Johann Marte (links) und Alfons Kloss.
Johann Marte (links) und Alfons Kloss.
Kloss: "Heiliger Stuhl erwartet von uns, dass wir Prozesse der Annäherung vorbereiten und begleiten".
Die Stiftung "Pro Oriente" muss sich künftig besonders bemühen, jene Kräfte in den orthodoxen Kirchen zu stärken, die pro-ökumenisch eingestellt sind. Das hat der neue Präsident der Stiftung, Alfons Kloss im Interview für die aktuelle Wochenausgabe der Zeitung "Die Tagespost" betont.
Der derzeit noch als österreichischer Vatikan-Botschafter amtierende Kloss äußerte sich in einem Doppelinterview gemeinsam mit dem scheidenden langjährigen Präsidenten Johann Marte. Er habe 40 Jahre lang als Diplomat dem Staat gedient und sehe es als eine wunderbare Aufgabe, in den nächsten Jahren der Kirche zu dienen, so Kloss. Die Aufgabe eines Diplomaten sei es, "zusammen zu führen und Brücken zu bauen". "Pro Oriente" stehe ebenfalls für diese Grundausrichtung.
Der Heilige Stuhl sehe "Pro Oriente" überaus positiv und kenne das Potenzial der Stiftung, betonte der Vatikan-Botschafter: "Das wurde mir im Rat für die Einheit der Christen jüngst neuerlich bestätigt. Man erwartet von uns, dass wir Prozesse der Annäherung vorbereiten und begleiten."
Er sehe demnach für "Pro Oriente" in Zukunft - neben dem wissenschaftlich-theologischen Dialog - auch den Schwerpunkt, "gemeinsam als Christen in der konkreten Welt von heute mit allen ihren Herausforderungen die Ökumene zu leben, unter dem Leitstern der frohen Botschaft Christi". In der Praxis könne das etwa auch den gemeinsamen Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung bedeuten oder im Glaubensleben eine "Ökumene der Mystik, die geeignet ist, den Bedürfnissen der Menschen von heute entgegen zu kommen, die auf der Suche sind".
Die Arbeit von "Pro Oriente" sei angesichts der Herausforderungen der Globalisierung und nicht zuletzt der Konfrontation mit dem Islam, von der fast alle orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen betroffen sind, heute wichtiger denn je, resümierte der bisherige Präsident Johann Marte. Er führt noch bis in den Sommer hinein die Geschäfte der Stiftung, bis Kloss seinen Dienst als Vatikan-Botschafter beendet und nach Wien zurückkehren wird.
Die großen theologischen Fragen seien zwar "mehr oder weniger abgehandelt", so Marte, aber: "Die größte Sünde der Ökumene ist - meines Erachtens - die Vergesslichkeit." Vieles, was in den vergangenen Jahrzehnten in offiziellen und inoffiziellen Dialogen erreicht worden ist, gerate in Vergessenheit oder sei nicht rezipiert worden.
Heute seien die Probleme innerhalb der Orthodoxie viel größer als die Probleme der Katholiken mit der orthodoxen Welt. Marte: "Gemeinsam mit Papst Franziskus haben wir für ein gutes Ergebnis des Konzils von Kreta gebetet. Leider hat das Konzil nicht die erhoffte panorthodoxe Einheit gebracht. Im Gegenteil: Zwischen den orthodoxen Kirchen und innerhalb dieser Kirchen gibt es viele Polemiken." "Pro Oriente" werde Mittel und Wege suchen müssen, auf diese Entwicklungen einzugehen.
In der Orthodoxie werde manches, das die katholische Kirche nicht als trennend ansieht, als trennend empfunden, so Marte. Und manchmal sei Ökumene mit der Hierarchie leichter als mit den Gläubigen. Ein Metropolit habe einmal zu ihm wörtlich gesagt: "Wenn meine Gläubigen wüssten, wie einträchtig wir hier beisammen sitzen, würden sie mich davonjagen." Auch nach dem Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill in Havanna habe es in der russisch-orthodoxen Kirche Kritik an dem Treffen gegeben, erinnerte der scheidende "Pro Oriente"-Präsident.
Im Rückblick hielt Marte weiters fest, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Kommunikation mit den orthodoxen Kirchen in Osteuropa einerseits einfacher geworden sei, andererseits aber auch wieder nicht.
Schwieriger geworden sei sie dadurch, "dass diese Kirchen an die Zeit vor ihrer Unterdrückung durch die kommunistischen Regierungen angeknüpft haben". Sie hätten vielfach erneut die Aufgabe übernommen, den nationalen Zusammenhang zu stärken. Marte: "Einerseits wurden sie politisch instrumentalisiert, andererseits aber kam es besonders in Südosteuropa zu einer 'Resakralisierung' von Politik und Gesellschaft." Die Universalität der ökumenischen Bewegung leide jedenfalls darunter.
Auch in Russland habe man versucht, an das vorrevolutionäre Verhältnis von Kirche und Staat anzuknüpfen, das von der Idee der "Symphonie" von Thron und Altar geprägt war. Zugleich habe die Kirche seitdem aber viel geleistet, räumte Marte ein. Aber: "Natürlich will die Kirche einen starken, christlich orientierten Staat. Mitunter kritisiert die russische Orthodoxie den Westen in derselben Terminologie, die früher die KPdSU verwendete: Alles Schlechte kommt vom Westen, heißt es."
Zur Frage nach den für ihn beeindruckendsten ostkirchlichen Gestalten nannte der scheidende "Pro Oriente"-Präsident den Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., sowie den koptisch-orthodoxen Papst-Patriarchen Tawadros II.
Mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen sei die Ökumene "leichter und in den Ergebnissen besser", weil diese Kirchen - abgesehen von Armenien und Äthiopien - nie Staatskirchen oder Mehrheitskirchen waren. Sie seien immer "Kirche in einem Meer des Islam" gewesen. Auch mit den indischen Kirchen sei man in einem guten Dialog. Dass Ökumene darin bestehe, dass alle orthodox werden, höre man hier nie.
Bedrängnis und Verfolgung würden die orientalisch-orthodoxen Kirchen enger zusammenrücken lassen. "Wenn man Christen aus dem Nahen Osten nach ihrer Konfession fragt, sagen sie fast immer: Wir sind alle Christen", so Marte. Diese Orient-Christen hätten auch große, jahrhundertealte Erfahrungen mit den Muslimen. Marte: "Wir sollten sie mehr befragen. Außerdem bereichern sie die christliche Vielfalt im Westen."