Caritas-Präsident Landau: "Unsere Zukunft ruht auf zwei Pfeilern: Gerechtigkeit und Liebe"
Caritas-Präsident Landau: "Unsere Zukunft ruht auf zwei Pfeilern: Gerechtigkeit und Liebe"
Schönborn: Dank für unverzichtbaren Einsatz für Menschen. Caritas-Bischof Elbs: "Die Beziehung zu den Armen dürfen wir nicht delegieren."
Mit einem Festgottesdienst im Wiener Stephansdom hat die Caritas am Donnerstagnachmittag ihr 100-jähriges Bestehen in Österreich gefeiert. Dem Gottesdienst standen u.a. Kardinal Christoph Schönborn, Caritas-Bischof Benno Elbs und Caritas-Präsident Michael Landau vor. "Ich bin froh und dankbar, dass wir in Österreich eine so lebendige, tatkräftige und vielseitig engagierte Caritas haben", so Kardinal Schönborn in seinen Begrüßungsworten. Wie wichtig dieser Einsatz sei, "wird gerade auch jetzt in der Krise deutlich".
Mit ihrem Dienst am Nächsten und der Sorge um notleidende Menschen erfülle die Caritas einen Kernauftrag des Evangeliums, so Schönborn: "Ihr Auftrag muss es sein, Gesellschaft zum Positiven zu verändern - aber nicht auf Seite irgendeiner politischen Partei, sondern an der Seite der Armen." Er danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem den unzähligen Ehrenamtlichen, "für ihren unverzichtbaren Einsatz für Menschen, die unsere Unterstützung dringend brauchen, in Österreich und weltweit", so der Kardinal.
Mit Schönborn, Elbs und Landau konzelebrierten auch die Bischöfe Hermann Glettler, Josef Marketz und Franz Scharl. An der Feier nahmen außerdem die früheren Caritas-Präsidenten Franz Küberl sowie Helmut Schüller teil. Caritas-Delegationen aus allen Diözesen waren nach Wien gekommen und gestalteten den Gottesdienst mit. Für die musikalische Gestaltung war beispielsweise das Ensemble Carmina, bestehend aus Mitarbeitern der Caritas Salzburg, verantwortlich.
Auch die Politik war im Stephansdom prominent vertreten. So feierten die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Außenminister Alexander Schallenberg, Umweltministerin Leonore Gewessler und EU-Ministerin Karoline Edtstadler mit. Dazu kamen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft bzw. von Sponsoren der Caritas.
Elbs: Jeder ist für Barmherzigkeit zuständig
Barmherzigkeit sei heute nicht unbedingt in Mode, so Bischof Elbs in seiner Predigt. Die heutige Gesellschaft scheine eher zu sagen: "Ich muss mir meine Rechte einfordern. Ich poche auf das, was mir gesetzlich zusteht." Freilich: "Allein durch das Einfordern der eigenen Ansprüche wird unsere Welt nicht menschlicher, und wohl auch nicht gerechter." Ohne Barmherzigkeit, Mitgefühl und Liebe sei kein Staat zu machen, der Menschenwürde und Menschenrechte großschreibt. Das Problem sei nur: "Gerechtigkeit kann man einfordern. Barmherzigkeit nicht. Gerechtes Handeln ist eine Pflicht, barmherziges Handeln hingegen ist nirgends als Pflicht festgeschrieben."
"Für die Gerechtigkeit sind Rechtsanwälte, Richter und Verteidiger zuständig. Wer aber ist für die Barmherzigkeit zuständig?", so die Frage des Bischofs. Die Antwort: "Die Beziehung zu den Armen dürfen wir nicht delegieren." Für Barmherzigkeit sei jeder persönlich zuständig und verantwortlich. Ein Blick auf die Geschichte der Caritas mache deutlich, dass ihre Arbeit einen wesentlichen Unterschied ausmache. "Gemeinsam haben unsere Vorfahren viele Krisen gemeistert. Und auch wir können das", zeigte sich der Bischof überzeugt. Dabei gehe es in der Arbeit der Caritas nicht nur um individuelle Hilfe, sondern auch darum, "den wachen Blick auf die dahinterliegenden sozialen Strukturen zu haben". Oder anders ausgedrückt: "Not sehen und handeln; gleichzeitig mahnen und unablässig auf die Gründe und Ursachen der Not hinweisen; an der Ursachenbekämpfung mithelfen und das demütig und bescheiden.
