Stefan Hauser trifft Christian Stückl im Foyer des Wiener Burgtheaters zum Interview. Die Freude an der bayerischen Gemütlichkeit wohnt beiden inne.
Stefan Hauser trifft Christian Stückl im Foyer des Wiener Burgtheaters zum Interview. Die Freude an der bayerischen Gemütlichkeit wohnt beiden inne.
Christian Stückl ist Intendant der Oberammergauer Passionsspiele. Alle zehn Jahre werden diese in Oberbayern aufgeführt. Schon lange vorher legt er seinen Blick darauf, wer die Hauptrollen spielen kann. Persönlich wichtig ist ihm sein katholischer Glaube.
Es herrscht „dicke Luft“ beim Interview im Wiener Burgtheater. Kein Wunder: Mein Gesprächspartner Christian Stückl ist Kettenraucher. Beruflich geht ihm die Luft aber nie aus. Derzeit inszeniert er das Stück „Der Rüssel“ von Wolfgang Bauer. Premiere ist am 20. April.
Stückl ist seit mehr als drei Jahrzehnten Intendant der Passionsspiele in Oberammergau, hat in Salzburg mehrmals den ‚Jedermann‘ inszeniert und leitet das Münchner Volkstheater.
Geprägt von der schauspielerischen Darstellung vom „Leiden und Sterben Christi“ ist Stückl seit jungen Jahren. „Mein Großvater und mein Vater waren Kaiphas beim Passionsspiel.“ Christian Stückl selbst ist ebenfalls im Alter von erst sieben Jahren als Statist dabei. Ihn reizt es aber mehr vor der Bühne zu stehen.
Bereits mit 15 Jahren gründet er eine Theatergruppe. Allerdings mit Auswirkungen auf seine schulische Leistung. „Ich bin im Kloster Ettal zur Schule gegangen. Als meine Eltern 14 Tage auf Urlaub waren, habe ich Kostüme für unser Theater geschneidert und ich habe vergessen, in die Schule zu gehen.“
Die Konsequenz: Er muss die Schule verlassen und erlernt den Beruf des Bildhauers. Glücklich wird er dabei nicht. „Ich habe in der ganzen Zeit keine einzige Heiligenfigur gemacht, sondern traditionelles Spielzeug. Es war logisch, dass ich zum Theater abgewandert bin.“
Sie wollten aber Priester werden?
Das war bis zum 18. Lebensjahr mein fester Wunsch. Ich habe mir vorgestellt, ein inszenierender Pfarrer zu werden, das wäre mein Wunsch, Theatermachen und Seelsorge miteinander verbinden.
Wie hat sich das dann weiterentwickelt?
Ich habe in der Theatergruppe mit meinen Freunden erkannt, dass mir die traditonelle Form des Dorf- und Bauerntheaters wenig Spaß macht. Dann habe ich zur Klassik und Shakespeare gegriffen und den „Sommernachtstraum“ inszeniert. Den hat ein Münchner Journalist gesehen und der hat mich dann an die Münchner Kammerspiele empfohlen. Dort war ich dann Regieassistent.
Ihr Ziel war es aber im Heimatdorf zu inszenieren?
Als ich 24 Jahre alt war, habe ich mir gedacht, das Passionsspiel braucht einen neuen Impuls. Ich bin in den Gemeinderat gegangen und habe gesagt, ich möchte das Passionsspiel jetzt übernehmen. Ich bin dann mit einer Stimme Mehrheit zum Passionsspielleiter für 1990 gewählt worden. Das war für das Dorf ein Schock.
In Oberammergau gibt es für die Einwohner ein Spielrecht.
Wer in Oberammergau geboren wurde, oder seit 20 Jahren dort lebt, darf mitspielen. Beim ersten Passionsspiel, das ich inszenierte, waren es 1.400 Erwachsene und beim letzten 2010, 1.900 Erwachsene. Da kommen noch 400 Kinder dazu. Da muss man eine Volksszene entwickeln, damit man die Leute unterbringt.
Wann und wie suchen Sie die Schauspieler aus?
Ich laufe das ganze Jahr mit einem Castingblick durchs Dorf und habe im Hinterkopf: Wie schaut Jesus aus? Wie Johannes, Maria, oder Maria Magdalena? Manchmal passiert das auch zufällig. Da redet mich ein Bub im Caféhaus an und ich denke mir, das wäre ein guter Engel.
Was beschreibt denn die Rolle von Jesus?
Jesus soll laut sein, reaktionär und kräftig. 2010 war es aber eher eine konsequente Person mit wenig Lautstärke. Auch mein Jesusbild ändert sich. Man kann nie sagen, dass man Jesus gefunden hat.
Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Leben?
Ich bin katholisch sozialisiert, obwohl meine Eltern als Wirtsleute keine Zeit für die Heilige Messe hatten. Mich hat gerade die katholische Kirche sehr begeistert. Ganz oft vom theatralen Aspekt her.
Ich war früh im Kirchenchor, ministrieren durfte ich aber nicht, weil mein Cousin schon Messdiener war und der Pfarrer meinte: Ein Stückl reicht! Dann war ich ein Hilfsmesner und so etwas wie ein Kirchenheimatpfleger.
Ich habe alles wieder eingeführt, was irgendwie nach dem Zweiten Vatikanum abgeschafft worden ist. Bei der Karfreitagsliturgie habe ich gesagt, da muss jedes Altartuch runter vom Altar, da schmeiss ma Kerzenständer um und dann machen wir vorne die Kirche ganz dunkel. Ich habe mich als Zeremonienmeister in der Kirche empfunden.
Wie leben Sie Ihren Glauben heute?
Natürlich gehe ich in die Kirche, aber diese Regelmäßigkeit, wie als Kind, habe ich nicht mehr.
Sie haben auch „Nathan, der Weise“ inszeniert. Ein Stück, bei dem es um das Miteinander unterschiedlicher Religionen geht?
Ich reise jedes Jahr nach Indien. Dort habe ich einen Freundeskreis von Hindus, Muslimen und Christen. Als sie einmal über Religionen zu streiten begannen, habe ich mir aus dem Hotel den Nathan geholt. Dann war es mir wichtig, es zu inszenieren.
Derzeit schotten wir gegenseitig nicht nur national, sondern auch religiös voneinander ab. Der deutsche Innenminister Seehofer sagt: ‚Der Islam gehört nicht zu uns.‘ Was ist das für eine Aussage? Ich habe in meinem Freundeskreis Muslime und ich bin katholisch.
Mir wird kein Muslim meinen Glauben wegnehmen, wenn ich ihn selbstbewusst lebe. Man muss auch am Theater das Miteinander in den Vordergrund stellen.
Haben Sie Ihren Traumberuf gefunden?
Ich mache Theater. Ein Freund von mir ist Schreiner, der Möbel macht. Ich bin nichts Besseres.
Die Geschichte des Passionsspiels beginnt 1633. Mitten im Dreißigjährigen Krieg, nach monatelangem Leiden und Sterben an der Pest, geloben die Oberammergauer, alle zehn Jahre das „Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus“ aufzuführen.
2020 werden wieder mehr als 2.000 Mitwirkende in einer fünfstündigen Aufführung die Geschichte des Jesus von Nazareth darstellen.
Wie macht man heute erfolgreich Theater? Wie inszeniert man mit bekannten Schauspielerrn?
Darauf gibt Christian Stückl in den „Lebenswegen“ Antwort am 20. April um 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.