Aida und ihr Bruder Aram präsentieren ihre Werke.
Aida und ihr Bruder Aram präsentieren ihre Werke.
Die Caritas hat sich das Ziel gesetzt, im Rahmen ihrer aktuellen Februar-Kampagne 50.000 Kindern in Not weltweit ein chancenreiches Aufwachsen zu ermöglichen. Schwerpunktland der heurigen Aktion ist Armenien. Ein Land, in dem, von der Weltöffentlichkeit unbeachtet, zigtausende Kinder in Not und Elend
heranwachsen müssen.
Georg Pulling war für den SONNTAG vor Ort unterwegs.
Am 7. Dezember 1988 um 11.41 Uhr blieb die Turmuhr in Leninakan in der Sowjetrepublik Armenien stehen. Die Zeiger auf dem massigen Bau der nordarmenischen Stadt hielten den Beginn einer verheerenden Katastrophe fest. Ein Erdbeben verwüstete die Stadt und Umgebung. Bis zu 25.000 Menschen starben, 2,5 Millionen wurden obdachlos.
Heute, gut 30 Jahre danach, heißt Leninakan längst Gjumri und aus der Sowjetrepublik wurde der unabhängige Staat Armenien. Doch immer noch sind die Folgen der Katastrophe nicht gänzlich überwunden.
Drei Viertel der Stadt wurden damals zerstört. Durch internationale Mithilfe wurden behelfsmäßige Holz-Container („Domiks“) aufgestellt, um die vielen Obdachlosen für kurze Zeit unterzubringen.
Aber auch heute noch müssen mehr als 2.000 Familien in diesen „Domiks“ leben. Eine davon sind die Aleksanyans: der Vater Ara (38), die Mutter Anjela (32), die beiden Kinder Aida (12) und Aram (10), sowie Oma Aida (69) und Opa Aram (69). In der Nacht hatte es minus 16 Grad, jetzt zu Mittag bei meinem Besuch ist es mit minus fünf Grad fast schon warm. Doch durch die undichten dünnen Holzwände zieht ständig ein bissig kalter Luftstrom. Verdreckte Decken an den Wänden und ein alter Teppich am Boden können die Kälte nicht abhalten.
In der Nacht ist die Wasserleitung eingefroren. Ein Holzofen sorgt für ein bisschen Wärme. Doch die Familie hat meist kein Holz. Deshalb verbrennt Vater Ara alles, was er so in der Stadt findet. Und meistens ist das Plastikmüll. Als die Wärme im Raum nachlässt, schiebt er eine Plastikflasche nach. Der Gestank von verbranntem Plastik erfüllt den Raum.
Die logische Folge: die ganze Familie ist lungenkrank. Am gesündesten wirkt noch Großmutter Aida. Der Vater Ara hat schon drei Magenoperationen hinter sich. Die Tochter Aida ist schwer herzkrank. Eine Operation vor fünf Jahren rettete der heute 12-Jährigen das Leben.
Doch nun muss sie sich bald einer neuen Operation unterziehen, erzählt die Mutter. Die Familie hat freilich keine Ahnung, wie sie das Geld dafür aufbringen soll. So bleibt als letzter Rettungsanker die Caritas.
Die Eltern sind arbeitslos, nur der Großvater und die Großmutter bekommen eine kleine Pension. Die Großfamilie verfügt im Monat über umgerechnet 100 Dollar. Doch das gesamte Geld geht schon jetzt für Medikamente und Essen drauf. Ohne finanzielle Unterstützung durch die Caritas könnten die Kinder nicht zur Schule gehen, hätten sie oft auch nicht genug zu essen oder Heizmaterial.
Oft übernimmt die Caritas auch die Kosten für den Strom, bedankt sich Mutter Anjela. Mitarbeiter der Caritas besuchen regelmäßig die Aleksanyans und versorgen sie mit dem Nötigsten. Und so wie dieser Familie helfen sie noch hunderten weiteren.
Der zehnjährige Aram und die zwölfjährige Aida gehen gerne zur Schule, erzählen sie. Zeichnen ist ihr gemeinsames Lieblingsfach und stolz präsentieren sie einige ihrer Meisterwerke. Was für sie das größte Problem ist, frage ich die beiden: „Dass es im Winter so kalt ist und die vielen Ratten“, antwortet Aram.
Der Vater schiebt den alten Teppich zur Seite. Darunter kommen morsche Holzplanken zum Vorschein. Er zeigt auf ein Loch: „Hier kommen die Ratten herein. Kein Nahrungsmittel ist vor ihnen sicher.“ So viele könne er gar nicht fangen oder erschlagen, dass nicht immer wieder neue kommen. Die Familie wird der Plage nicht Herr. - Und ihr Holz-“Domik“ rottet weiter vor sich hin.
Auch aus Holz gebaut - allerdings eine Erfolgsgeschichte - ist das Zentrum „Emils kleine Sonne“ am Stadtrand von Gjumri. Die Caritas-Einrichtung für die Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche mit Behinderung ist barrierefreie angelegt, mit hellen sonnendurchfluteten Therapieräumen und Spielzimmern. Hier wird mit den Kleinen geturnt und gespielt, Musik gemacht, zusammen gekocht und gegessen.
