Kardinal Christoph Schönborn beim Medienempfang im Hof des Deutschen Ordens.
Kardinal Christoph Schönborn beim Medienempfang im Hof des Deutschen Ordens.
ORF soll "politisch und wirtschaftlich unabhängig" und Leitmedium bleiben.
Die Suche nach Wahrheit ist nach den Worten von Kardinal Christoph Schönborn eine entscheidende Aufgabe von Medien. "Leben in Wahrheit" gehöre wesentlich zum von Gott verheißenen "Leben in Fülle", weshalb der Journalismus einen Gegenpol zum Phänomen der "Fake News" darstellen müsse, sagte der Kardinal am Mittwochabend, 6. Juni 2018 beim traditionellen Sommerempfang der Erzdiözese Wien, zu dem rund 350 Vertreter aus Medien, Wirtschaft und Kultur ins Deutschordenshaus in der Wiener Innenstadt gekommen waren.
Was mit kleinen Verdrehungen der Wahrheit beginne, könne in einer großen Katastrophe enden, mahnte der Kardinal mit einem Verweis auf Papst Franziskus, der unter Anspielung auf die Schlange beim biblischen Sündenfall von "Snake News" gesprochen habe. An deren Anfang stehe eine "getarnte gefährliche Verführung, die sich mit vielversprechenden, aber unwahren Argumenten ins Herz des Menschen schleicht", zitierte der Wiener Erzbischof den Papst. Desinformation sei jedoch niemals harmlos: Sogar Jesus habe vom Teufel als "Vater der Lüge" gesprochen.
Zu der am Donnerstag, 7. Juni beginnenden zweitägigen Medienenquete der Regierung erklärte der Kardinal, es gehe dabei "um die Zukunft der Medien in unserem Land und besonders um den ORF". Er wolle keinen Enquetebeitrag liefern, sagte er, unterstrich aber dennoch die Bedeutung eines unabhängigen staatlichen Rundfunks. "Es ist wichtig, dass es im Land eine Medienförderung gibt, die nicht politisch konditioniert ist, und dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, der politisch unabhängig und wirtschaftlich unabhängig und ein Leitmedium für unser Land ist", so Kardinal Schönborn.
Der Wiener Erzbischof nahm auch auf die aktuelle Debatte im deutschen Sprachraum um christliche Werte Bezug. Wichtiger als eine "Flucht in abstrakte christliche Werte" sei für ihn die Frage "Gehört Christus noch zu Europa?" sowie die Frage nach der Rolle von Jesus Christus im eigenen Leben. "Letztlich muss es darum gehen, wie jeder persönlich zu Christus steht", sagte Kardinal Schönborn unter Verweis auf das Jesuswort "Und ihr, für wen haltet ihr mich?"
Schließlich erwähnte der Kardinal die "Woche des Lebens", mit der die katholische Kirche in diesen Tagen den Einsatz für alle Formen bedrohten Lebens bestärkt. "Leben ist dort groß, wo es klein und schwach ist", sagte Kardinal Schönborn. Der Umgang mit den sogenannten "Uninteressanten, Hässlichen, Ausgebrannten und hoffnungslosen Sozialfällen" sei das entscheidende Maß für die Humanität einer Gesellschaft.
Auch Lehrlinge gehörten zu der Gruppe, die in der Gesellschaft zu wenig Wertschätzung erhielten, hob der Kardinal hervor und berichtete von seinen Erfahrungen bei einem Besuch der ÖBB-Lehrwerkstätten, wo er unmittelbar vor dem Sommerempfang zu Gast war. Wichtig sei es, Lehrlingen Perspektiven zu geben und ein "Leben in Fülle" zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang erwähnte Kardinal Schönborn die bisher positiven Erfahrungen des Projekts "Hands on" der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, bei dem junge Arbeitssuchende - darunter auch Flüchtlinge - Unterstützung und Begleitung durch Mentoren erhalten. Zwei Mentoren, Michael Freitag und Jakob Wieser berichteten beim Medienempfang auch kurz über ihre Erfahrungen mit den jungen Arbeitssuchenden.