Der Bilderzyklus in San Marco "übersetzt" getreu in die Bildsprache, was das Neue Testament vielfach bezeugt. Ich darf an den Prolog des Johannesevangeliums erinnern: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist" (Joh 1,1-3). Christus - der Weltenschöpfer! Diese Glaubensschau ("Die Welt ist durch ihn geworden": Joh 1,10) wird nochmals überboten durch das, was die Mitte des christlichen Glaubens darstellt, das gewaltigste Paradox und das größte Geheimnis. Johannes drückt es in seinem Prolog so aus: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit." (Joh 1,14).
Heute, da wir am ersten Jahrestag des Heimgangs von Papst Johannes Paul II. gedenken, erinnern wir uns, welche zentrale Bedeutung das Geheimnis der Menschwerdung im Denken, Lehren und Leben des großen Papstes hatte. Seine erste Enzyklika ("Redemptor Hominis" vom 4. März 1979) beginnt mit dem Blick auf die Inkarnation:
"Der Erlöser des Menschen, Jesus Christus, ist die Mitte des Kosmos und der Geschichte. Zu ihm wenden sich mein Denken und Fühlen in dieser feierlichen geschichtlichen Stunde, die die Kirche und die ganze Menschheitsfamilie heute durchleben. Tatsächlich stehen wir jetzt schon nahe am Jahr 2.000. Wir nähern uns dem Datum, das uns ...die Kernwahrheit unseres Glaubens in Erinnerung ruft und in besonderer Weise wieder bewusst macht, die der hl. Johannes am Anfang seines Evangeliums ausgedrückt hat: 'Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt' und an anderer Stelle: 'Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat'...
In dieser Heilstat hat die Geschichte des Menschen, so wie sie in der Liebe Gottes geplant ist, ihren Höhepunkt erreicht. Gott ist in die Menschheitsgeschichte eingetreten: als Mensch ist er Subjekt dieser Geschichte geworden, einer von Milliarden und gleichzeitig dieser eine! Durch die Menschwerdung hat Gott dem menschlichen Leben jene Dimension gegeben, die er ihm von Anfang an zugedacht hat. Er hat dies auf eine so endgültige Weise getan, wie es nur ihm möglich ist: als Frucht seiner ewigen Liebe und seiner Barmherzigkeit, seiner vollen göttlichen Freiheit und seiner Barmherzigkeit, seiner vollen göttlichen Freiheit und einer solchen Freigebigkeit, dass es angesichts der Erbschuld und der langen Geschichte der Sünde in der Menschheit, angesichts der Irrtümer unseres Verstandes, der Verirrungen unseres Willens und Herzens möglich ist, staunend die Worte der heiligen Liturgie zu wiederholen. 'O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!'"