Mehr als 100 Kinder werden hier jede Woche betreut, erzählt Tigranuhi Akopyan, die Leiterin des Zentrums. Im Sommer verwandelt sich die Wiese rund um das Zentrum in einen großen Kinderspielplatz, der auch von den anderen Kindern aus der Umgebung fleißig genutzt wird. Errichtet wurde das Zentrum mit Spenden aus Österreich.
Das Zentrum ist in Armenien einzigartig. „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen helfen, dass sie sich gleichberechtigt in die Gesellschaft integrieren können“, sagt Akopyan: „Von diesem Ort aus soll sichtbar werden, was Menschen mit Behinderung alles können, welche Fähigkeiten sie haben und wie auch die Gesellschaft davon profitieren kann.“
Und das passiert zum Beispiel mitten im Zentrum von Gjumri. In der Fußgängerzone hat die Caritas im vergangenen Herbst ein kleines Café mit Bäckerei eröffnet: „Aregak“ („Kleine Sonne“). Der 21-jährige Grisha bedient gerade mit erlernten Handgriffen die große Espresso-Maschine und serviert mir den „besten Kaffee der Stadt“, wie er mit Überzeugung sagt. Nicht einen Tropfen verschüttet er.
Grisha ist einer von vier Mitarbeitern mit Behinderung, die im Café einen Arbeitsplatz gefunden haben. Dazu kommen vier Frauen, die in der Bäckerei arbeiten und zu Hause Kinder mit Behinderungen betreuen. So hilft die Caritas gleich doppelt.
„Anfangs hat man uns gesagt, das hier wird nie funktionieren, die Menschen werden unsere behinderten Mitarbeiter nicht akzeptieren“, erzählt Tigranuhi Akopyan. Doch weit gefehlt: Kaffee und (teils österreichische) Mehlspeisen sind bei den Menschen sehr beliebt.
Damit noch viele mehr armenische Kinder und Jugendliche wie Grisha eine Chance im Leben bekommen und damit die schwer herzkranke Aida und (leider) viele weitere schwerkranke Kinder in den letzten „Domiks“ von Gjumri überleben können, bittet die Caritas in diesem Winter besonders um Hilfe.
Mit einer Spende von 20 Euro kann die Caritas etwa einem Kind einen Monat lang täglich eine warme Mahlzeit in einem Kinderzentrum bieten, mit 40 Euro ermöglicht man einem Kind mit Behinderung in Osteuropa Betreuung und Förderung.
Caritas-Spendenkonto zur Februar-Kampagne („lachen > leiden“):
Erste Bank;
IBAN AT23 2011 1000 0123 4560;
BIC GIBAATWWXXX;
Kennwort: Kinder in Not;
Online-Spenden: www.caritas.at/kinder
„Ein Herz in der Brust“
Michael Landau hat die Caritas-Projekte in Armenien besucht.
Wie bilanzieren Sie Ihren Lokalaugenschein in Armenien?
Wenn Kinder Kälte und Krisen schutzlos ausgeliefert sind, ist das eine Katastrophe. Dieser Besuch bei den Kindern in Armenien hat mir wieder einmal gezeigt, dass wir in Österreich in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben.
Wir haben Grund zur Dankbarkeit. Und zugleich darf uns dieses Elend nicht gleichgültig lassen.
Die Gefahr besteht?
Papst Franziskus sagt, ein Christ kann nicht mit gleichgültig verschränkten oder fatalistisch herabhängenden Armen dastehen.
Und ich denke, diese Haltung gilt für jede und jeden, der ein Herz in der Brust trägt. Wir müssen helfen und wir können helfen! Das wurde hier in Armenien bei positiven Beispielen auch sehr deutlich.
Sie stellen bei Kindern immer wieder das Thema Bildung in den Mittelpunkt ...
Jedes Kind hat das Recht auf faire Chancen. Jedes Kind auf der ganzen Welt hat das Recht auf Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung; unabhängig davon, in welchem Land es geboren ist, wie reich oder arm seine Eltern sind.
Wenn Kinder nicht lernen dürfen oder können, dann hat auch das katastrophale Auswirkungen auf ihr ganzes Leben und die Gesellschaft, in der sie aufwachsen
Caritas Österreich
Albrechtskreithgasse 19-21
A-1160 Wien
Caritas-Spendenkonto zur Februar-Kampagne („lachen > leiden“):
Erste Bank;
IBAN AT23 2011 1000 0123 4560;
BIC GIBAATWWXXX;
Kennwort: Kinder in Not
Online-Spenden: www.caritas.at/kinder
Radiotipp
Radio Klassik Stephansdom
Sendereihe: Perspektiven
„Am schlimmsten sind die Kälte und die Ratten“
Mittwoch 13.Februar 2019, 17:30
weitere Informationen zu
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG