„Wenn man als Helferin oder Helfer nicht damit rechnen müsste, deswegen verurteilt zu werden, wären viel mehr Jugendliche dazu bereit, Asylanten näher kennen zu lernen.“ (Stefanie, ehrenamtliche Flüchtlings-Begleiterin)
„Wenn man als Helferin oder Helfer nicht damit rechnen müsste, deswegen verurteilt zu werden, wären viel mehr Jugendliche dazu bereit, Asylanten näher kennen zu lernen.“ (Stefanie, ehrenamtliche Flüchtlings-Begleiterin)
Der Wiener Westbahnhof im Ausnahmezustand. Viele wollten bei der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 helfen. Auch junge Österreicherinnen und Österreicher. Heute sieht es anders aus: Junge christliche Asylanten vermissen junge Christen.
Vor drei Jahren war es anders. In nur einer Nacht kamen 6.000 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof an. Die logistischen Herausforderungen waren immens. Tausende halfen spontan. Darunter viele Jugendliche, die sich zumindest einen Tag lang intensiv engagierten.
Es galt als cool, so ganz nebenbei in einem Gespräch zu erwähnen, man habe letztens an Flüchtlinge Wasserflaschen verteilt. Der Hilfe-Hype ist verflogen.
Langfristig kümmern sich die Älteren um Asylanten. Die jungen Flüchtlinge finden keinen Platz in österreichischen Jugendszenen. Doch gibt es sie: Junge Einheimische, die Asylanten helfen.
Da ist zum Beispiel die Studentin Stefanie. Sie will nicht mit ihrem Namen in dieser Reportage aufscheinen. Ihre Begründung: „Ich möchte keinesfalls, dass jeder weiß, dass ich mit Flüchtlingen arbeite.
Nicht, weil ich nicht stolz darauf wäre, aber es gibt einfach genug Leute, die hetzerische Kommentare abgeben und damit möchte ich mich nicht mehr auseinandersetzen.“
Stefanie ist ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin. Sie, wie auch die anderen Befragten, war nur bereit über das Thema zu sprechen, wenn sie anonym bleibt. Bereits viel zu viele Debatten habe Stefanie wegen ihrer Asylanten-Arbeit geführt: „Ich will mich nicht immer rechtfertigen müssen für das, was ich an Hilfe leiste.“
Die Hilfsbereitschaft hätte nachgelassen, ganz besonders bei österreichischen Jugendlichen. „Die Gruppe der Ehrenamtlichen, zu der ich gehöre, wird auch immer kleiner“, sagt sie.
„Ich habe zweimal bei einem Jugendfest in der Pfarre geholfen. Den ganzen Tag. Nur ein einziger von der Jugendgruppe hat mit mir gesprochen, hat mich gefragt, wie es mir geht und woher ich komme“, zeigt sich Paul, Christ und afghanischer Asylant, bestürzt. Auch sein Name wurde geändert, das verlangte er trotz seines abgeschlossenen Asylverfahrens.
Er würde gerne mit jungen Leuten in Kontakt kommen. Es gelingt ihm einfach nicht. „Ich denke, die österreichischen Jugendlichen müssen viel lernen, arbeiten und Sport machen. Da wollen sie dann das Wochenende genießen und nicht mit uns Asylanten etwas unternehmen oder in die Kirche gehen“, sagt er und bemerkt: „Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche, da sehe ich auch nicht viele junge Menschen.
Wenn dann die Leute am Kirchplatz zusammenstehen, da bin ich mitten unter ihnen, aber jung sind die nicht. Vielleicht denken die jungen Österreicher, alle Flüchtlinge sind schlecht.“
Wolfgang, ehrenamtlichen Betreuer im Asylantenheim, in dem Paul untergebracht war, ist das Problem bekannt: Auch er berichtet von den Jugendfesten, bei denen neben Paul noch weitere Asylanten im Einsatz waren: „Ich habe mich so gefreut, dass die Pfarrjugend mit den Asylanten einen Maibaum aufstellen wollte. Schnitzen, sägen, nageln, binden – das alles haben die Asylanten gemacht. Sogar Volkstänze wurden gemeinsam einstudiert.“
Die Hoffnung des Betreuers, dass dadurch ein nachhaltiger Kontakt mit der Pfarrjugend zustande käme, erfüllte sich nicht: „Bei der dritten Anfrage, ob wir wieder bei dem Fest helfen, haben wir als Betreuer gesagt, so geht das nicht, wir machen das nicht mehr.“
Die Pfarrcaritas habe sehr viel für die Asylanten getan, „aber dass die Pfarrjugend mit jungen Asylanten, selbst wenn es Christen sind, auf Dauer etwas unternimmt, das hat nicht funktioniert“, berichtet Wolfgang bestürzt.
