Die Teeplantagen unterhalb der Karongi-Teefabrik.
Die Teeplantagen unterhalb der Karongi-Teefabrik.
In Westen Ruandas organisieren sich Teebauern in den Bergen in einer Kooperative. Durch Landwirtschaftsfinanzierung von „Oikocredit“ können sie ihre Kapazitäten und Erntequalitäten verbessern. Mit den an die regionale Fabrik gelieferten Teeblättern ernähren sie ihre Familien.
Rawbeni Rubyogo lächelt. Auch heute hat er wieder mit seiner Frau Everena Mukazigira reichlich Teeblätter ernten können. Auf 2.300 Meter Seehöhe bauen beide auf einem halben Hektar Tee an. Denn die kräftigende Sonne untertags und das Abkühlen in der Nacht stellen hervorragende Bedingungen für das Gedeihen der Teeblätter dar. „Ohne Tee könnten wir nicht leben“, bringt es der 66-jährige Rawbeni auf den Punkt.
Rawbeni und Everena leben hier seit Jahrzehnten ohne Strom und fließendes Wasser. „Die Leitungen verlaufen nicht über unser Dorf, aber wir haben Hoffnung, dass sich das ändert“, so Rawbeni. Der Teeanbau sichert dem Ehepaar, das neun Kindern das Leben schenkte, zumindest überlebensnotwendiges Einkommen. 50.000 ruandesische Francs, umgerechnet 50 Euro verdienen sie monatlich mit ihren Teeblättern.
Rawbeni Rubyogo ist einer von über 2.000 Kleinbauern, die sich in der Genossenschaft Katecogro organisiert haben. Hier erhalten sie Schulungen und Seminare, wie sie den Teeanbau verbessern können.
„Unsere Agrarexperten gehen mit ihren Kollegen in die Dörfer. Damit konnten die Bauern die Menge an verwendbaren Teeblättern auf 75 Prozent der Ernte erhöhen“, freut sich Bernadettte Nyiranez, Direktorin der Genossenschaft Katecogro. Auch sie selbst informiert sich immer wieder bei den Bauern, wie es ihnen geht und was ihre Sorgen sind.
Mit dem Motorrad ist sie da auf den staubigen und löchrigen Straßen im Bergland unterwegs. Ein Gegensatz zu den asphaltierten Straßen der vier Autostunden entfernten Hauptstadt Kigali. Es liegt kein Müll auf den Straßen, denn Präsident Paul Kagame hat vor Jahren ein Verbot der Verwendung von Plastiksackerln erlassen.
Durch die Genossenschaft Katecogro im Westen Ruandas kommen die täglich frisch gepflückten Teeblätter der Bauern in die Karongi Teefabrik, welche deren Verarbeitung übernimmt. Außerdem sichert die Genossenschaftsstruktur auch ein entsprechendes Einkommen für die Bauernfamilien: „Ein einzelner Bauer könnte seine Menge nicht direkt an eine Teefabrik liefern, das würde nicht akzeptiert, und er hätte kein Einkommen. Wir haben auch die notwendigen Traktoren um anzuliefern“, schildert Genossenschaftschefin Nyiranez.
Es ist Nachmittag und es riecht nach Heu und Tee. Es ist die Zeit, zu der die frisch gepflückten Blätter in die Teefabrik Karongi mit den Traktoren angeliefert werden. Die Teebauern und Bäuerinnen legen ihre bis zu 50 Kilogramm schweren Erntesäcke auf eine Waage, eine Qualitätskontrolle folgt.
David Mutangana, Managing-Direktor von Karongi-Tee erläutert: „Wichtig ist die Qualitätsregel: Two leaves and a bud“. Das steht für „Zwei Blätter und eine Knospe“. Es bedeutet, dass man sich beim Ernten nur auf die Endknospe eines Teezweiges und die beiden darauf folgenden Blätter bezieht.
Später erfolgt das mehrstündige Trocknen der Teeblätter. Mittels Fermentation und Pulverisierung entsteht dann der bekömmliche ruandesische Schwarz- und Grüntee. Seit über zehn Jahren verarbeitet die Karongi Tea Factory die Teeblätter der kleinbäuerlichen Zulieferer der Genossenschaft Katecogro.
Die Historie des Teeanbaus in Ruanda steht in direktem Zusammenhang mit der Zeit nach dem blutigsten Kapitel der Geschichte des ostafrikanischen Landes.
