Prälat Karl Jüsten leitet das Kommissariat der deutschen Bischöfe in Berlin.
Prälat Karl Jüsten leitet das Kommissariat der deutschen Bischöfe in Berlin.
Bei vielen Punkten sei fraglich, ob eine Gesetzesänderung überhaupt erforderlich sei.
Der vom deutschen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgestellte "Masterplan Migration" stößt in der katholischen Kirche auf deutliche Vorbehalte. "Auch wenn einige der vorgeschlagenen Maßnahmen sinnvoll und nachvollziehbar scheinen", sei zu befürchten, dass eine Umsetzung zu einer "erheblichen Verschlechterung" für Flüchtlinge führen werde, sagte der Leiter des Katholischen Büros der deutschen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, am Freitag, 13. Juli 2018 in einem Interview der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Er kritisierte unter anderem die Unterbringung in zentralen Ankerzentren sowie die Verkürzung von Rechtsmittelmöglichkeiten und -fristen. Positiv äußerte er sich über entwicklungspolitische Aspekte. Seehofer hatte den Plan "zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung" am Dienstag vorgestellt.
Aus kirchlicher Sicht seien "viele der vorgeschlagenen Punkte gerade mit Blick auf Humanität und Barmherzigkeit nur schwer verständlich", so Jüsten. Häufig scheine der Blick auf die hinter den Zahlen stehenden Einzelschicksale verstellt. "Gesetzliche Regelungen sollten immer so ausgestaltet werden, dass auch Raum für die Lösung andersgelagerter Fälle verbleibt", betonte der Prälat.
Bei vielen Punkten sei fraglich, ob eine Gesetzesänderung überhaupt erforderlich sei. Der Gesetzgeber habe bereits viele Verschärfungen umgesetzt, ohne ihre Wirksamkeit zu prüfen. Zugleich seien die Zuzugszahlen erheblich zurückgegangen.
Die Vorschläge im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit begrüßte Jüsten. Der Aufbau von Infrastruktur und Investitionen in Bildung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen etwa im Maghreb und anderen afrikanischen Reformpartnerländern seien wichtige Schritte. Entwicklungshilfe könne aber langfristig nur Wirkung entfalten, "wenn neben den Regierungen auch die Zivilgesellschaft in den Blick genommen wird".
Der Kirche liege besonders am Herzen, dass Entwicklungshilfe und Migrationsbeschränkung nicht verknüpft würden, betonte der Prälat. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich die Hilfe nicht mehr nach den Bedürfnissen vor Ort zu richte. Migration lasse sich zwar begrenzt steuern; Fluchtbewegungen durch Kriege, Bürgerkriege oder Hungerkatastrophen aber nicht.
Kritisch äußerte sich Jüsten auch zur Einrichtung sogenannter "Ausschiffungsplattformen" in Afrika. Er habe erhebliche Bedenken, ob hier die Menschenrechte und rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten seien. Zugleich verwies er darauf, dass nahezu 90 Prozent der Schutzsuchenden weltweit Aufnahme in den Krisenregionen fänden. Sie müssten entlastet werden. Dazu seien die aktuellen Resettlementzahlen in Deutschland viel zu gering.
Scharfe Kritik an Seehofers Papier übte auch das deutsche katholische EZA-Hilfswerk Misereor. Der "Masterplan" atme "in Duktus und Stoßrichtung eher den Geist der Abwehr und Abschottung" und unterscheide nicht zwischen Migration und Flucht. Beide Themen würden zudem vorrangig unter Sicherheitsaspekten behandelt, kritisierte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. Damit bediene Seehofer rechtspopulistische Strömungen und blende die "wirklich großen globalen Herausforderungen" aus.
Hannovers Landesbischof Ralf Meister erneuerte die Kritik der evangelischen Kirche an dem Verlauf der Debatte. "Wir dürfen nicht taub werden für die einzelnen Geschichten der Not", sagte Meister der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Freitag). Der Landesbischof nannte Migration das wichtigste Thema im 21. Jahrhundert. Allein durch Grenzsicherung ließen sich die Probleme nicht lösen. "So hoch kann man Mauern und Zäune gar nicht bauen, dass wir verzweifelte Menschen in Not abhalten können, zu uns zu kommen."
Bereits am Donnerstag hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland fehlende Empathie in der Debatte über Abschiebungen und Flüchtlinge beklagt.
Der frühere Bundesminister Norbert Blüm (CDU) schrieb in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" vom Freitag, die Sprache in der derzeit geführten Asyldebatte erzeuge bei ihm einen "ekelhaften Überdruss". "Wir reden über Flüchtlinge wie über Sachen und verstecken den Skandal der Herzlosigkeit in kalten Statistiken", so Blüm weiter. Ihn schrecke vor allem "der kaltschnäuzige Ton" der CSU. Er frage sich, wo das auf die christlichen Werte hinweisende "C" im Namen der Partei geblieben sei.