Kaplan Franz Sieder und Dompfarrer Toni Faber beim Friedensgottesdienst im Stephansdom.
Kaplan Franz Sieder und Dompfarrer Toni Faber beim Friedensgottesdienst im Stephansdom.
„Politisch Mächtige sollen den Menschen dienen und nicht über die Menschen herrschen“.
Am Sonntag, 13. Jänner 2019 feierten Dompfarrer Toni Faber und der emeritierte Betriebsseelsorger Kaplan Franz Sieder im Wiener Stephansdom einen Gottesdienst zum kirchlichen Weltfriedenstag.
Papst Franziskus hat den Weltfriedenstag 2019 unter das Motto „Die gute Politik im Dienst des Friedens“ gestellt. Papst Franziskus, so Kaplan Franz Sieder in seiner Predigt, „war dabei wahrscheinlich bewusst, dass die Politik das wichtigste Instrumentarium ist, um eine friedliche und gerechte Welt zu bauen.“
„Eine gute Politik ist dann eine gute Politik, wenn die politisch Mächtigen den Menschen dienen und nicht über die Menschen herrschen. Eine gute Politik verlangt auch, dass die Politikerinnen und Politiker Verantwortungsbewusstsein für die ganze Welt haben. Sie sollen immer die Menschen der ganzen Erde in ihrem Blickpunkt haben und nicht nur eine nationalistische Politik betreiben und auch nicht nur eine europäische Politik. Die Politik muss immer vom Volk mitgetragen sein“, nannte Kaplan Franz Sieder als wichtige Kriterien.
„Eine gute Politik muss sogar bereit sein, dem Rad der neoliberalkapitalistischen Wirtschaft in die Speichen zu greifen, weil die Welt mit dem Kapitalismus keine Zukunft hat und weil eine weltweite Gerechtigkeit nur dann verwirklicht werden kann, wenn die kapitalistischen Wirtschaftsstrukturen reformiert oder zerstört werden, weil es Strukturen sind, die nicht den Menschen zum Ziel haben und durch die die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Papst Johannes Paul II. hat diese Strukturen der Sünde genannt“, betonte Kaplan Sieder in seiner Predigt.
Es muss konkret benannt werden, was eine gute und was eine schlechte Politik ist. Als historische Beispiele nannte Kaplan Franz Sieder den VOEST Betriebsseelsorger Hans Innerlohinger und den kürzlich heiliggesprochen Bischof Oscar Romero, der wegen seiner klaren Worte bei seinen Radioansprachen und Predigten ermordet wurde. „Wir werden nicht umgebracht, wenn wir mutig sind und die schlechte Politik benennen. Wir werden höchstens als Linke beschimpft. Wenn aber links heißt, parteiisch zu sein für die Armen und Schwachen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen, dann bin ich gerne ein Linker.“
„Schlecht ist die aktuelle österreichische Politik, weil sie in ihrer Grundintention eine Politik ist, von der die Reichen profitieren. Wenn die Regierung von vornherein sagt, dass sie die Vermögensteuer nicht erhöhen werden und keine Erbschaftssteuer einführen, dann ist das zweifellos eine schlechte und unchristliche Politik. Wenn die Arbeitszeiten ausgedehnt werden, obwohl es viele Arbeitslose gibt und viele Menschen durch die Arbeit krank werden, dann ist das eine schlechte und unchristliche Politik. Wenn wir nur mehr jene Flüchtlinge nach Österreich hereinlassen, die die Wirtschaft braucht und um ja unseren Wohlstand nicht zu gefährden, die Grenzen für die ‚armen Hunde‘ schließen möchten – das ist das eine schlechte und unchristliche Politik.“
Kaplan Franz Sieder kritisierte in seiner Predigt die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten: “Auf europäischer Ebene ist die Politik schlecht, wenn das relativ reiche Europa nicht wirklich teilt mit den armen Ländern der Welt und wenn in Europa die Wirtschaft die Politik bestimmt und nicht umgekehrt. Eine Sünde der europäischen Politik ist zweifellos auch der Waffenhandel und die immer steigende Hochrüstung, besonders auch der Besitz von Atomwaffen.“
Kaplan Franz Sieder sah als die größte Herausforderung für die Menschheit „die permanente Zerstörung unseres Weltklimas, wodurch die kommenden Generationen keine Zukunft haben.“
Die Kirche feierte am Sonntag die Taufe Jesus: „Dieses Fest erinnert uns auch an unsere eigene Taufe. Durch die Taufe hat jeder Christ und jede Christin einen offiziellen Auftrag von Gott, dass er und sie mit seinen und ihren Möglichkeiten mitwirken soll, unsere Welt gerechter und friedlicher zu machen. Friede ist aber noch nicht, wenn in einem Land keinen Krieg gibt. Friede ist die Realisierung der sozialen und demokratischen Grundrechte aller Menschen.“