Die Regierung in Islamabad hatte der gegen Bibis Freilassung gewaltsam protestierenden radikalislamischen Partei TLP zugesichert, Asia Bibi dürfe Pakistan nicht verlassen.
Die Regierung in Islamabad hatte der gegen Bibis Freilassung gewaltsam protestierenden radikalislamischen Partei TLP zugesichert, Asia Bibi dürfe Pakistan nicht verlassen.
Familie von Asia Bibi hält sich aus Angst um ihr Leben versteckt - Kritik an "feiger Regierung" wegen trotz Freispruchs nicht erfolgter Freilassung - Religionsexperte warnt vor Zuspitzung der Lage in Pakistan
Die Familie der pakistanischen Christin Asia Bibi hat Italiens Regierung um Hilfe für eine Ausreise und um Asyl gebeten. Das teilte das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" in Rom am Dienstag unter Berufung auf ein Telefonat mit Bibis Ehemann Ashiq Masih mit. Die Aufhebung des Todesurteils gegen die Christin durch Pakistans Obersten Gerichtshof hatte in den vergangenen Tagen zu massiven Protesten radikaler Muslime geführt. Aus Angst um ihr Leben halte sich die Familie versteckt, sagte Masih laut "Kirche in Not". Berichten zufolge hat Masih auch Großbritannien, USA und Kanada um Asyl angesucht. Vergangenen Februar waren er und eine Tochter nach Rom gereist, wo sie auch von Papst Franziskus empfangen worden waren.
Die Regierung in Islamabad hatte der gegen Bibis Freilassung gewaltsam protestierenden radikalislamischen Partei TLP zugesichert, Asia Bibi dürfe Pakistan nicht verlassen. Zudem könne es einen Antrag auf Neueröffnung des Verfahrens geben. Diesem Wiederaufrollen räume er keine große Chancen ein, befand der Anwalt der Familie, Saif ul-Malook, am Dienstag der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". Allerdings fürchte er um die Sicherheit der Familie Asia Bibis. Ul-Malook, der selbst Muslim ist, ist nach Morddrohungen mittlerweile in die Niederlande geflohen.
Asia Bibi ist derzeit weiterhin im Gefängnis. Sie war 2009 als erste Katholikin wegen Blasphemie angeklagt und 2010 zum Tode verurteilt worden. Das Todesurteil war 2014 von einem Gericht in Lahore bestätigt worden, ehe im Juli 2015 ein anderes Gericht die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung anordnete. Ein erneutes Berufungsverfahren verzögerte sich immer wieder, laut Berichten wegen Drohungen radikaler Islamisten gegen die Richter. Blasphemie gilt im mehrheitlich islamischen Pakistan als Kapitalverbrechen. In der Praxis werden darunter verächtliche Äußerungen und Taten gegen den Islam, den Koran und den Propheten Mohammed verstanden.
Bibis Ehemann Masih übte auch einem Gespräch mit der "Deutschen Welle" heftige Kritik am Beschluss der pakistanischen Regierung, nach den heftigen Protesten radikaler Islamisten gegen die erfolgte Freisprechung Bibis erneut ein Berufungsverfahren einzuleiten. "Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen", sagte er. Zu befürchten sei, dass sich nun die Kleriker vor dem Obersten Gerichtshof versammeln würden und versuchten, das Urteil zu beeinflussen. Druck auf die Justiz auszuüben sei jedoch der falsche Weg.
An die Regierung appellierte Masih, für die Sicherheit seiner Frau zu sorgen, die sich weiter in großer Gefahr befinde. Schließlich seien schon vor einigen Jahren zwei Christen im pakistanischen Faisalabad niedergeschossen worden, nachdem ein Gericht sie vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen hatte. Erst vor wenigen Tagen hatte der Führer der radikalislamischen Gruppe Tehreek-e-Labaik, ein islamistischer Prediger, offen zum Lynchmord an Asia Bibi aufgerufen. Bedroht wurden auch die drei Obersten Richter die das Todesurteil gegen Bibi in der Vorwoche aufgehoben hatten.
Masih lobte die Höchstrichter. Sie hätten ihr Urteil nach sorgfältiger Betrachtung aller Aspekte des Falles, der Analyse aller Fakten und genauem Studium aller Widersprüche getroffen, trotz allen Drucks, der auf sie ausgeübt wurde. Nachdem Asia Bibi in den bereits zehn Jahren ihrer Haft viel gelitten habe, sei das Urteil ein "Hoffnungsschimmer", auch auf ein Wiedersehen in der Familie, erklärte der Pakistani. Nun aber werde das Berufungsverfahren - bis zu deren Ende seine Frau im Gefängnis bleiben werde - ihr Leid noch einmal verlängern.
Unterdessen nimmt die Kritik an der pakistanischen Regierung für ihr Vorgehen im Fall Asia Bibi zu. Der pakistanische Religionsexperte Waheed Yousuf erklärte, die Frau komme deshalb nicht frei, "weil die Regierung fürchtet, dieser Schritt werde der Regierung schaden", sagte er am Dienstag im Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag) mit Blick auf die gewaltsamen Proteste in mehreren Städten Pakistans.
"Die Regierung hat einfach nicht den Mut, gegen diese Leute vorzugehen, die Bibis Tod fordern", so Yousuf. Mit religiösen Gefühlen werde in Pakistan eben Politik gemacht. Gehe man gegen die islamistischen Gruppen vor, werde sofort behauptet: "Du hast den Islam oder den Propheten beleidigt." Man müsse zudem berücksichtigen, dass mehrere Politiker, die sich für die angebliche Gotteslästerin eingesetzt hätten, ermordet worden seien. Nun gebe es eine Fatwa gegen die Richter, die den Freispruch beschlossen hätten. Das komme einem Todesurteil gleich.
"Unser Land ist vergangene Woche in eine sehr gefährliche Lage geraten", sagte der Experte. Sogar der Armeechef befinde sich in Bedrängnis. Ihm werde von den Radikalen vorgeworfen, das Gericht bedrängt zu haben, Asia Bibi freizulassen. Nun sei der Bedrohte sehr darauf bedacht, öffentlich seinen Glauben zu zeigen. Das verdeutliche, "wie stark die Bewegung gegen Bibi und die obersten Richter ist". Man dürfe in Pakistan als Angehöriger einer Minderheit nicht frei sprechen. Das wisse jeder. Für Christen sei die Lage "besonders schrecklich".