Dass Flüchtlinge in Österreich keinen Kontakt zu Einheimischen haben überrascht Herbert, der als Betreuer in einem Heim für unbegleitete Jugendliche arbeitet, überhaupt nicht: „Jugendliche tendieren dazu, sich in ihren eigenen Szenen zu bewegen. Auch die Flüchtlinge haben ihre fixen Gruppen.
Gerade im städtischen Bereich, wo sie ghettomäßig in bestimmten Bezirken angesiedelt werden. Da kommt es zu einer Parallelgesellschaft“, kritisiert Herbert. Verstärkt würden diese Szenen durch ethnische Unterschiede unter den Flüchtlingen: „Jede Ethnie eine eigene Szene. Die österreichischen Szenen sind asylantenlos, die Asylanten-Szenen österreicherlos.“
Dass die österreichischen Jugendlichen kaum Asylanten in ihre Szene lassen, liegt laut Herbert wohl an den Hetzereien: „Jugendliche werden leicht von negativen Kommentaren einiger verunsichert.“
„Das Engagement Jugendlicher ist punktuell und zeitlich begrenzt“, sagt Herbert aus seiner langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit jungen Leuten. „Immer wieder gibt es sehr gute Aktionen, bei denen österreichische Jugendliche und Flüchtlinge für einen Nachmittag zusammenkommen und sich verstehen. Danach sehen sie sich aber nicht wieder“, stellt er fest.
Nachhaltigkeit sei eher bei den Helferinnen und Helfern fortgeschrittenen Alters gegeben. „Jugendliche haben wenig Zeit und das aktive Zusammenarbeiten mit Asylanten braucht wirklich viel Zeit. In manchen Fällen sind die Flüchtlinge selbst schuld, dass eine dauernde Kontaktaufnahme nicht gelingt“, sagt Herbert.
Er erzählt von österreichischen Jugendlichen, die Fußball-Trainings für Flüchtlinge organisiert haben. „Die Flüchtlinge waren es damals noch nicht gewohnt, zu einer bestimmten Zeit an einem Treffpunkt zu erscheinen. Der Trainer hat dann gewartet und ist irgendwann gefahren. Als er weg war, waren dann plötzlich die Flüchtlinge da“, kritisiert der Jugendbetreuer.
Dieses nachlässige Verhältnis zur Zeit habe sich seitdem deutlich gebessert: Die Betreuer machten Druck, die Asylanten wollten Fußballspielen. Und bei den Lehrlingen klappe es ohnedies, berichten Lehrherren, die von einheimischen Lehrlingen ohnedies einiges gewohnt sind.
Der Sport ist eine hervorragende Schiene zur Integration. Die Musik auch. Tom, der bereits als Christ aus Afrika nach Österreich geflüchtet ist und jetzt als Fliesenleger-Lehrling arbeitet, hat eine wunderbare Stimme. Er singt bei einem jungen Gospelchor. Das ist seine neue Heimat.
Es gelingt nicht immer, junge Asylanten in den Pfarren zu integrieren. Die Grafik als Symbol, da niemand wagte, sich fotografieren zu lassen.
400 Einzelaktionen in ganz Österreich.
Projektbeispiele:
– Ein AsylwerberInnenheim gemeinsam mit den BewohnerInnen renovieren,
– eine integrative Veranstaltung bei dir vor Ort auf die Beine stellen,
– Theaterstücke/Filme/Kampagnen zum Schwerpunkt “Challenge your Limits“ gestalten
Katholische Jugend Österreich,
Stefan Frühwald,
Telefon: 0664 886 806 64,
E-Mail: stefan.fruehwald@kath-jugend.at
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