"Die nächste Bundesregierung hat das Recht - vielleicht sogar die Pflicht -, alle Argumente nochmals zu prüfen und danach eine sachgerechte Entscheidung zu treffen", sagt Heinz Fischer.
"Die nächste Bundesregierung hat das Recht - vielleicht sogar die Pflicht -, alle Argumente nochmals zu prüfen und danach eine sachgerechte Entscheidung zu treffen", sagt Heinz Fischer.
Ehemaliger Bundespräsident in "Wiener Zeitung"-Gastkommentar skeptisch zu im Parlament in großer Hast beschlossenem Aus für König-Abdullah-Zentrum. Eine endgültige Entscheidung auch über ein Aus für den Standort Wien als Hauptsitz des Zentrums bedürfe aus seiner Sicht noch "sorgfältiger Überlegungen", schrieb Fischer in einem Gastkommentar für die "Wiener Zeitung".
Der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer hat massive Bedenken zum vom Parlament im Juni per Entschließungsantrag geforderten Ausstieg Österreichs aus dem umstrittenen König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) geäußert. Eine endgültige Entscheidung auch über ein Aus für den Standort Wien als Hauptsitz des Zentrums bedürfe aus seiner Sicht noch "sorgfältiger Überlegungen", schrieb Fischer in einem Gastkommentar für die "Wiener Zeitung" am Samstag, 6. Juli 2019. Die nach der anstehenden Nationalratswahl zu bildenden Bundesregierung habe "das Recht - vielleicht sogar die Pflicht -, alle Argumente nochmals zu prüfen" und danach eine "sachgerechte Entscheidung" zu treffen.
"In der Sache des Dialogzentrums geht es um den Stellenwert und die Sinnhaftigkeit eines Dialoges zwischen unterschiedlichen und voneinander abweichenden Positionen; es geht aber auch um die Rolle Österreichs und Wiens als Standort für internationale Organisationen", hielt das frühere Staatsoberhaupt fest und kritisierte, dass die Parlamentsentscheidung Mitte Juni "in großer Hast" und ohne ein "Minimum an Vorbereitung und Vorberatung" erfolgt sei.
Auch die Bezeichnung "Saudi-Zentrum" kritisierte Fischer als "polemisch". In dem per internationalen Vertrag gegründeten Dialogzentrum mit Mitarbeitern aus 28 Nationen kämen "viele Stimmen zu Wort". Korrekt sei, dass Saudi-Arabien größter Geldgeber für das Zentrum ist: "Aber das ließe sich ja leicht korrigieren, indem andere Länder gleich hohe oder ähnlich hohe Beiträge leisten. Aber dazu gibt es leider wenig Bereitschaft."
Im Dialogzentrum hätten "bemerkenswerte Veranstaltungen" stattgefunden, so Fischer, der dazu auch auf positive Eindrücke von Kardinal Christoph Schönborn und des Theologen Paul Zulehner über die Tätigkeit des Zentrums verwies. So zitierte der frühere Bundespräsident wörtlich aus einer Stellungnahme Zulehners vom Juni. Die Veranstaltungen an denen er teilgenommen habe "zeugten von einer großen kulturellen und interreligiösen Offenheit, setzten auf Dialog und gegenseitige Verständigung", hatte der bekannte Pastoraltheologe damals festgehalten und: "Nie" habe er "den Eindruck gewonnen, dass die Arbeit des Zentrums durch politische Interessen irgendeines Landes ausdrücklich oder untergründig beeinflusst worden wäre."
Der Nationalrat hatte im Juni für den Rückzug Österreichs aus der internationalen Einrichtung und die Auflösung des Amtssitzabkommens gestimmt. Unmittelbarer Anlass für das Parlamentsvotum war die drohende Hinrichtung eines 18-Jährigen in Saudi-Arabien, der wegen Teilnahme an einer Demonstration für Menschenrechte seit fünf Jahren in Haft sitzt. Ihm wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Das nach dem saudischen König Abdullah bin Abdulaziz (2005-2015) benannte Zentrum wurde Ende 2012 von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien gegründet. Es wird mit Geldern aus Riad finanziert und stand immer wieder wegen möglicher saudischer Einflussnahme in der Kritik.
Seit seiner Gründung ist auch der Heilige Stuhl als Ständiger Beobachter in die Arbeit des Dialogzentrums strukturell eingebunden. Geleitet wird das KAICIID von einem neunköpfigen multireligiösen Direktorium, dem Vertreterinnen und Vertreter aus Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören.