Franziskus-Vertrauter Spadaro in "Herder Korrespondenz": Reformideen werden nicht gleich umgesetzt, sondern zunächst im Gebet erwogen.
Nach Einschätzung des Jesuiten Antonio Spadaro ist Papst Franziskus "kein Don Quichotte der Kirchenreform". Stattdessen ziele Franziskus in seinem Denken und Handeln vielmehr darauf ab, Christus immer mehr ins Zentrum der Kirche zu stellen und auf den Heiligen Geist zu hören. "Der Ort, an dem Franziskus seine Entscheidungen trifft, ist nicht sein Schreibtisch, sondern seine Kapelle, seine Morgenandacht", sagte Spadaro im Interview der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (August).
Franziskus verfolge keine detaillierten Reformpläne, sondern gehe "hörend und meditierend" voran. "Wenn Franziskus eine Reformidee hat, setzt er sie nicht einfach um, sondern er betet darüber. Er horcht darauf, was diese Idee innerlich mit ihm macht." Selbst wenn er von einem genialen Gedanken total beeindruckt sei, warte der Papst zunächst auf eine "geistliche Bestätigung", erklärte Spadaro, der Chefredakteur der katholischen Zeitschrift "Civilta Cattolica" ist und in Rom als Vertrauter des Pontifex gilt.
Zugleich wandte sich Spadaro gegen Kritik, der Papst scheue sich vor Entscheidungen und lasse offene Fragen zu lange in der Schwebe. "Wenn der Papst sieht, dass eine Entscheidung nach einer innerlichen Unterscheidung reif ist, bringt er sie auch auf den Weg und macht sie sich zu eigen." Andernfalls ziehe er es vor, noch keine endgültige Entscheidung zu treffen.
Beispielsweise sei bei der Debatte um die Priesterweihe von verheirateten Männern noch nicht die Zeit für eine Entscheidung gekommen, so Spadaro. Zwar sei der Amazonas-Synode zu dieser Frage eine "großartige Diskussion" gelungen. Aber die Synode habe den Papst noch nicht in die Lage versetzt, "den Willen Gottes zu verstehen", betonte der Jesuit.
Insgesamt interpretiere er das Wirken von Franziskus eher als "ein Pontifikat der Aussaat, nicht der Ernte". Spadaro betonte: "Der Papst hat sehr viel gesät in den letzten Jahren. Sein Nachfolger kann das nicht ignorieren, er wird nicht zurückkönnen. Er wird weiter vorangehen."
Als eine für sein Umfeld "anstrengende" Besonderheit nannte der Civilta-Chefredakteur, dass Franziskus Narzissmus "unendlich fern" liege: Der Papst wolle sich nicht in irgendeiner Weise in den Mittelpunkt stellen, ignoriere Komplimente oder Lob und reagiere gar nicht darauf. Schroffe Töne bekomme das Umfeld des Papstes so gut wie nie zu hören, wisse er sich doch immer zu beherrschen. Spadaro: "Er kann abwarten, kann reflektieren, er gewährt Raum. Es ist, als wäre er einfach immer eingebettet in Gott."