Die Kirche kommt zu den Menschen: In der Buckligen Welt segneten Pfarrer und Kaplan die Adventkränze vom Traktor aus.
Die Kirche kommt zu den Menschen: In der Buckligen Welt segneten Pfarrer und Kaplan die Adventkränze vom Traktor aus.
Ein Ausnahmejahr war die Zeit seit dem ersten Lockdown im März 2020 auch für die katholische Kirche in der Erzdiözese Wien: Intensivierung der Gesprächsangebote, Livestream-Angebote für Messen und Innovationen im Bereich der Feierkultur und der Seelsorge haben das kirchliche Leben in den vergangenen zwölf Monaten geprägt. Die Hilfsangebote der Kirche haben eine große Nachfrage erlebt und konnten Menschen direkt in ihrem Alltag unterstützen. Ein Rückblick auf ein außergewöhnliches Jahr in der Erzdiözese Wien.
Ein Jahr Corona-Pandemie hat auch die katholische Kirche in der Erzdiözese Wien vor besondere Herausforderungen gestellt. Mit kreativen Lösungen, innovativen Ideen und intensiven Bemühungen haben Tausende haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in den über 600 Pfarren in der Erzdiözese Wien und in der Zentrale am Stephansplatz reagiert und waren in den vergangenen zwölf Monaten auf besondere und oft neuartige Weise für die Menschen da.
Ein offenes Ohr für die Menschen
Die Not und die Sorgen der Menschen sind besonders bei den vielfältigen Gesprächsangeboten der Erzdiözese spürbar: ob Telefonseelsorge, Gesprächsinsel, Anliegentelefon oder Plaudernetz – ein offenes Ohr am anderen Ende der Leitung war für viele Menschen ein Lichtblick in der unsicheren Zeit des Lockdowns. Auch der schulpsychologische Telefondienst des Erzbischöflichen Schulamts sowie die Rechtsberatung bei familiären Notsituationen der St. Elisabeth-Stiftung verzeichneten eine große Nachfrage. Daher wurden in den vergangenen Monaten all diese Gesprächsangebote laufend erweitert und ausgebaut.
Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge besonders im Einsatz
Die Teams der Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge waren im letzten Jahr besonders gefragt. Sie waren oftmals die einzigen, die die Kranken besuchen durften und leider oft auch die letzten, die einen Sterbenden sehen konnten. Unermüdlich ist ihr Einsatz unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen, den Menschen ein offenes Ohr, ein Gespräch oder auch die Sakramente anzubieten. Aber nicht nur für die Patienten waren die Krankenhausseelsorger im vergangenen Jahr da, auch die Mitarbeiter auf den Covid-Intensivstationen und anderen Krankenhausbereichen wandten sich mit ihren Sorgen und in herausfordernden Situationen an die Seelsorger.
Finanzielle Unterstützung für die Corona-Nothilfe der Caritas
Gleich am Beginn der Pandemie haben die österreichischen Diözesen beschlossen, die Corona-Nothilfe der Caritas mit einer Million Euro zu unterstützen. "In der Krise dürfen wir auf die Schwächsten nicht vergessen und müssen unbürokratisch jenen helfen, die von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind", erklärte Kardinal Christoph Schönborn damals. Bereits Ende März 2020 hat die Caritas eine steigende Zahl an Hilfsgesuchen verzeichnet. Diese finanzielle Unterstützung lief über die lokalen Caritas-Einrichtungen direkt und unbürokratisch und richtete sich an all jene, die aufgrund der Krise in eine Notlage geraten sind oder deren Sorgen sich durch Corona verschlimmert haben.
Starke Gottesdienstpräsenz in Social Media und TV
Durch den zeitweisen Wegfall gemeinsamer Gottesdienste in den Pfarren wurde für viele Wochen der direkte Kontakt zwischen dem Seelsorgeteam und den Gläubigen physisch unmöglich. Viele Pfarrgemeinden begannen daher, die im kleinsten Rahmen gefeierte Sonntagsmesse via Livestream auf Youtube oder Facebook zu übertragen. Zwischen Laa an der Thaya und der Buckligen Welt gab es jeden Sonntag ca. 70 Livestream-Gottesdienste aus den Kirchen und Kapellen der Erzdiözese Wien. Diese Gottesdienstübertragungen wurden mit der Zeit vielfach professioneller und haben sich trotz der Wiederaufnahme öffentlicher Gottesdienste zu einem fixen Bestandteil des Pfarrlebens etabliert. An vielen Orten berichten die Gemeinden, dass über den Livestream Menschen erreicht wurden und werden, die - aus welchen Gründen auch immer - in der Kirche nicht mitfeiern würden.
Große Feiergemeinde mit Kardinal Schönborn
Während des Frühlings-Lockdowns sowie nach Weihnachten hat Kardinal Schönborn fast täglich die Messe in der Andreaskapelle der Erzbischöflichen Palais gefeiert, die über Youtube und am Donnerstag zusätzlich auch auf ORFIII übertragen wurde. Die Feiergemeinde aus Österreich und weit darüber hinaus umfasst bisher insgesamt ca. 170.000 Mitfeiernde. Eine Gebärdendolmetscherin begleitete in dieser Zeit regelmäßig die Gottesdienste, sodass auch die Gehörlosengemeinde die Messen mitfeiern konnte.
