Zahlreiche Muslime nehmen Franziskus als Vertreter einer Menschheit wahr, die wirklich Menschlichkeit leben will.
Zahlreiche Muslime nehmen Franziskus als Vertreter einer Menschheit wahr, die wirklich Menschlichkeit leben will.
Islamwissenschaftler und Jesuit Körner: Franziskus wird als Vertreter einer Menschheit wahrgenommen, "die wirklich Menschlichkeit leben will."
Papst Franziskus wird nach Ansicht des Theologen und Islamwissenschaftlers Felix Körner von vielen in der muslimischen Welt als Vorbild geschätzt. Zahlreiche Muslime nähmen Franziskus als Vertreter einer Menschheit wahr, "die wirklich Menschlichkeit leben will", sagte der deutsche Jesuit in der neuen Folge des Podcasts "himmelklar".
Am Papst schätzten diese Muslime unter anderem dessen Herzlichkeit, so Körner weiter. Aber bereits unter Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. habe es Bewegung im Verhältnis zwischen Christen und Muslimen gegeben, auch wenn dessen Regensburger Rede 2006 zunächst für Irritationen gesorgt habe, fügte der Islamwissenschaftler hinzu.
Damals hatte Benedikt XVI. aus dem Disput eines byzantinischen Kaisers mit einem Muslim zitiert: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten." Dass Benedikt XVI. anschließend Bereitschaft gezeigt habe, aus Fehlern im interreligiösen Dialog zu lernen, habe ihm Respekt eingebracht, betonte Körner weiter.
Im Podcast nahm der Jesuit, der von 2001 bis 2008 in Ankara lebte, auch Stellung zur aktuellen Lage in der Türkei. Dabei sprach er von einer "Gesellschaft der Angst", was unter anderem zu empfindlichen Einschränkungen bei der Meinungsfreiheit führe.
Wenn beispielsweise ein muslimischer Theologe von "interreligiösem Dialog" spreche, sei dies für ihn bereits jobgefährdend, so Körner. Denn dieser Begriff werde mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht, die der türkische Staat als Terrororganisation ansehe.
Von der Islamisierung des türkischen Gesellschafts-, Lebens- und Staatswesens fühlten sich Christen in der Türkei augenblicklich nicht stärker eingeschränkt, erklärte der Jesuit weiter. Muslime und auch das Regime in Ankara hätten mehr Verständnis dafür, dass Menschen einen Glauben haben als dafür, dass Menschen auch nichts glauben wollen, so Körner: "Religionsfreiheit und Bekenntnisfreiheit bedeutet natürlich auch, dass Menschen das Recht haben müssen, zu sagen: Ich glaube nichts - und sogar öffentlich dafür zu werben und Religionen insgesamt zu kritisieren. Das fehlt im Moment atmosphärisch in der Türkei."
Körner lehrt seit kurzem als Professor am 2019 gegründeten Institut für Katholische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität. Dort leitet er den neuen Nicolaus Cusanus-Lehrstuhl für Theologie der Religionen.