In Genesis 1,11 heißt es am dritten Schöpfungstag:
"Dann sprach Gott: das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es. Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: dritter Tag."(Gen 1, 11-13)
Es folgt bekanntlich dann der vierte Schöpfungstag, an dem jetzt erst die Gestirne geschaffen werden, die "Lichter am Himmelsgewölbe". Aber am ersten Schöpfungstag ist ja nach der Genesis das Licht geschaffen worden. Wir erinnern uns an Haydns "Schöpfung" und dem wunderbaren Moment von der Erschaffung des Lichtes. Dann der fünfte und sechste Schöpfungstag: Er sieht das Entstehen der Tierwelt im Wasser und am Land und schließlich die Erschaffung des Menschen:
"Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen, und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln. Gott sah, dass es gut war. Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, und bevölkert das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: fünfter Tag. Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." (Gen 1,20-27)
Es ist klar, dass dieser Text nicht ein naturwissenschaftliches Dokument darstellt. Das ist auch nicht die Absicht der Heiligen Schrift. Ich zitiere Ihnen einen schönen Text des hl. Augustinus in seiner Schrift gegen Felix, den Manichäer, wo er sagt:
"Im Evangelium liest man nicht, der Herr habe gesagt: ich sende euch den Heiligen Geist, damit er euch den Lauf der Sonne und des Mondes lehre. Christen wollte er machen, und nicht Astronomen! Dazu genügt das Wissen, das die Menschen über diese Dinge zu ihrem Nutzen in der Schule lernen können! Zwar hat Christus gesagt, der Heilige Geist werde kommen, um uns in alle Wahrheiten einzuführen, doch spricht er da nicht vom Lauf der Sonne oder des Mondes! Wenn du aber meinst, die Lehre (über diese Dinge) gehöre zu der Wahrheit, die Christus durch den Heiligen Geist verhieß, dann frage ich dich: wie viele Sterne gibt es denn? Ich behaupte, derlei Dinge gehören nicht zur christlichen Lehre ... während du behauptest, zu ihr gehöre auch, wie die Welt gemacht wurde und was in der Welt geschieht." (Augustinus, Contra Felicem Manichaeum I, 10 (PL 42,525)
Schon Augustinus zeigt uns also: Wir können getrost und zuversichtlich die Forschung über das 'wie' der Wissenschaft überlassen, das ist nicht die Absicht Christi, uns das zu lehren. Freilich, wenn dem so ist, sollten wir dann nicht fein säuberlich trennen: Hier der Glaube samt seinen Dokumenten, die Bibel, das Lehramt der Kirche und seine Reflexion darüber, die Theologie und dort die Naturwissenschaften mit ihren Methoden, Hypothesen, Theorien und Ergebnissen? Aber so fein säuberlich lässt sich das nicht trennen. Der Glaube hat ja auch mit dem Leben zu tun, und die Wissenschaft ebenfalls. Der große Theologe Karl Rahner hat schon 1959 dem Theologen ins Stammbuch geschrieben, er könne "nicht von vornherein so tun, als ob naturwissenschaftliche und theologische Fragen und Erkenntnisse keine Berührungspunkte haben können" (Karl Rahner, Vorwort zu Paul Overhage: Um das Erscheinungsbild des ersten Menschen, 9D7, Freiburg 1959). Dasselbe gilt natürlich auch für den Naturwissenschaftler. Ich akzeptiere deshalb ganz und gar nicht die Zurufe von naturwissenschaftlicher Seite, ich solle mich aus diesen Fragen heraushalten. Ich gestehe, ich bin nicht naturwissenschaftlich kompetent, aber ich glaube, ein bisschen mit Theologie zu tun zu haben, und ich denke, es tut uns gut, wenn wir einander Fragen stellen, wenn wir einander im Austausch auch Gedankenhilfen geben.
Die Fragen, um die es hier geht, betreffen ja alle. Deshalb darf es kein Frage-, keine Denk-, und auch kein Kritik- und Mitredeverbot geben! Darum freue ich mich auch, dass die Debatte über diese Frage weitergeht.
Noch einmal: Die Bibel ist kein naturwissenschaftlicher Bericht und sie bietet auch keine Theorie über die Entstehung der Welt und die Entwicklung der Arten. Aber die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Entstehung der Arten ist nicht der einzige Zugang zur Wirklichkeit. Ich glaube, das müssen wir immer wieder betonen: Es gibt verschiedenste Zugänge zur Wirklichkeit, philosophische, künstlerische, religiöse und naturwissenschaftliche. Das eine ist nicht weniger wirklich als das andere, es sind nur andere Zugänge zur selben Wirklichkeit. Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch, aber sie eröffnet dennoch Zugänge zur Wirklichkeit. So will ich versuchen, einige Wirklichkeitsaussagen aus diesem ersten Kapitel der Genesis sozusagen herauszuheben. Nachdem es sieben Schöpfungstage gibt, sechs, an denen Gott gearbeitet hat und einen siebenten, an dem er geruht hat, will ich sieben Punkte, sieben Schöpfungstage herausgreifen und sie ein wenig mit Ihnen betrachten.