmung zum "Anschluss" bereut habe. Und er habe in Folge auch Widerstand geleistet. Kardinal Schönborn verwies etwa auf das Rosenkranzfest am 7. Oktober 1938 im Stephansdom. Damals habe Innitzer den 9.000 Jugendliche zugerufen: "Einer ist euer Führer, euer Führer ist Christus." 1940 habe er die kirchliche Hilfsstelle für Juden, vor allem für "nichtarische Katholiken", im Erzbischöfliche Palais eingerichtet. Man dürfe Kardinal Innitzer nicht auf seine anfängliche Zustimmung reduzieren, so Kardinal Schönborn.
Auf die Türkei angesprochen, sprach sich der Kardinal gegen einen EU-Beitritt in der gegenwärtigen Sitution aus. Es sei schon genug damit zu tun, halbwegs gut miteinander auszukommen. Anders verhalte es sich mit Bosnien-Herzegowina. Hier würden die österreichischen Bischöfe einen EU-Beitritt unterstützen und darin eine Chance sehen, dass das früher recht gute Miteinander von verschiedenen Völkern und Religionen in Bosnien-Herzegowina künftig wieder besser gelingen kann.