Die Frage der Gerechtigkeit ist keine klar zu definierende Formel. Die Antworten darauf füllen ganze Bibliotheken.
Die Frage der Gerechtigkeit ist keine klar zu definierende Formel. Die Antworten darauf füllen ganze Bibliotheken.
Das Leitthema der Gebetswoche für die Einheit der Christen ist heuer die Gerechtigkeit, der nachgejagt werden soll. Magdalena M. Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie, erläutert diesen schillernden Begriff.
Von 18. bis 25. Jänner findet die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ statt. Während dieser Gebetswoche kommen weltweit Christen aus unterschiedlichen Konfessionen zusammen, um gemeinsam für die Einheit der Christenheit zu beten.
Das internationale Leitthema der Woche ist heuer dem biblischen Buch Deuteronomium entnommen („Gerechtigkeit, Gerechtigkeit – ihr sollst du nachjagen“, Kapitel 16, Vers 20a) und wurde von einer ökumenischen Gruppe in Indonesien ausgewählt bzw. erarbeitet.
Die Ursprünge der Gebetswoche gehen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Seit 1968 werden die Themen und Texte für die Gebetswoche vom Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen und dem weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, WKR) veröffentlicht.
Unter dem Stichwort „Gerechtigkeit“ verstehen die einen dies, die anderen das. Der SONNTAG fragte die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich (KSÖ), Magdalena M. Holztrattner, nach dem biblischen Fundament der Gerechtigkeit.
Und was „Gerechtigkeit“ für die gegenwärtige Politik und für die Arbeit der Katholischen Sozialakademie (KSÖ) bedeutet.
„Die Frage nach gerechten Lebensbedingungen durchzieht die biblischen Geschichten wie ein roter Faden“, sagt Magdalena M. Holztrattner: „Die Befreiung der hebräischen SklavInnen aus der ausbeuterischen Herrschaft der Ägypter ist DIE zentrale Geschichte für das Judentum – und dadurch auch für das Christentum.
ProphetInnen des Ersten Testaments wiederholen wie einen Refrain, was auch Jesus Christus den Seinen vor Augen stellt: die Gottesliebe der Gläubigen zeigt sich daran, wie mit den Kranken, den Hungernden, den Schutzlosen und den Armen umgegangen wird.“
Wie Holztrattner die gegenwärtige Politik in Österreich betrachtet? Spielt die Frage der Gerechtigkeit eine Rolle?
„Derzeit scheint die Frage der Leistungsgerechtigkeit alle politischen Diskussionen zu dominieren“, unterstreicht Holztrattner: „Jeder Mensch als Person ist als verantwortliches Subjekt wie auch als Mitglied einer komplexen Gesellschaft zu betrachten.
Dadurch werden Fragen relevant, die mit Beteiligungsgerechtigkeit zu tun haben: Die aktive, verantwortliche Teilnahme der Einzelnen an gesellschaftlichen Prozessen ist vonseiten des Staates zu ermöglichen.“
Wesentlich sei „heute auch die Frage nach Verfahrensgerechtigkeit, also danach, dass rechtliche Prozesse und juristische Verfahren etc. fair geführt werden“.
Warum sich bei der Frage nach der Gerechtigkeit oftmals die Geister scheiden?
„Gerechtigkeit ist keine klar zu definierende Formel, sondern eine dynamische Balance. Fragen dazu füllen ganze Bibliotheken“, erläutert Holztrattner. „Es gibt verschiedene Herangehensweisen an die Frage, wie Gerechtigkeit verstanden werden kann.
Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit wird z. B. die Frage geregelt, nach welchen Kriterien Lasten und Güter eines Staates, also Pflichten und Rechte, verteilt werden.
Dabei gilt der Grundsatz, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Was wiederum gleich bzw. ungleich ist, muss immer wieder ausgehandelt werden.“
Bedürfnisgerechtigkeit wiederum habe im Blick, „dass menschliche Grundbedürfnisse erfüllt werden müssen, unabhängig von der individuellen Leistung/sfähigkeit.“
Chancengerechtigkeit wiederum suche danach, „die Unterschiede aufgrund von Herkunft, Lebensumstände oder persönlicher Talente auszugleichen“.
Leistungsgerechtigkeit wiederum „nimmt zur Kenntnis, dass Menschen beispielsweise in Erwerbsarbeit ungleiche Leistungen erbringen und differenzierte Gehaltsstrukturen sinnvoll sind – immer solange der Grundsatz gilt, dass für gleiche Arbeit auch gleicher Lohn bezahlt wird, was oft mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit zusammenhängt“.
Welche Bedeutung hat die Frage der Gerechtigkeit für die Katholische Sozialakademie?
„Gerechtigkeit ist ein wesentliches Prinzip der Katholischen Soziallehre, die durch die erwachsenenbildnerische Arbeit der Katholischen Sozialakademie Menschen in Kirche, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nahegebracht werden soll“, sagt Holztrattner.
Diese in unterschiedliche gesellschaftlichen Wirkfelder zu übersetzen, geschehe in den Themenfeldern „Soziale Gerechtigkeit“, „Alternatives Wirtschaften“ und „Führung und Partizipation“ (vgl. blog.ksoe.at).
Der traditionelle zentrale Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) zur Weltgebetswoche findet am 25. Jänner in der Evangelischen Weinbergkirche (1190 Wien) statt.
Der ÖRKÖ lädt zu solchen Gottesdiensten seit 1959 ein. Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) ist ein Gremium, in dem christliche Kirchen zusammenkommen, um Themen zu beraten, die alle gemeinsam betreffen: gesellschaftspolitische Entwicklungen oder beispielsweise das Verhältnis von Kirche und Staat.
Der ÖRKÖ ist zudem die Stimme, mit der die Kirchen dann sprechen, wenn deutlich zum Ausdruck kommen soll, dass trotz aller konfessioneller Unterschiede und Kontroversen die christlichen Kirchen durch eine gemeinsame und tragfähige Glaubensbasis verbunden sind.
Dem ÖRKÖ gehören derzeit 16 Kirchen an:
„Volle Mitglieder“ sind
Armenisch-apostolische Kirche,
Evangelisch-methodistische Kirche,
Die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche und der Bund der Baptistengemeinden sind „Mitglieder mit beratender Stimme“. Eine Reihe weiterer Institutionen bzw. Organisationen besitzen Beobachterstatus.
zur Person
Dr.in Magdalena M. Holztrattner MA
Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich (KSÖ)
Freitag, 25. Jänner 2019, 18 Uhr, Festgottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich zur „Gebetswoche für die Einheit der Christen“,
Evangelische Weinbergkirche
Börnergasse 16
1190 Wien,
Predigt: Bischof Manfred Scheuer (Diözese Linz).
Im Anschluss Agape.
weitere Informatinen zu
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at