Eine starke Familie, sehr gute Freunde und ein tief sitzendes Gottvertrauen hätten ihn auch in so manchen schwierigen Zeiten seiner Amtszeit getragen, so Kardinal Schönborn.
Eine starke Familie, sehr gute Freunde und ein tief sitzendes Gottvertrauen hätten ihn auch in so manchen schwierigen Zeiten seiner Amtszeit getragen, so Kardinal Schönborn.
Kardinal zieht in Kirchenzeitungsinterview Bilanz seiner Amtszeit als Erzbischof von Wien. Suche nach einem Nachfolger "kann bis zu einem Jahr dauern, aber viel mehr wird es nicht sein".
"Die Regie führt ein anderer." - Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn seine Amtszeit als Erzbischof von Wien zusammengefasst. In einem aktuellen Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen (Ausgabe KW 29) ging Schönborn auf einige besonders herausfordernde Momente wie die Missbrauchs- oder auch die Coronakrise ein.
Gemäß Kirchenrecht muss ein Diözesanbischof mit dem 75. Geburtstag dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Schönborn feierte seinen 75. Geburtstag am 22. Jänner dieses Jahres. Wann der Papst seinen Nachfolger als Erzbischof von Wien ernennen werde, wisse er nicht, "aber es sei gut, dass die Suche nach einem Nachfolger begonnen wurde", so der Kardinal. Das Verfahren dauere normalerweise mehrere Monate, "es kann bis zu einem Jahr dauern, aber viel mehr wird es nicht sein".
Eine starke Familie, sehr gute Freunde und ein tief sitzendes Gottvertrauen hätten ihn auch in so manchen schwierigen Zeiten seiner Amtszeit getragen, sagte der Kardinal: "Vieles, was mir als Verdienst angerechnet wurde, war Fügung." Schönborn erinnerte an den Beginn der Missbrauchskrise 2010: "Als die Welle der Missbrauchs-Veröffentlichungen von Deutschland auf Österreich herübergeschwappt ist, habe ich ganz konkret erlebt, wie Gott geholfen hat. Das Erste war, dass Generalvikar Franz Schuster schnell gehandelt hat. Die Generalvikare Österreichs haben eine Handreichung entwickelt, wie wir Bischöfe handeln sollen."
Zweitens habe er - Schönborn - der damaligen Regierung Faymann eine staatliche Kommission vorgeschlagen, der sich die Kirche unterstellt. Aber: "Das wollte man nicht. So habe ich weitergesucht. Da hat mir jemand den Rat gegeben: 'Fragen Sie doch Waltraud Klasnic!' Ich habe sie angerufen, sie hat sofort zugesagt. Einige Tage später hat sie mir die Liste der Mitglieder der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft vorgelegt, die trotz immer wieder auftauchender, unberechtigter Kritik eine hervorragende Arbeit geleistet hat und leistet. Da habe ich Fügungen erfahren." Nachsatz: "Natürlich müssen wir mitspielen. Aber die Regie führt ein anderer."
Polarisierungen bzw. Konflikte in der Kirche wollte der Kardinal im Interview nicht überbewerten: "Das hat es immer gegeben. Das hat es in der Urkirche in Jerusalem gegeben zwischen den sogenannten Hebräern und den Hellenisten. Und so ist es durch die ganze Kirchengeschichte gegangen. Das ist normal, weil Menschen verschiedene Lebensakzente haben, verschiedene kulturelle und religiöse Grundmuster. Damit muss man leben." Das Schöne sei, "dass alles Platz hat in der Kirche". In den vergangenen 50 Jahren habe er immer gehört, "wir stehen am Rand einer Kirchenspaltung, und sie ist nicht gekommen. Weil die Einheitskräfte stärker sind."
Aber: "Es gibt ein Phänomen, das die Kirche weltweit und besonders bei uns betrifft: Das sind die, die der Kirche stillschweigend den Rücken kehren. Aber das ist ein Teil der Religionsfreiheit. Wir sind keine Zwangsgemeinschaft. Das ist die Freiheit, die Gott uns gegeben hat."
Auf die Corona-Krise angesprochen, betonte Schönborn, dass nun besondere Solidarität gefordert sei. Die Wirtschaftskrise treffe besonders die, die schon in prekären Verhältnissen sind. Aber es treffe letztlich alle. "Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit ist eine Wunde, weil er das Leben von Menschen direkt und einschneidend betrifft", so der Kardinal. "Glücklich, wer ein Familiennetzwerk hat, das den Einzelnen mitträgt. Das Netzwerk der Kirche wird auch dringend notwendig sein."
Zur abschließenden Frage nach den dringendsten gegenwärtigen Herausforderungen für die Kirche sagte Schönborn: "Dass wir uns daran erinnern: Gott ist Gott. Alle Geschehnisse im Leben, in der eigenen Umgebung, auf der ganzen Welt, sind geborgen in guten Händen. (...) Wir haben nicht die Garantie, dass es sofort gut wird. Aber es wird gut werden. Weil es nach diesem Pilgerleben ein Zuhause gibt."