Auch heuer brechen wieder engagierte Jugendliche mit der Organisation „Volontariat bewegt“ in fremde Länder auf.
Auch heuer brechen wieder engagierte Jugendliche mit der Organisation „Volontariat bewegt“ in fremde Länder auf.
Nerviger Nebeneffekt oder freudvolles Erleben einer internationalen Kirche? Junge Freiwillige meistern in Einsätzen die Herausforderungen fremder Kulturen. Fremd ist ihnen zunächst auch oft das Leben der Ordensleute, mit denen sie zusammenarbeiten.
Religiosität von früh bis spät – bei einem Freiwilligeneinsatz in Entwicklungsländern stehen junge Leute im direkten Kontakt mit gottgeweihten Menschen. Vom Morgengebet bis zu der Liturgie am Abend wohnen, arbeiten und essen Volontärinnen und Volontäre in vielen Einsatzländern gemeinsam mit Ordensleuten.
„Wie geht die Kirche mit jungen Menschen um, um für sie ein effektiver, relevanter und anregender Ratgeber zu sein?“ – das soll bei der Jugend-Bischofssynode im Herbst in Rom ein zentraler Punkt sein.
Die Volontärinnen und Volontäre der Organisation „Volontariat bewegt“ haben das bei ihren Einsätzen vor Ort erlebt.
„Volontariat bewegt“ ist eine Initiative von „Jugend Eine Welt“, der Organisation der Salesianer Don Boscos, die Jugendliche und junge Erwachsene als freiwillige Helfer ins Ausland schickt.
Dort unterstützen sie, in Zusammenarbeit mit den Salesianern, Bildungs- und Sozialprojekte. „Das Volontariat ist ein Jahr, das für viele junge Erwachsene sehr einprägsam ist. Es fällt in eine Phase der Neuorientierung und einer neuen Selbstständigkeit“, sagt Johannes Ruppacher, selbst ehemaliger Freiwilliger und Geschäftsführer von „Volontariat bewegt“.
Obwohl die Zusammenarbeit mit den Ordensleuten in den meisten Projekten der Organisation eine große Rolle spielt, „sind die Bewerberinnen und Bewerber oft nicht selbst in der Kirche aktiv und setzen sich im Vorhinein auch nicht mit ihrem eigenen Glauben auseinander“, verrät Ruppacher.
Zu den größten Problemen für die Jugendlichen zählt er deshalb „die teilweise völlig differente Lebensrealität von Salesianern und Volontären“.
Bernhard Ganglbauer, der seinen einjährigen Auslandsaufenthalt im mexikanischen Tijuana vor fünf Jahren als Zivildiener absolviert hat, lebte und arbeitete dort unter einem Dach mit einheimischen Ordensleuten.
Zum Gebet musste Ganglbauer täglich früh morgens aufstehen und kam erst spät in der Nacht von der Arbeit nach Hause. „Ich habe mich im Vorfeld schon darauf gefreut, mit Salesianern zusammenzuarbeiten und zu leben. Ich war der festen Überzeugung, dass das Miteinander mit ihnen gut funktionieren wird“, sagt er.
Auf äußere Umstände, wie die einfache Unterkunft oder die langen Arbeitszeiten war Ganglbauer vorbereitet. „Auf manches, wie etwa den Schlafmangel oder das strenge Regime der örtlichen Salesianer, kann man sich nicht vorbereiten“, sagt der nun 23-jährige Student.
So hatte er kaum Zeit für sich selbst und litt unter einem „System, das mehr auf Strafen und Sanktionen ausgelegt war, als auf Verständnis, Respekt und ein gutes Miteinander“, kritisiert er.
In einem Projekt, in dem die Salesianer zwar die örtliche Projektleitung innehatten, in den Alltag jedoch kaum eingebunden waren, arbeitete Johannes Pusch.
Der heute 26-jährige Student absolvierte sein Volontariat, ebenfalls 2012/13, in Ecuador: „Ich war vor dem Volontariat kein aktives Mitglied der katholischen Kirche und bin es jetzt immer noch nicht“, gesteht der Student.
Die Zusammenarbeit mit den Salesianern befand er im Vorhinein als „nervigen Nebeneffekt“, er war jedoch nicht abgeneigt, „in eine neue Welt einzutauchen und Erfahrungen zu sammeln“.
Sein Fazit: „Meine Einstellung zur Kirche und ihrer sozialen Bedeutung in Entwicklungsländern wurde positiv beeinflusst. Im Großen und Ganzen haben alle Salesianer vor Ort ihre Aufgabe ernst genommen und dadurch wesentlich dazu beigetragen, den Armen zu helfen.“
Ebenfalls in Ecuador, jedoch in einem Projekt der Don Bosco Schwestern, befand sich Agnes Reininger.
