Arturo Sosa, General des Jesuitenordens dieser Tage in Wien
Arturo Sosa, General des Jesuitenordens dieser Tage in Wien
Weltweiter Jesuiten-Generaloberer Sosa auf Österreich-Besuch: Inhaltliche und strukturelle Neuausrichtung des Jesuitenordens hat auch Auswirkungen auf Österreich
Venezuela braucht dringend eine "Regierung der nationalen Einheit", um die gegenwärtige humanitäre, wirtschaftliche und politische Krise zu überwinden. Das hat der Jesuiten-Generalobere Arturo Marcelino Sosa Abascal eingemahnt. Der weltweit höchste Jesuit stellte sich bei einem Pressegespräch am Freitag in Wien Fragen zu seinem Heimatland wie auch den internationalen Entwicklungen im Jesuitenorden. Die Jesuiten versuchten vor allem mit ihrem Netzwerk von rund 200 Schulen in Venezuela Nothilfe zu leisten, sagte Sosa. So würden die Schüler verköstigt "und bekommen so zumindest einmal am Tag eine warme Mahlzeit".
Das einst reiche Land leidet unter einer schweren Versorgungskrise. Aufgrund von Devisenmangel können kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs eingeführt werden. Millionen Venezolaner sind bereits ins Ausland geflohen. Wenn nicht einmal die Grundbedürfnisse der Menschen mehr gestillt werden können, könne es keine Lösung für das Land geben, so P. Sosa. Der Jesuitenorden und die Venezolanische Bischofskonferenz würden im Einsatz für eine gerechtere und demokratischere Gesellschaft eine gemeinsame Linie vertreten.
Erst im Mai hatte die katholische Kirche nach heftigen Auseinandersetzungen die Sicherheitskräfte und die regierungsnahen paramilitärischen "Colectivos" aufgefordert, die Menschenrechte zu respektieren und die Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten zu stoppen. In der seit Jahren herrschenden schweren politischen und humanitären Krise in Venezuela lieferten sich zuletzt der sozialistische Staatspräsident Nicolas Maduro und sein Herausforderer Juan Guaido einen erbitterten Machtkampf, wobei zahlreiche westliche Staaten, darunter Österreich, Guaido als Übergangspräsident anerkannt haben.
Wie P. Sosa sagte, brauche Venezuela dringend mehr internationale Unterstützung, wobei er auch auf noch mehr Unterstützung von Seiten der EU hofft. - Erst am Mittwoch ist UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet zu einem mehrtägigen Besuch in dem südamerikanischen Krisenstaat eingetroffen.
Reformen und neue Schwerpunkte
Der weltweite Jesuiten-Generalobere Sosa ist von Freitag bis Sonntag in Österreich zu Gast. Am Samstagabend steht er in Wien um 17.30 Uhr einer Vesper in der Konzilsgedächtniskirche in Lainz vor, am Sonntag um 10.30 Uhr einer Messe in der Jesuitenkirche in der Innenstadt. Viele weitere Begegnungen und Gespräche stehen in diesen drei Tagen ebenfalls auf dem Programm. Der letzte Besuch eines Jesuiten-Generaloberen in Österreich fand vor sechs Jahren statt. 2013 kam der damalige Generalobere P. Adolfo Nicolas anlässlich der 450 Jahr Feier der Jesuiten ins Land.
P. Sosa griff im Pressegespräch auch die Schwerpunkte der sogenannten "Universellen Apostolischen Anliegen der Gesellschaft Jesu" auf, nach denen sich die Ordensgemeinschaft für das nächste Jahrzehnt (2019-2029) ausrichten will. Dabei geht es erstens um die Förderung der Unterscheidung der Geister und spirituelle Exerzitien; zweitens um die besondere Zuwendung zu den Armen und Ausgeschlossenen, drittens um die Begleitung der jungen Menschen und viertens um die besondere Sorge"um das gemeinsame Haus", also die Erde. Papst Franziskus sei in die Erarbeitung dieser Grundsätze involviert gewesen bzw. würde diese auch voll und ganz unterstützen, sagte Sosa.
Damit diese Grundsätze nun auch verstärkt in die Praxis umgesetzt werden können, seien auch strukturelle Änderungen innerhalb des Ordens notwendig. Das betreffe auch die deutschsprachigen Länder Österreich, Deutschland und die Schweiz. Nicht zuletzt deshalb will sich der Jesuiten-Chef dieser Tage ein Bild von der Situation in Österreich machen. Der Prozess sei im Laufen, konkret angedachte Änderungen nannte Sosa noch nicht. Schon vor einiger Zeit hatte aber der Leiter der deutschen Provinz, P. Johannes Siebner, angekündigt, dass es künftig nur noch eine zentraleuropäische Provinz geben soll.
