Kardinal Christoph Schönborn gab der deutschen Zeitschrift "Herder Korrespondenz" ein längeres Interview.
Kardinal Christoph Schönborn gab der deutschen Zeitschrift "Herder Korrespondenz" ein längeres Interview.
"Bin in meinem realen Alter angekommen". Wiener Erzbischof und Amazoniensynoden-Teilnehmer wendet sich in "Herder Korrespondenz" gegen Haltung des "Nach mir die Sintflut!"
Kardinal Christoph Schönborn nimmt beim Thema Klimaschutz seine eigene Generation in die Pflicht, notwendige Veränderungen mitzutragen. Im Zuge der Klimadebatte höre er oft den Satz: "Gott sei Dank bin ich schon so alt, ich werde das nicht mehr erleben"; und auch er selbst "ertappe" sich als fast 75-Jähriger manchmal bei diesem Gedanken. Doch diese Haltung des "Nach mir die Sintflut!" sei völlig verfehlt, so Kardinal Schönborn im Interview für die deutsche Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (Ausgabe 12/2019).
Angesichts der ökologischen Bedrohung helfe "kein Alter und kein noch so privilegierter Platz auf der Erde". Diesen "Ernst der historischen Stunde müssen wir an uns heranlassen", forderte der Wiener Kardinal und Amazoniensynoden-Teilnehmer. "Es ist noch nicht zu spät, umzukehren."
Kardinal Schönborn berichtete von für ihn augenöffnenden Bibellesungen während der Synode in Rom. Am ersten Tag der Bischofsversammlung sei vom schwer kranken König Hiskija die Rede gewesen, dem nach einem Gebet zu Gott 15 weitere Lebensjahre gewährt werden. "In diesem Moment reagiert Hiskija in einer Weise, die mich unglaublich getroffen hat, weil sie so gut auf unsere Situation heute passt", berichtete der Kardinal über den Gedanken des Königs von Juda aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert: "Wenn nur zu meinen Lebzeiten noch Friede und Sicherheit herrschen."
Genauso reagiere letztlich seine eigene Generation, die einen Großteil des aktuellen "Klimadramas" produziert habe: "Hauptsache, wir haben noch schöne 15 Jahre in Ruhe", umschrieb der Wiener Erzbischof diese ignorante Einstellung. Dagegen stehe ein Jesus-Wort aus dem Lukasevangelium, das ebenfalls bei der Synode zu hören war: "Wenn ihr euch nicht grundlegend ändert, werdet ihr genauso umkommen."
Veränderung sei selten eine Veränderung zum Bequemeren, wies Schönborn hin. Seine Generation habe zwar die Nachkriegszeit in Armut und Entbehrung verbracht, aber es sei damals "jedes Jahr ein bisschen besser geworden". Dieses Lebensgefühl habe sich gewandelt: Heute sei spürbar, dass es für die Jungen "wahrscheinlich von Jahr zu Jahr schwieriger wird". Entsprechend sei "die Abneigung, ja die Furcht vor Veränderung, die ohnehin in uns drinsitzt".
"Change-Prozesse" brauchen nach Kardinal Schönborns Überzeugung auch spirituelle Ressourcen. Dafür sei die Kirche bedeutsam, die weder wirtschaftliche noch politische Macht habe. "Aber sie hat ihre Botschaft: Selig die Armen, ihnen gehört das Reich Gottes!" Um auf einem friedlichen Weg eine Änderung des Lebensstils zustande zu bringen, brauche es vor allem eine Motivation zum Verzicht und zum Teilen. "Diese Motivation hat man nicht als Ich-AG", hier komme die Kirche ins Spiel, betonte der Kardinal.
"Es geht mir gut. Es sieht so aus, als sei der Krebs besiegt." Das sagte Kardinal Christoph Schönborn im Interview für die deutsche Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (Ausgabe 12/2019) auf die Frage nach seinem Befinden nach einer im Mai durchgeführten Krebsoperation. Die Rekonvaleszenz schreite gut voran, "auch wenn sie länger dauert, als ich gedacht hätte". Er "stelle jetzt einfach fest, dass ich in meinem realen Alter angekommen bin. Das ist auch eine schöne Erfahrung - ich gehöre zu denen, die mit 75 nicht mehr jung sein wollen", so Kardinal Schönborn. Durch seine Erkrankung und die Heilung sei ihm das Privileg physisch und seelisch sehr bewusst geworden, "das sein zu dürfen, was man wirklich ist, wenn man 75 ist: alt".
Kardinal Schönborn hatte - wie er vor kurzem zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz mitteilte - während der Amazonien-Synode Papst Franziskus persönlich sein Rücktrittsgesuch übergeben. Laut Kirchenrecht müssen Diözesanbischöfe dem Papst mit Vollendung des 75. Lebensjahres ihren Rücktritt anbieten. Im Falle von Kardinal Schönborn wäre dies der 22. Jänner 2020. Die Entscheidung über den tatsächlichen Zeitpunkt, wann der Wiener Erzbischof in den Ruhestand tritt, treffe freilich der Papst.
Wann immer das sein wird, er sei für beides dankbar, den Dienst oder den Ruhestand, denn "jedes Jahr des Älterwerdens ist ein Geschenk", ließ der Kardinal vor rund zwei Wochen auch in der Zeitung "Heute" wissen. Vor fast 50 Jahren, 1970, sei er Priester geworden. "Für Gott und die Menschen Zeit zu haben, das bleibt für mich der Lebenssinn, auch nach dem 75er", so Kardinal Schönborn.