Abschließend appellierte der Bischof an die Verantwortlichen in der Caritas aber auch darüber hinaus: "Bemühen wir uns, persönlich und als Organisation um den Blick Jesu für die immer drängender werdenden Phänomene der Einsamkeit, für den großen Bereich der Pflege, für die ökologischen Folgen der Klimakrise, wie auch für die vielen sozialen Folgen der Pandemie und vieles, vieles mehr."
Landau: "Ein Dienst von Mensch zu Mensch"
Caritas-Präsident Michael Landau zitierte in seinen Dankesworten Papst Franziskus: "Die Armen müssen umarmt, nicht gezählt werden." Caritas sei zuallererst "ein Dienst von Mensch zu Mensch, von Gesicht zu Gesicht"; rund um die Uhr, manchmal rund um die Welt. Die Stärke der Caritas sei die tägliche Arbeit an so vielen Orten, in Österreich, Europa und weltweit. Landau erinnerte an eine Begegnung aus seinen Anfangszeiten bei der Caritas am Wiener Westbahnhof: "Ich war damals noch recht neu in meiner Funktion und wurde von einer Gruppe obdachloser Menschen erkannt und angesprochen. Ob ich ein Bier mit ihnen trinken wolle. Ja, ich wollte. Ich gebe zu: Nach kurzem Zögern, das mit einer frischen Dose beantwortet wurde. Und ich hörte eine Bierdose lang zu. Und ich lernte."
Das bringe die wesentliche Überzeugung zum Ausdruck, "dass es zuerst und immer um Menschen geht; gleich in der Würde. Und es macht ebenso deutlich, dass jede und jeder etwas einzubringen hat, dazugehört, wichtig ist und gebraucht wird."
Die Herausforderungen hätten sich in den vergangenen 100 Jahren immer wieder verändert - doch der Grundauftrag der Caritas sei bis heute derselbe geblieben: "Gemeinsam geht es darum, Not zu sehen und zu handeln, Männern, Frauen und Kindern die Möglichkeit zu geben, wieder ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen - sie von den Rändern der Gesellschaft in deren Mitte zu führen. Aus Außenseitern 'Innenseiter' unserer Gesellschaft machen, Chancen eröffnen, mitwirken daran, dass keine und keiner zurückgelassen wird - dafür setzen wir uns ein, in Österreich und weit darüber hinaus."
Um der Armen willen müsse die Caritas deshalb auch lästig bleiben, so Landau: "Unsere Zukunft ruht auf zwei Pfeilern: Gerechtigkeit und Liebe. Und die Kirche soll darin Mutmacherin und Horizonterweiterin sein." Wer an die Caritas glaubt, glaube nicht nur an das Gute, den Zusammenhalt, die Gerechtigkeit und an die Zukunftstauglichkeit unserer Gesellschaft, er glaube vor allem auch "an eine Welt, die wir zum Positiven gestalten können, in der es auf jede und jeden einzelnen von uns ankommt".
Er wolle deshalb auch nochmals all jenen danken, die in der Caritas an einer besseren Welt und Zukunft mitarbeiten. "All diese Menschen machen das Potenzial der Anständigkeit deutlich, das in uns steckt. Diese Menschen stärken das Vertrauen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie schenken Zuversicht und Hoffnung - und sie buchstabieren mit ihrem Tun den Auftrag des Evangeliums jeden Tag aufs Neue in die Wirklichkeit hinein", so der Caritas-Präsident.
Ein genaues österreichweites Geburtstagsdatum für die Caritas ist nicht leicht zu finden, denn in den einzelnen Diözesen wurde die Caritas zu unterschiedlichen Zeitpunkten 1920/21 gegründet.