Orden kulturell immer vielfältiger
Die "Gesellschaft Jesu" ist der größte Orden in der katholischen Kirche, mit rund 19.000 Mitgliedern in 80 Provinzen weltweit. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe der Orden massive Veränderungen erlebt, schilderte Sosa. Inzwischen stellen Afrika und Asien mehr als 50 Prozent der Ordensmitglieder. "Wir Jesuiten sind viel multikultureller geworden. Das zeigt, dass der christliche Glaube in jeder Kultur gelebt werden kann." Freilich sei diese Entwicklung ordensintern im Hinblick auf die notwendige Einheit auch ein große Herausforderung, räumte Sosa ein.
Der Jesuiten-Generalobere bekräftigte im Pressegespräch auch einmal mehr das Anliegen, bei der Missbrauchsaufarbeitung bzw. -prävention noch größere Anstrengungen zu unternehmen. Man müsse bekennen, dass es unter den Tätern auch Mitglieder der "Gesellschaft Jesu" gebe. Im Jesuitenorden sei inzwischen ein klares Regelwerk implementiert, wie bei Missbrauchsfällen vorzugehen sei, "wobei die Opfer immer an erster Stelle stehen".
In der Missbrauchsproblematik gehe es nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem, und dieses beschränke sich nicht auf den sexuellen Missbrauch sondern umfasse genauso Formen des Machtmissbrauchs bzw. des geistlichen Missbrauchs. Innerhalb und außerhalb des Ordens brauche es einen fundamentalen kulturellen Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit, so Sosa. Genauso notwendig sei auch eine neue Kultur der Versöhnung und des Verzeihens.
Schwerpunkte bei Amazonien-Synode
Im Blick auf die anstehende Amazonien-Synode im Oktober im Vatikan hob Sosa hervor, dass für die Jesuiten die Verteidigung der indigenen Völker und die Erhaltung deren Kultur sowie der Schutz der Amazonas-Region im Vordergrund stehen. Jesuiten seien seit Anfang an aktiv im kirchlichen Panamazonien-Netzwerk REPAM. Einige Jesuiten seien zudem federführend mit der Organisation der Synode betraut.
Auf Papst Franziskus angesprochen, der dem Jesuitenorden angehört, meinte Sosa, dass dieser in seiner Amtsausübung deutlich jesuitische Züge zeige. So sei die Freiheit zur Unterscheidung ein Kernelement der Spiritualität seines Ordens. Auch die besondere Nähe zur Person Jesu und eine soziale Sensibilität zählten zu charakteristischen Zügen der von Ignatius von Loyola (1491-1556) gegründeten Gesellschaft Jesu.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sei für die Jesuiten die Verbindung von Glaubensverkündigung und Kampf für soziale Gerechtigkeit sowie der Dialog mit den Kulturen und die Öffnung auf die Welt hin bestimmend geworden. Die treibe Papst Franziskus nach wie vor ganz wesentlich an. Dazu kämen die Bemühungen, die synodale Verfasstheit der Kirche hervorzuheben als eine Gemeinschaft, an der alle teilhaben können und sollen.
Ordensmann und Politologe
Arturo Marcelino Sosa Abascal wurde 1948 in Venezuela geboren. Als Schüler einer Jesuitenschule lernte er den Orden früh kennen und trat im Alter von 17 Jahren in das Noviziat der Jesuiten ein. Nach den üblichen Studien von Philosophie und Theologie erwarb er ein Doktorat in Politikwissenschaften.
Nach seiner Priesterweihe 1977 wurde Sosa zum Verantwortlichen für das Sozialapostolat der Jesuiten in Venezuela ernannt. Gleichzeitig unterrichtete er an der Universidad Central de Venezuela und an der Universidad Catolica Andres Bello. Von 1996 bis 2004 war Pater Sosa Provinzial der Jesuiten in Venezuela.
2014 wurde er als Verantwortlicher für die Internationalen Häuser der Gesellschaft Jesu in Rom an die Generalskurie berufen. Als solcher nahm er an der 36. Generalskongregation teil. Diese wählte Sosa am 14. Oktober 2016 zum 31. Generaloberen des Jesuitenordens.
Die Gründung der "Gesellschaft Jesu" geht auf Ignatius von Loyola (1491-1556) zurück. Die päpstliche Bestätigung des Ordens erfolgte 1540 durch Papst Paul III. Neben den Evangelischen Räten - Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam - verpflichten sich die Ordensangehörigen auch zu einem besonderen Gehorsam gegenüber dem Papst. Der Sitz der Ordensleitung ist in Rom.
Zur österreichischen Jesuitenprovinz gehören aktuell 60 Mitbrüder, von denen einzelne im Ausland leben und arbeiten. In Österreich wirken die Jesuiten vor allem an den vier Standorten in Wien, Graz, Linz und Innsbruck. (Info: www.jesuiten.at)