Täglich betet die Kirche als erstes Gebet am frühen Morgen, nach der Bitte: "Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde", zum Invitatorium den Psalm 95: "Kommt, lasst uns jubeln vor dem Herrn" In der Mitte dieses Psalms steht ein Vers, den ich besonders liebe und der jedes Mal zu einer innigen Bitte für den ganzen Tag wird: "Ach, würdet ihr doch heute auf Seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa" (Ps 95, 7-8).
Herzensverhärtung ist das Gegenteil von Barmherzigkeit. Pôrôsis des Herzens nennt es das Neue Testament auf Griechisch. Wie sehr müssen wir darum beten, dass das Herz nicht "porös" wird. Es ist die erschreckende Möglichkeit, dass das Herz sich verhärtet, versteinert, abgestumpft und gefühllos wird. Genau das aber ist die Ursünde des Menschen Gott, und immer in eins auch dem Nächsten gegenüber.
Herzensverhärtung ist Abfall von Gott und Unempfindlichkeit gegenüber dem Nächsten. Sie ist damit der tragische Verlust der eigenen Menschlichkeit. Der im Herzen hart Gewordene ist als Mensch versteinert, hat seine Lebendigkeit verloren. Jesus ist gekommen, um uns das von den Propheten verheißene neue Herz zu geben, das alte Herz aus Stein aus unserer Brust zu nehmen und uns ein Herz aus Fleisch zu schenken (vgl. Ez 11,19; 36,26-27; Jer 31,33; 32,39).
Aber gerade daran "scheitert" Jesus, nach menschlichem Maßstab. Gerade das scheint ihm nicht zu gelingen. Die Herzen werden rund um ihn härter, statt offener. Und diese Verhärtung der Herzen führt schließlich zu seiner Verwerfung, zum Justizmord. Gehen wir den Spuren dieser wachsenden Hartherzigkeit nach und fragen wir uns, wie es dazu kommen konnte.
Da ist die Szene, ganz am Anfang von Jesu Wirken in Galiläa: "Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz (sullupoumenos epi tê pôrôsei tês kardias autôn), und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund. Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen" (Mk 3,1-6).
Wieso verhärten sich die Herzen? Jesus stellt ihnen eine Frage, auf die die Antwort klar ist: Natürlich ist es nicht erlaubt, am Sabbat Böses zu tun; natürlich muss man am Sabbat ein Leben retten. Aber wenn sie dieser offensichtlichen Sache zustimmen, dann müssen sie auch einverstanden sein, dass Jesus am Sabbat heilt. Warum ist das so schwer? Ist es nicht klar genug, dass er ein Mann Gottes ist, wenn er solche Gaben der Heilung hat? Aber wenn sie dem zustimmen, dann müssen sie ihn annehmen, ihm glauben, und genau das bringen sie nicht zustande. Ihre Herzen verhärten sich in der Begegnung mit seiner Barmherzigkeit. Sie glauben, Gott die Ehre zu erweisen, indem sie ihn ablehnen, und planen gleichzeitig, gemeinsam mit ihren eigenen Feinden, den Leuten des Herodes seine Ermordung.
So steht schon am Anfang von Jesu Wirken das ganze Drama wie in einer "Exposition" fest: Sie werden ihn umbringen. Und der Grund ist klar: Ihre Herzen haben sich verhärtet. Wie geheimnisvoll, rätselhaft: in ihm ist die Liebe und Barmherzigkeit Gottes auf Erden erschienen. Aber sie löst das Gegenteil aus. Was ist es um dieses dunkle Mysterium der "Herzensverhärtung"?