Hinschauen und zuhören: In „Zu ebener Erde“ kommen wohnungslose Menschen zu Wort.
Hinschauen und zuhören: In „Zu ebener Erde“ kommen wohnungslose Menschen zu Wort.
„Zu ebener Erde“ heißt der neue Film eines österreichischen Regie-Trios, das obdachlose Menschen in Wien begleitet hat.
Monika Fischer hat Regisseurin und Drehbuchautorin Steffi Franz getroffen und mir ihr über die berührende Dokumentation gesprochen.
Wir übersehen sie geflissentlich, trotzdem sind sie da, versteckt oder offensichtlich, an vielen Orten: obdachlose Menschen. Steffi Franz, Birgit Bergmann und Oliver Werani haben sich gefragt: Wer sind diese Frauen und Männer? Warum leben sie auf der Straße? Was denken sie? Und sie haben beschlossen, einen Film zu machen.
„Wir wollten keinen Film über diese Menschen machen, sondern einen Film mit ihnen. Wir wollten sie zu Wort kommen lassen, ihnen eine Stimme geben, einen Raum für ihre Geschichten und Problemlagen und damit die Möglichkeit, aus der Anonymität der Straße herauszutreten“, sagt Filmemacherin Steffi Franz. In „Zu ebener Erde“ gelingt das eindringlich.
Menschen, an denen wir meistens vorbeihasten, bekommen hier Gesichter, Stimmen und Geschichten. Sie nehmen uns ZuschauerInnen mit in ihre Welt, zu ihren Schlafplätzen auf Parkbänken, unter Holzhaufen und in Notquartieren, zum Betteln, zur Medizinstation, zur Weihnachtsfeier ins Kloster.
Herr Jölli wirkt wie ein alter Sir, wenn er mit seinem Hut vor der U-Bahn-Station steht und „einen erfolgreichen Tag“ oder „frohe Weihnachten“ wünscht.
Hedy liebt die Tiere, die mit ihr im Wald am Rand der Stadt leben, die Menschen meidet sie.
Herr Birkner freut sich, wenn er für gesammelte Plastikflaschen 2,90 Euro bekommt, denn da geht sich eine gute Jause aus.
Katka sitzt im Rollstuhl und träumt von eigenen Kindern und einer glücklichen Ehe.
Nach und nach erfahren oder erahnen wir, warum sie so leben, wie sie jetzt leben – und dass ihr früheres Leben dem unseren vielleicht recht ähnlich war.
Steffi Franz und ihre KollegInnen haben ihre ProtagonistInnen vier Jahre lang begleitet: „Es war immer wieder sehr hart und sehr traurig und hat uns mit einer großen Ohnmacht zurückgelassen. Wenn es kalt war und geregnet hat, der Dreh vorbei war und ich nach Hause gegangen bin, hab‘ ich mich eigentlich schlecht gefühlt, dass ich eine Wohnung, eine Heizung und eine Badewanne habe. Ich hab‘ für mich verstehen müssen, dass es ihnen nicht besser geht, wenn ich mich schlecht fühle.
Es war aber auch sehr lustig, der Humor, den sich diese Menschen bewahrt haben, hat mir sehr imponiert.“ Immer wieder wurde das Filmteam mit dem Tod konfrontiert. Mehrere ihrer wohnungslosen Bekannten starben während der Dreharbeiten. Mit denen, die noch leben, halten sie weiterhin Kontakt.
Nach ihren Erfahrungen rund um den Film wünscht sich Steffi Franz, dass wir alle nicht mehr ausblenden, dass mitten unter uns Frauen und Männer in Armut leben. Dass wir sie wahrnehmen, auch wenn es anders vielleicht bequemer wäre. Oder dass wir einen Gruß erwidern, statt einfach vorbei zu gehen.
„Ich würde mir wünschen, dass, wenn man aus dem Film rauskommt, man vielleicht ein bisschen anders durch die Straße geht, die Leute, die am Rand sitzen, anders wahrnimmt und eine größere Aufmerksamkeit für das Thema und die obdachlosen Menschen hat.“
Trailer
Der sehenswerte Film „Zu ebener Erde“ ist derzeit in den Wiener Kinos zu sehen.
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