Die in Wien lebende Logopädie-Studentin war bereits in ihrer Jugend als Jungscharbegleiterin aktiv und war auf die Herausforderungen im Zusammenleben mit Ordensleuten vorbereitet: „Ich habe mich bewusst darauf eingestellt, ein Jahr in einer religiösen Gemeinschaft mit zu leben und zu arbeiten.“
Die im Einsatzland als Lehrerin arbeitende Wienerin wohnte dort in einem eigenen Haus – gebetet, gegessen und gearbeitet wurde zusammen mit den Ordensschwestern.
Die Don Bosco Schwestern wurden für Agnes Reininger fast zur Familie: „Es war, als hätte man auf einmal neun Omas. Ich habe ihre Sicht auf Gott und die Kirche kennen gelernt und, auch wenn ich nicht alle Ansichten teile, kann ich nun besser nachvollziehen, warum sich jemand für ein Leben als Ordensfrau entscheidet.“
Der „Gedanke der Nächstenliebe, der Vergebung und der Rücksichtnahme“ sei im Projekt immer im Mittelpunkt gestanden und ist für Reininger immer noch ein ständiger Wegbegleiter.
„Ich merke aber für mich, dass ich derzeit keine fixe Institution brauche, um ein – in diesem Verständnis – christliches Leben zu führen“, sagt die 24-jährige Studentin. So sehe sie derzeit keinen Platz für sich in der katholischen Kirche und wurde in ihrem Freiwilligeneinsatz darin bestärkt, ihren Glauben auf ihre „eigene Art“ zu leben.
Der Blick ins Kircheninnere habe ihr die „vielen positiven Seiten der Institution Kirche aufgezeigt – in Österreich und im Ausland“.
Ob der eigene Glaube im Auslandseinsatz beeinflusst wird, hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten und der Motivation der sich dort befindenden Ordensleute ab.
Das bestätigt Provinzial Pater Petrus Obermüller, Salesianer und seit Jahren enger Mitarbeiter von „Volontariat bewegt“: „Eine totale Veränderung im Glauben kommt nie vor. Ein Jahr ist zu wenig, um plötzlich eine enge Affinität zur Kirche zu entwickeln.
Die Volontäre, die nichts mit der Kirche zu tun hatten, sind aber durch die erlebten sozialen Aspekte dem Ganzen gegenüber insgesamt wohlwollender eingestellt.“
„Wie geht die Kirche mit den Jugendlichen um?“ – dieses zentrale Thema der Bischofssynode haben die Volontäre hautnah erfahren. Sie verstehen jetzt auch mehr von der Kirche und äußern konkrete Wünsche: „Weg vom Konservativen, und zum Beispiel Frauen mehr in die Liturgie einbinden“, wünscht sich Johannes Pusch.
„Der christliche Glaube sollte etwas Offenes sein, etwas Inkludierendes, etwas Versöhnendes. Manche Aspekte sind einfach veraltet, müssten es nicht mehr sein“, kritisiert Anges Reininger.
Bernhard Ganglbauer würde gerne ein größeres Angebot, das speziell auf Jugendliche zugeschnitten ist, erleben, wie etwa sportliche Veranstaltungen.
Andererseits wünscht sich Johannes Ruppacher, „dass Jugendliche die Einsicht gewinnen, dass es von ihnen abhängt, wie die Kirche in ein paar Jahren aussehen wird – es gibt die Möglichkeit, mitzugestalten.“
Volontariat Bewegt
„Volontariat bewegt“ ist ein gemeinnütziger Verein, der jungen Menschen Freiwilligeneinsätze in Lateinamerika, Asien und Afrika ermöglicht.
Diese Einsätze werden in Zusammenarbeit mit der weltweit tätigen Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos organisiert. Pro Jahr werden 30 bis 40 Volontärinnen und Volontäre in Länder auf der ganzen Welt geschickt.
Volontariat bewegt
St. Veit-Gasse 21
1130 Wien
Tel. 0676/766 60 76
www.volontariat.at
Provinzial P. Petrus Obermüller steht seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit Volontärinnen und Volontären und begleitet sie in der Vorbereitung
Mehr zur Jugend-Bischofssynode 2018
zum Autor dieses Berichts:
Raphael Krapscha
studiert Publizistik und Spanisch in Wien. Er ist freier Journalist und immer auf der Suche nach Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.
Er macht den KMA-Kurs „Journalismus als Beruf“.
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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