Weihbischof Turnovszky im Interview mit der Zeitung "Der Standard".
Weihbischof Turnovszky im Interview mit der Zeitung "Der Standard".
Abschaffung des Zölibats an sich allerdings nicht gemeint.
Der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky hat sich für eine Lockerung des Pflichtzölibats für Priester ausgesprochen. "Der Zölibat ist etwas Disponibles", sagte er am Dienstag in einem Weihnachts-Interview mit "Der Standard". Ausgabe 24. Dezember 2019. Von einer Abschaffung an sich wolle er allerdings nicht sprechen, "den Zölibat wird es immer geben. Die Frage ist, ob als Verpflichtung".
Grundsätzlich räumte der Weihbischof einen Priestermangel in Österreich ein. "Wir haben nicht mehr die Anzahl an Priestern, um alle Stellen zu besetzen." Gleichzeitig warnte er davor, "Priester nachzuschaffen, nur um das gewohnte System weiterzuführen. Das wäre zu kleruszentriert". Viel mehr brauche es eine Veränderung, sodass das Volk Gottes im Glauben selbstständig aktiv wird und die Priester es dabei unterstützen. "Das ist nicht einfach,aber wichtig", sagte der studierte Chemiker.
Dass auf der jüngsten Synode über die Weihe von "viri probati" (bewährte Männer) für Amazonien diskutiert wurde, sei einer pastoralen Notsituation in den Gebiet geschuldet. Immerhin verfüge die größte Diözese dort, die dreimal so groß wie Österreich ist, über nur 30 Priester. Darauf auf die Situation in Österreich zu schließen, hält er deshalb für nicht legitim. Es könne auch hierzulande über den Pflichtzölibat diskutiert werden, "aber dann mit anderen Argumenten".
Priestermangel müsse auch differenziert betrachtet werden. "Priestermangel in Österreich herrscht tatsächlich, wenn man die jetzige Priesterzahl mit einer aus der Vergangenheit vergleicht. Vergleicht man hingegen die Priesterdichte bei uns mit jener in anderen Teilen der Welt, dann haben wir eine der höchsten Priesterdichten - sowohl Priester pro Gläubige als auch Priester pro Quadratkilometer."
Amazonien und Europa müssten daher differenziert behandelt werden. Für Europa wünsche er sich vor allem eine Vertiefung der Fragestellung, wozu Priester genau gebraucht werden. "Entscheidet man sich für verheiratete Priester, ohne dies zu beantworten, ist die Gefahr groß, dass man zwar geweihte bewährte Männer in den Gemeinden hat, aber das Wesentliche unverändert bleibt und das ist die Ausrichtung des priesterlichen Dienstes, für die wir eine Umkehr brauchen."
Angesprochen auf die Frage nach der zunehmenden Säkularisierung in Europa meinte der Weihbischof: "Ich möchte Freiheit für, aber nicht von Religion. In unserem Staat soll die Freiheit herrschen, sich völlig ohne Zwang zu welcher Religion auch immer zu bekennen - oder zu keiner. Aber ich bin ganz dagegen, Religionsfreiheit als Religionslosigkeit zu propagieren." Es gebe religiöse Menschen, auch im säkularen Staat. Er respektiere es als religiöser Menschen, dass jemand ohne Religionsbekenntnis lebt; "ich möchte nur, dass das umgekehrt auch gilt".
Turnovszky sieht die Kirche vor den Auftrag gestellt, nach wie vor auch politisch die Stimme zu erheben. Sie solle nicht parteipolitisch sein und Wahlempfehlungen abgeben, aber sie solle inhaltspolitisch sein. "Und ich finde es richtig und auch unverzichtbar, dass sie sich zu Fragen der Gestaltung des öffentlichen Lebens äußert." Dazu gehöre auch massiv der Lebensrhythmus, die Sonntagsruhe, "aber das Motiv darf nicht die rückwärtsgewandte Verteidigung alter Pfründe sein, sondern die vorwärtsgewandte Mitgestaltung der Gesellschaft".
Dass die Kirche den Anschluss an die Debatten der Zeit verlieren könnte, weil das intelektuelle Sptizenpersonal fehle, befürchtet Turnovszky nicht. "Das Spitzenpersonal gibt es nach wie vor in der Kirche, und ich sehe auch den Spitzennachwusch. Uns fehlt die Breite, aber ich habe überhaupt keine Sorge, dass wir das Spitzenniveau verlieren, vor allem aufgrund der Internationalität der Kirche." Das Leben als Christ sei aber nicht an Zuständige delegierbar, sondern gehe jeden Menschen selbst an. "Wenn mir der Glaube wichtig ist, engagiere ich mich dafür."
Dass die Kirchen immer leerer werden, macht dem Weihbischof gewisse Sorgen, denn der Glaube nähre sich in der gemeinsam Eucharistiefeier. "Gefährlich wird es, wenn es einem nicht mehr fehlt. Freilich hat die Qualität der Eucharistiefeier auch einen Einfluss auf ihren Nährwert. Ich leide da als Bischof viel mit Menschen , die keine ansprechenden Gottesdienste erleben."
Der Kirche fehle es vor allem an jungem "Nachwuchs", räumte Turnovszky ein. Er wolle es allerdings nicht lösen, "indem wir junge Menschen rekrutieren, damit sie die Bankreihen füllen, sondern ich will auf sie zugehen, weil sie mir wichtig sind". Es genüge nicht, sich in der Jugendpastoral mit Events zu begnügen, "denn junge Menschen haben auch Sehnsucht nach stilleren Ausdrucksformen".
Weihnachten sei die Zusage Gottes an den Einzelnen: "Du bist geliebt von Anfang an." Gott selbst sei Mensch geworden, um das Menschliche mit den Menschen zu teilen, auf eine Art und Weise, die jeder verstehe: "einfach und schlicht, im Stall". Gott habe Interesse am Leben der Menschen, "und wenn du dich manchmal fühlst wie ein Mensch im Stall bei Ochs und Esel, wie ein kleines Kind, das in einer Krippe abgelegt wurde - es gibt keine Situation im Leben, in der Gott kein Interesse an dir hätte und nicht mit Liebe auf dich schaute".
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