Vor 25 Jahren, 1994, starben beim Genozid, den mörderischen Auseinandersetzungen von Hutus und Tutsis, rund eine Million Menschen. Teebauer Rawbeni Rubyogo war mitten in den Geschehnissen, er stammt aus einer gemäßigten Hutu-Familie, die immer mit den Tutsis gut zusammenlebte: „Wir mussten fliehen und alles stehen lassen, um unser Leben zu retten, denn sonst hätten uns die Hutu-Extremisten umgebracht.“
Nach den drei Monate dauernden Schreckensereignissen musste neben dem politischen auch ein wirtschaftlicher Neuanfang in Ruanda gesetzt werden.
Josiane Mutangan steht für das Empowerment der ruandesischen Frauen. Sie stammt aus einer Tutsi-Familie, die die Gräuel im Nachbarland Burundi im Exil überstand und ist General Managerin der Teefabrik Karongi: „Mein Vater Jean Baptiste setzte nach dem Genozid den Aufruf zu einem nationalen Kraftakt in die Tat um.
Der Teesektor wurde privatisiert und er begann mit Teefabrikation“. Mutangana plante die Karongi-Teefabrik im Süden des Landes, nahe der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo.
Karongi ist eine von 14 Teefabriken im „Land der Tausend Hügel“, wie Ruanda auch aufgrund seines geografischen Aufbaus genannt wird. Karongi-Tee bietet gemeinsam mit der Genossenschaft Katecogro den Teebauern Schulungen und versucht auch die Infrastruktur in den Dörfern zu verbessern. So werden zukünftig mehr Sanitäranlagen auf den Feldern in der Umgebung der Teefabrik für die Pflückerinnen aufgestellt und auch ein Kindergarten in den Räumlichkeiten der Fabrik eingerichtet. Bei den Vorhaben wird Karongi-Tee von der Entwicklungsgenossenschaft „Oikocredit“ mit Landwirtschaftsfinanzierung unterstützt.
Die Karongi-Teefabrik ist auch der erste Partner von „Oikocredit“ in dem afrikanischen Land, das zwölf Millionen Einwohner zählt.
Friedhelm Boschert, Vorstandsvorsitzender von „Oikocredit Austria“ schildert vor Ort: „Die Karongi-Teefabrik erhält von uns einen Kredit von einer Million Euro. Dabei geht es nicht nur um die Modernisierung der Produktion, sondern auch um Qualitätssicherung, wie Anbau von gentechnikfreiem Saatgut, aber auch darum, dass die Teebauern ihre Kinder auch in die Schule schicken können und sie nicht auf den Feldern mitarbeiten.“
Die Einhaltung der sozialen Standards wird von „Oikocredit“-Mitarbeitern zweimal jährlich überprüft. Die Erhöhung der Kapazität der Teeproduktion wirkt sich wiederum positiv für die Teebauern aus, die damit mehr Einkommen für ihre Familien erzielen. So ist die Landwirtschaftsfinanzierung von „Oikocredit“ eine Win-Win-Situation für Teebauern und Teefabrikanten in Ruanda.
Die internationale Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit unterstützt Menschen in Armut durch Refinanzierung sozial nachhaltig arbeitender Mikrofinanzinstitutionen, Genossenschaften, Klein- und Mittelunternehmen und erneuerbarer Energie in rund 70 Ländern.
Knapp 700 Oikocredit-Partnerorganisationen weltweit ermöglichen unternehmerische Aktivitäten und damit Arbeitsplätze für Millionen Menschen, die von herkömmlichen Finanzdienstleistungen ausgeschlossen sind.
Kleinstkredite zur Anschubfinanzierung einkommensgenerierender Tätigkeiten und soziale Begleitung bieten dabei Hilfe zur Selbsthilfe. Das für die Kredite aufgebrachte Kapital stammt von Anlegern aus Europa und Kanada.
Oikocredit engagiert sich weltweit für eine faire Vergabe von Darlehen und bietet ihren Partnern außer Finanzdienstleistungen auch Capacity Building, soziale Betreuung und Know-how.
Dabei handelt es sich nicht um eine Spende, sondern um ein Darlehen, stets auf gleicher Augenhöhe. Die Idee einer ethischen Anlagemöglichkeit für Kirchenmitglieder entwickelte der Ökumenische Rat der Kirchen.
1975 wurde Oikocredit dann im niederländischen Amersfoort gegründet.
Informationen: www.oikocredit.at
Der Teeanbau sichert das Überleben: Die Ballen mit den frisch gepflückten Teeblättern werden auf LKW der ruandischen Genossenschaft Katecogro verladen.
Eine Reportage von Stefan Hauser über die Landwirtschaftsfinanzierung von
„Oikocredit“ in Ruanda hören Sie am
Mittwoch, 18. September 2019 um 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at