Papst Franziskus bei seinem Besuch in Litauen.
Papst Franziskus bei seinem Besuch in Litauen.
Papst bei Begegnung in Kathedrale von Kaunas sichtlich bewegt von Schicksalen Geistlicher. "Sie sind Heilige", sagte Franziskus.
Papst Franziskus hat in Litauen an das Vermächtnis der Kleriker während der Besatzungszeit erinnert. Heutige Priester und Ordensleute sollten sich bewusst sein, "Kinder von Märtyrern" zu sein, sagte er bei einer Begegnung mit Geistlichen in der Kathedrale von Kaunas am Sonntag, 23. September 2018.
Franziskus zeigte sich sichtlich bewegt von Berichten über die Schicksale katholischer Kleriker während des Kommunismus. Die Frage ihrer Seligsprechung sei ein Thema im Gespräch mit den litauischen Bischöfen gewesen, so der Papst. Teilweise seien weder der Begräbnisort bekannt noch Dokumente für ein ordentliches Seligsprechungsverfahren vorhanden. "Sie sind Heilige", sagte Franziskus.
Die Säkularisierung nannte der Papst eine "Versuchung der zweiten Generation". Wenn heutige Priester und Ordensleute ihren Glauben auf die Probe gestellt fänden, seien die Ursache nicht Diktatoren, sondern fehlende Freude am Gebet und am Gemeinschaftsleben. Frustrierten jungen Geistlichen riet er, sich am Leben der Älteren ein Vorbild zu nehmen; gegebenenfalls sei es "besser, einen anderen Weg einzuschlagen, als in Mittelmäßigkeit zu leben".
Nachdrücklich mahnte er Priester und Ordensfrauen zur "Nähe zu Gott und den Menschen". Geistliche dürften keine Beamten mit festen Bürozeiten sein. "Der Herr will euch als Hirten und Hirtinnen des Volkes und nicht als Staatskleriker", so der Papst.
Das Hören auf Gott im Gebet lasse auch "den Schmerz der anderen sehen, hören und erkennen, damit wir sie davon befreien können", sagte Franziskus. "Wir müssen vom Schrei unseres Volkes getroffen werden." Wichtig sei der Blick über die persönliche Verantwortung hinaus. "Der Heilige Geist versammelt uns, versöhnt unsere Unterschiede und erzeugt neue Dynamiken, um die Sendung der Kirche zu beleben", sagte der Papst. Der Grund der christlichen Hoffnung werde "nur an unserem gelebten Beispiel" sichtbar, so Franziskus.
Papst Franziskus hat in Litauen der Verfolgung und Ermordung der Juden während des Nationalsozialismus gedacht. In Vilnius legte das Kirchenoberhaupt am Sonntag am Denkmal des ehemaligen Ghettos ein Blumengebinde nieder und betete schweigend. Begleitet wurde Franziskus bei dem kurzen Aufenthalt von Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite und von der Präsidentin der jüdischen Gemeinde Litauens, Faina Kukliansky.
Das Ghetto von Vilnius war nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1941 eingerichtet worden. Zuletzt lebten dort rund 40.000 Juden unter elenden Bedingungen. Vor genau 75 Jahren, am 23. September 1943, wurde das Ghetto endgültig geräumt. Die Einwohner fanden bis auf wenige den Tod durch Ermordung oder Deportation. Vilnius galt wegen seines über Jahrhunderte blühenden jüdischen Lebens einst als "Jerusalem des Nordens".
Insgesamt lebten in Litauen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs mehr als eine Million Juden. Die meisten kamen unter den Nationalsozialisten gewaltsam ums Leben. Die Kollaboration der nichtjüdischen litauischen Bevölkerung ist bis heute ein sensibles Thema. Im Besuchsprogramm des Papstes war der Halt beim Ghetto anfangs nicht vorgesehen.