"Es braucht nicht 21 Mal dasselbe an verschiedenen Orten", sagt der neue Wiener Superintendent Matthias Geist.
"Es braucht nicht 21 Mal dasselbe an verschiedenen Orten", sagt der neue Wiener Superintendent Matthias Geist.
Vor Amtseinführung stehender Wiener lutherischer Superintendent in epdö-Interview. In 21 evangelischen Pfarrgemeinden "muss nicht alles überall stattfinden".
Für eine Strukturreform in seiner Kirche hat sich der neue Wiener Superintendent Matthias Geist ausgesprochen. Wie die Diözesanleitung der katholischen Kirche Wiens mit ihrem Projekt "Pfarre Neu" setzt er dabei auf Synergieeffekte durch größere pastorale Einheiten, wie aus einem am Donnerstag, 24. Jänner 2019 veröffentlichten Interview des Evangelischen Pressedienstes (epdÖ) hervorgeht.
Für die Wiener evangelische Diözese mit ihren knapp 47.000 Mitgliedern in 21 Pfarrgemeinden wünscht sich Geist "viel stärkere regionale Projekte, um nicht zu sagen Zusammenschlüsse" in einzelnen Arbeitsbereichen. "Wenn sich Gemeindearbeitszweige verbinden können, dann braucht es vielleicht nicht 21 Mal dasselbe an verschiedenen Orten, sondern vielleicht nur fünfmal. Es muss nicht alles überall stattfinden."
Von den möglichen Strukturänderungen nahm der vor seiner Amtseinführung stehende Superintendent auch sein eigenes Amt nicht aus: Das müsse es zum Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit vielleicht gar nicht mehr geben: "Dann nämlich, wenn sich Wien auf eine oder fünf Großgemeinden orientiert, dann braucht es vielleicht diese zweite Ebene in unserer kirchlichen Aufbauordnung gar nicht", erklärte Geist.
Der 49-jährige frühere Gefängnisseelsorger war im vergangenen Juni zum Nachfolger von Hansjörg Lein als Wiener Superintendent gewählt worden. Am kommenden Sonntag, 27. Jänner, wird er in der Lutherischen Stadtkirche von Bischof Michael Bünker in sein Amt eingeführt. ORF III überträgt den feierlichen Gottesdienst live ab 15.30 Uhr.
Im epdÖ-Interview sprach sich Geist auch für einen neuen Umgang mit den vielen Sympathisanten der Kirche aus, die jedoch nicht oder nicht mehr zahlende Mitglieder sind. Es solle "keine Abstufung" gegenüber beiden Gruppen geben; die Sympathisierenden sollten "wir nicht verzwecken und als potenzielle Kirchenbeitragszahler begreifen". Für die Finanzpolitik spielten die Mitgliederzahlen zwar eine Rolle, "aber für das Wesen der Evangelischen Kirche sollte das nicht so sein".
Stärker einbinden möchte Geist die wachsende Gruppe jener Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen, aber dennoch aktiv seien. Hier gelte es Wege zu finden, Kompetenzen gezielt einzubeziehen.
Am 9. März entscheidet die Evangelische Synode, das gesamtösterreichische Kirchenparlament, über die Einführung der kirchlichen Trauung für homosexuelle Paare. Hier trat Geist für eine Kompromisslösung ein, mit der Befürworter und Gegner leben können: "Es kann nicht sein, dass eine Diskriminierung, die schon vom Verfassungsgerichtshof als solche anerkannt wird, von uns fortgeführt wird." Für Pfarrerinnen und Pfarrer, die zu einer Trauung Homosexueller nicht bereit seien, soll diese auch nicht verpflichtend sein: "Bevor man etwas tut, was einem nicht schlüssig erscheint, soll man doch der Ehrlichkeit Raum geben." Nicht nur in Wien erwartet Geist daher einen "Fleckerlteppich" aus Pfarrgemeinden, die die "Trauung für alle" anbieten und solchen, die es nicht tun. Die Superintendentur solle Orientierungshilfen anbieten, damit Betroffene eine passende Pfarrgemeinde finden.
Für einen "Unsinn" hält der frühere Gefangenenseelsorger das Vorhaben der Bundesregierung, Straffälligen ab einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten im entsprechenden Zeitausmaß die Mindestsicherung zu streichen: "Das hilft denen, die wieder auf die Beine kommen sollen, ganz und gar nicht. Ich finde es auch rechtsstaatlich bedenklich, wenn jemand durch eine Straffälligkeit aus dieser Möglichkeit, sein Leben zu bestreiten, herausfällt."