Papst Franziskus hat im Baltikum vor Populismus und neuer Fremdenfeindlichkeit gewarnt.
Papst Franziskus hat im Baltikum vor Populismus und neuer Fremdenfeindlichkeit gewarnt.
Franziskus ging bei Gottesdienst im Marienheiligtum auf innergesellschaftliche Kontroversen um Migranten und um Minderheiten in Lettland ein. Christen müssten auf eine "universale Geschwisterlichkeit" setzen.
Papst Franziskus hat im Baltikum vor Populismus und neuer Fremdenfeindlichkeit gewarnt. Es schienen Gesinnungen wieder aufzuleben, "die Misstrauen gegenüber den anderen säen und mithilfe von Statistiken belegen wollen, dass es uns besser ginge, dass es größeren Wohlstand und mehr Sicherheit gäbe, wenn wir allein wären", sagte er bei einer Messe im lettischen Marienwallfahrtsort Aglona am Montag, 24. September 2018.
Christen müssten dagegen auf eine "universale Geschwisterlichkeit" setzen. Solidarität sei kein "Spaziergang", sagte das Kirchenoberhaupt. Notleidende und Ausgeschlossene müssten "spüren können, dass wir fest und zuverlässig an ihrer Seite und auf ihrer Seite stehen". Er rief dazu auf, mit dem Leid von Mitmenschen "in Berührung zu kommen".
An dem Marienwallfahrtsort Aglona unweit der russischen Grenze, in einer Region mit starker russischer Minderheit, mahnte der Papst auch zu Vergebung und zum Verzicht auf Ressentiments und Misstrauen. Auf politischer Ebene sei die Geschichte der Konflikte zwischen den Völkern immer noch "schmerzlich gegenwärtig", sagte er.
Vernehmbar ging Franziskus auf innergesellschaftliche Kontroversen um Migranten und um Minderheiten in Lettland ein. Christen seien aufgerufen, einander ohne Diskriminierung anzunehmen. Die katholische Kirche solle zeigen, "dass wir bereit sind, den Armen einen besonderen Platz einzuräumen, den Gefallenen aufzuhelfen und die anderen so anzunehmen, wie sie zu uns kommen und vor uns stehen".
In Lettland leben etwa 240.000 Einwohner - 11,2 Prozent der Gesamtbevölkerung - als sogenannte "Nichtbürger" mit einem eigenen "Nichtbürger-Pass". Größtenteils handelt es sich um in der Sowjetzeit zugewanderte Russen, Weißrussen und Ukrainer. Eine Einbürgerung setzt einen lettischen Sprach- und Landeskunde-Test voraus, der vor allem ältere Nichtbürger vor hohe Anforderungen stellt.
Lettland betreibt wie die anderen baltischen Staaten eine restriktive Sprachenpolitik. Unter anderem können Angestellte mit "unzureichenden Kenntnissen der Staatssprache" sanktioniert werden. Schüler an Minderheitenschulen erzielen aufgrund der lettischen Sprachpflicht durchschnittlich schwächere Leistungen. Nach dem Urteil von Fachleuten erwiesen sich die politischen Maßnahmen als wenig förderlich für die gesellschaftliche Integration.
Die Aufnahme neuer Migranten im Zuge der EU-Flüchtlingskrise stößt unter anderem deswegen auf Vorbehalte, weil dies Erinnerungen an die Einwanderung von Industriearbeitern während der Sowjetzeit wachruft.
Die Basilika von Aglona ist ein Heiligtum, dessen Anziehungskraft seit dem 19. Jahrhundert über das Baltikum und Weißrussland hinaus bis tief nach Russland reicht. Ein als wundertätig verehrtes Marienbild macht die barocke Pilgerkirche in dem ostlettischen Seengebiet zum katholischen Zentrum des lutherisch geprägten Landes.
Bischof Mikolaj Poplawski hatte in der Nähe einer heilenden Quelle 1698 eine hölzerne Kirche und im folgenden Jahr ein Dominikanerkloster errichten lassen. Die Dominikaner brachten dabei vermutlich aus Litauen eine Marienikone mit. Der Bau der heutigen Barockkirche wurde 1768 begonnen und 1780 fertiggestellt. Bischof Jan Benislawski weihte sie 1800. 1986 war Aglona der Ort der 800-Jahr-Feier des Christentums in Lettland. Im September 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. das Heiligtum, mehr als 300.000 Pilger versammelten sich dazu.
Mit der Messe am Montag endete das eintägige Besuchsprogramm von Franziskus in Lettland. Anschließend flog er ins litauische Vilnius zurück. Am Dienstag steht zum Abschluss der viertägigen Baltikumreise eine eintägige Visite in Estlands Hauptstadt Tallinn an.