Ostern als Quotenhit im ORF
Programmänderungen gab es auch im Fernsehen: seit Frühling 2020 übertragen sowohl ORFIII als auch ServusTV und die Regionalradios die wöchentliche Sonntagsmesse. Das Osterfest konnte im vergangenen Jahr ausschließlich via Fernsehen oder Livestream mitgefeiert werden und war eines der zuschauerstärksten Programme im ORF in dieser Zeit. An der Übertragung der Osternacht aus dem Wiener Stephansdom nahmen via ORF2 ca. 300.000 Zuseher teil. Bei einem Online-Weihnachtsgottesdienst mit Schülern aus dem Gebiet der Erzdiözese Wien, der auf ServusTV ein paar Tage vor Weihnachten ausgestrahlt wurde, haben mehrere Tausend Schüler von zu Hause oder im Präsenzunterricht teilgenommen. Über Social Media und eine interaktive Plattform konnten sich die Schüler mit ihren Gedanken und Fürbitten direkt in den Gottesdienst einbringen.
Weihnachten einmal anders
Die Beschränkung der Zahl der Teilnehmer an Gottesdiensten hat zu Weihnachten die Gemeinden herausgefordert. Seit Jahren gehören etwa die am Nachmittag des 24. Dezember abgehaltenen Krippenandachten zu den zahlenmäßig stärksten Feiern im Jahresverlauf. Heuer entwickelte die Erzdiözese dazu eine "Krippenfeier nonstop", sodass Besucher über den ganzen Tag hinweg kommen und für eine Viertelstunde mitfeiern konnten. Manche Pfarren setzten auch im Halbstundentakt den ganzen Nachmittag hindurch Krippenfeiern an.
Mit dem „Netzwerk-Gottesdienst“ gemeinsam Sonntag feiern
Mit dem Beginn der Livestream-Gottesdienste hat das Pastoralamt der Erzdiözese Wien die Initiative „Netzwerk-Gottesdienst“ entwickelt: wöchentliche Feierunterlagen begleiten das Gebet zu Hause – alleine oder als Familie – und geben Impulse zum Sonntagsevangelium und Vorschläge für einen Wortgottesdienst in den eigenen vier Wänden.
Auf unterschiedlichen Wegen die Menschen erreichen
Beim persönlichen Kontakthalten waren die vielen Pfarren in vergangenen Monaten sehr kreativ, wie z.B. in der „Pfarre zur Frohen Botschaft“ (Wien): „Wir haben ein Netzwerk der Beziehungen ins Leben gerufen. Das ist eine Liste von 280 Personen, die regelmäßig angerufen werden, die praktische Angebote - wie Einkaufsdienste - annehmen können. Vor allem aber, dass wir da sind, ins Gespräch kommen und zuhören.“, so eine Stimme aus der Pfarre. Zu Ostern haben die vielen Ehrenamtlichen in der Pfarre 1.600 handgeschriebene Ostergrüße persönlich zugestellt.
Auch in den ländlichen Gemeinden sind zahlreiche Ideen entstanden, die Kirche in dieser außergewöhnlichen Zeit zu den Menschen zu bringen: in der Buckligen Welt z.B. haben Pfarrer und Kaplan auf einer Traktorfahrt durch alle umliegenden Gemeinden hunderte Adventkränze gesegnet. Anderswo erfolgte nach ähnlichem Prinzip die Fronleichnamsprozession: an vielen Orten fuhr der Priester per Traktor mit dem Allerheiligsten durch den Ort und segnete die Menschen über den Gartenzaun.
Virtuelle Treffpunkte statt Gruppenstunden im Pfarrhaus
Andere Pfarren „übersiedelten“ ihre Gruppenstunden, Bibelrunden und die Erstkommunion- und Firmvorbereitung in den virtuellen Raum und nutzten die verschiedenen Systeme der Videotelefonie zum Kontakthalten. Für all jene, die - aufgrund ihres Alters oder der technischen Ausstattung - im Onlinebereich nicht so trittsicher unterwegs sind, gab es Flugzettel, Plakate, Beilagen in z.B. der Bezirkszeitung und der NÖN mit Hinweisen zu den verschiedenen Hilfs- und Gesprächsangebote der Erzdiözese Wien. Durch große Anstrengung gelang es, die wegen des ersten Lockdowns abgesagten Firm- und Erstkommunionfeiern fast zur Gänze in den wenigen Lockdown-freien Wochen im Herbst nachzuholen.
Die Kirchen bleiben offen für alle
Auch wenn die öffentlichen Gottesdienste ausgesetzt waren, blieben die Kirchentüren offen und luden zum Innehalten ein. Dass dieses Angebot vielfach genutzt wurde, zeigt sich an der Nachfrage nach Votivkerzen: in einigen Gemeinden wurde die vierfache Menge an Kerzen in den letzten Monaten angezündet – ein starkes Zeichen dafür, dass viele Menschen abseits der Gottesdienste in die Kirchen gekommen sind und einen Moment der Ruhe gesucht haben.
Weniger Austritte im Krisenjahr
Trotz der für viele Menschen wirtschaftlich angespannten Situation gab es dennoch um 14% weniger Kirchenaustritte im Jahr 2020. Das System des Kirchenbeitrags nimmt immer auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Katholiken in Betracht, sodass sich aufgrund der persönlichen finanziellen Situation niemand zu einem Kirchenaustritt gezwungen sehen musste.
Aus der Not eine Tugend gemacht: Neue Wege beschreiten
„Wenn ich sehe, dass andere etwas Innovatives machen, motiviert mich das, auch etwas zu tun“, erzählt ein engagierter Mann der Pfarre Franz von Sales. Aus der Pfarre Pulkau-Zellerndorf im Weinviertel berichtet eine Dame: „Heuer waren wir in der Lage zu sagen, wir dürfen es einfach anders machen“, und fasste den Mut, alte Muster zurück zu lassen und Neues auszuprobieren. Durch die allgemeinen Umstände war das Pfarrleben nicht mehr so machbar, wie gewohnt, „Man musste kreativer denken“. Und das war auch an vielen anderen Orten in der Erzdiözese Wien spürbar.