Bei einem 12-Stunden-Arbeitstag bleibt kaum mehr Zeit für das Familienleben
Bei einem 12-Stunden-Arbeitstag bleibt kaum mehr Zeit für das Familienleben
Katholische Jungschar und Sozialistische Jugend fordern bei gemeinsamer Aktion in Wien Vereinbarkeit der Arbeitszeiten mit Familie und Kindern - Katholische Jugend warnt vor "Schnellschüssen" und vermisst Begutachtung
Heftige Kritik an den geplanten Änderungen im Arbeitsruhegesetz haben am Mittwoch nun auch die Katholischen Jungschar (KJS), die Katholische Jugend (KJ) und die Sozialistische Jugend (SJ) geübt. KJS und SJ machten am Mittwoch bei einer gemeinsamen Aktion auf dem Platz der Menschenrechte in Wien auf die Auswirkungen einer verlängerten Arbeitszeit auf Kinder aufmerksam. Bei einem 12-Stunden-Arbeitstag bleibe kaum mehr Zeit für das Familienleben, kritisierten die Jugendorganisationen und sprachen sich dezidiert gegen eine Erhöhung der täglichen Maximalarbeitszeit aus.
Kinderbetreuung brauche Stabilität und Verlässlichkeit; wenn im Familienalltag gemeinsam verbrachte Zeit verschwinde, gehe auch ein Gefühl von Gemeinsamkeit verloren. "Sowohl Kinder als auch Eltern wollen am Leben des jeweils anderen teilhaben. Dazu braucht es Regelmäßigkeit", betonte KJS-Bundesvorsitzende Stephanie Schebesch-Ruf.
Problematisch seien lange Arbeitszeiten auch im Blick auf Kinder-Betreuungsmöglichkeiten. Aktuell gebe es nur für jedes dritte Kind in Österreich einen Betreuungsplatz, der mit einem 8-Stunden-Tag vereinbar sei. Nur jede zehnte Einrichtung habe österreichweit länger als 12 Stunden offen, erklärte SJ-Vorsitzende Julia Herr. Durch fehlende Betreuungsmöglichkeiten würden Eltern oft in Teilzeitarbeit gedrängt. "Statt längerer Arbeitszeiten braucht es deshalb einen Ausbau von qualitativ hochwertigen und leistbaren Betreuungsplätzen für alle Kinder in Österreich", waren sich Schebesch-Ruf und Herr einig.
Mit der geplanten Änderung des Arbeitsruhegesetzes werde die Gesellschaft wieder in die Zeit des Arbeitskampfes des 19. Jahrhunderts zurückgeworfen, die acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf und acht Stunden Erholung gefordert hatte. Seit 100 Jahren sei deshalb klar: Ein 12-Stunden-Arbeitstag und eine 60-Stunden-Woche beeinträchtigten auf Dauer nicht nur die Gesundheit der Arbeitnehmer, sondern gingen vor allem auch zu Lasten einer glücklichen Kindheit.
Veronika Schippani, ehrenamtliche Vorsitzende der KJS Wien, ergänzte: "Kinder brauchen Verlässlichkeit, Regelmäßigkeit und gemeinsame Zeit. Aber auch ehrenamtliches Engagement benötigt ausreichend freie Zeit und Planbarkeit - auch dies wird durch den 12-Stunden-Tag gefährdet."
Die Katholische Jugend übte ihre Kritik vor allem am nicht vorhandenen Begutachtungsverfahren, der "sogenannten Freiwilligkeit" und der sich aus den geplanten Änderungen ergebenden schlechteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein derart wichtiges Gesetz ohne Beratung und breite Beteiligung aller Sozialpartner und gesellschaftlicher Verantwortungsträger zu ändern, halte man für "hoch bedenklich". "Demokratie sieht anders aus", so der ehrenamtliche KJ-Vorsitzende Andreas Six-Huber.
Grundsätzlich sei eine Flexibilisierung der Arbeitszeit eine wünschenswerte Idee, die allerdings intensiv und eng mit den Interessensverbänden erarbeitet und auf die einzelnen Berufsgruppen angepasst werden müsse, betonte Six-Huber. Die Organisation appellierte deshalb an die Regierung, "alle Meinungen und Expertisen anzuhören und mit einzubeziehen" und "Schnellschüsse" zu unterlassen.
"Fragwürdig" sei auch der im Entwurf verwendeten Begriff der Freiwilligkeit. "Für einige wird dies keine große Änderung darstellen. Andere haben meist die berechtigte Angst, dass das Ausschlagen von Überstunden schnell zu Kündigung und Benachteiligung führen kann", so der KJ-Vorsitzende.
Negative Auswirkungen habe die geplante Änderung auch auf das Familienleben und das ehrenamtliche Engagement: "In Österreich wird bekanntlich ein enormes Volumen an Freiwilligenarbeit geleistet. Weniger kollektive Freizeit durch die mögliche Ausweitung der Arbeitszeiten auf Sonn- und Feiertage wird es Jugendlichen erschweren, wenn nicht unmöglich machen, sich ehrenamtlich in Jugendorganisationen zu engagieren", gab der KJ-Vorsitzende zu Bedenken. Zudem werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele noch schwerer.