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Themen | Assistierter Suizid
Themen | Assistierter Suizid

"An der Hand, nicht durch die Hand eines anderen Menschen sterben."

Kardinal Franz König


 

Mit 1.1.2022 wurde in Österreich aufgrund eines Erkenntnisses des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes die Assistenzleistung zum Suizid unter bestimmten Bedingungen straffrei gestellt.

 

Um Überlegungen anzustellen, wie mit den Folgen dieser Gesetzesänderung bestmöglich umgegangen werden kann, hat die Erzdiözese Wien unter der Leitung von Nicole Meissner, MSc BA, Geschäftsführerin der St. Elisabeth Stiftung und Lebensschutzbeauftragte von Kardinal Christoph Schönborn, eine gemeinsame Arbeitsgruppe, das „Lebensschutz Gremium“ gebildet um einen Orientierungsrahmen für ihre MitarbeiterInnen zum einen, und für alle Menschen, die mit diesem Thema in Berührung kommen, zum anderen, anzubieten.

Positionierungspapier der Erzdiözese Wien
Positionierungspapier der Erzdiözese Wien
AUSANGSLAGE
Durch eine Gesetzesänderung ist der „assistierte Suizid“ seit 1.1.2022 auch in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Der Gesetzgeber spricht von einem „selbstbestimmten Sterben als ‚Menschenrecht‘ und ‚Ausdruck der Menschenwürde‘“, dies entspricht geänderten gesellschaftlichen Erwartungen und Haltungen.

Angesichts dieser neuen Gesetzeslage ist es gerade in einer sich ändernden Welt vieler Fragen, Unsicherheiten und zunehmender Orientierungslosigkeit umso mehr geboten, aus kirchlicher Sicht Orientierung für den Umgang mit dieser neuen Situation zu geben.

Ausdrücklich sei am Beginn auf das Schreiben der Glaubenskongregation Samaritanus Bonus vom 14. Juli 2020  sowie auf die Erklärung der Österreichischen Bischöfe Einander anvertraut – Assistenz zum Leben und nicht Hilfe zur Selbsttötung vom 1. Juni 2021  verwiesen, die sich mit der neuen Situation eines rechtlich erlaubten assistierten Suizids auseinandersetzen. Die österreichischen Ordensgemeinschaften und die Caritas Österreich haben auf dieser Basis einen äußerst detaillieren „Orientierungsrahmen“ für katholische Gesundheits- und Sozialeinrichtungen erstellt, der mit Jänner 2023 in Kraft getreten ist.  
VERSCHIEDENE ANFORDERUNGEN

Allgemein ist es wichtig, dass Christinnen und Christen die möglichen negativen gesellschaftlichen Konsequenzen der neuen Gesetzeslage im Blick haben und gegen eine drohende „Wegwerfkultur“ Stellung beziehen, indem sie dafür eintreten, „die Würde des menschlichen Lebens, auch in seinen extremen Phasen des Leidens und Todes [zu] respektieren“ (Samaritanus Bonus, S. 22).
Der Respekt vor dieser Würde und die christliche Liebe gebieten vor allem, Kranke und Sterbende in ihrer Not zu begleiten und ihnen bis zum Lebensende ohne Vorbehalt medizinisch, menschlich und spirituell beizustehen.

Die Würde des menschlichen Lebens zu achten, fordert aber auch, sich jedweder Mitwirkung, direkter formeller oder materieller Art, bei einer suizidalen Handlung zu enthalten.   Aus christlicher Sicht kommt dies einem schweren Verstoß gegen den Wert des menschlichen Lebens gleich (Samaritanus Bonus, S. 32). Einem Menschen zu helfen, bedeutet daher nicht, ihn seinem Wunsch gemäß beim Suizid zu unterstützen, sondern vielmehr, sich daran zu erfreuen, dass er das Geschenk des Lebens bekommen hat und ihm zu helfen, diesen Wert auch in schwierigen Situationen zu erkennen.

Die „pastorale Unterscheidung“ (Samaritanus Bonus, S. 65) muss schließlich zwischen der objektiven sittlichen Beurteilung einer Tat selbst und dem subjektiven Bewusstsein von Schuld („subjektive Disposition“; ebd.) unterscheiden. Die Frage der subjektiven Schuld, der „persönlichen Verantwortung“ (Samaritanus Bonus, S. 66) bemisst sich gerade in Fragen des Suizids am Gewissen, d. h. an der inneren Einsicht in das Gute, an der inneren Freiheit und am Können.

SCHLUSSFOLGERUNG 
Christinnen und Christen, die in kirchlichen Einrichtungen arbeiten, bieten daher keine Unterstützung zu assistiertem Suizid an und empfehlen diese Handlung auch nicht. Vielmehr bekennen sie sich zu einem Leben in Würde bis zum Schluss. Sie begleiten jedoch auch Sterbewillige und zeigen ihnen Wertschätzung und Interesse. Einen Menschen in dieser Weise zu unterstützen und zu begleiten, bedeutet aber nicht, ihm in jeder Frage Recht zu geben und alle seine Wünsche zu erfüllen. Es gibt in Betreuungs- und Begleitungssituationen auch das Recht und die Pflicht, die eigenen Glaubensüberzeugungen und das eigene Gewissen zu schützen. Als Mitglied einer kirchlichen Gesundheitsinstitution (z.B. Krankenhaus) ist man grundsätzlich auch den Leitlinien der Institution verpflichtet.
ERLÄUTERUNG
Die Kirche war immer schon ein Ort für Menschen mit verschiedenen Problemen, Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten, unser Herr Jesus Christus rief die Mühseligen und Beladenen zu sich (Mt. 11,28-30). „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ sollen in den Herzen der Glaubenden „Widerhall“ finden (GS 1). Daher haben Christinnen und Christen Verständnis für die Wünsche heutiger Menschen nach Selbstbestimmung und Freiheit. Die Kirche fragt aber auch nach, wo ein bloß nickendes Zuhören nicht genügen kann. Oft verbirgt sich hinter dem Wunsch zu sterben oder dem Wunsch nach Linderung körperlicher und seelischer Schmerzen auch der Wunsch danach, angenommen und angehört zu werden, Verständnis und menschliche Wärme zu bekommen. Einem Hungernden hilft man nur teilweise, wenn man ihm Nahrung gibt, so wichtig diese auch im Moment sein mag. Umfassender und nachhaltiger hilft man, wenn man dem Hungernden einen Acker zur Verfügung stellt, den dieser selbst bebauen und dessen Ertrag er selbst ernten kann. Ähnlich mögen ein Suizid und die Beihilfe dazu im Augenblick als wirksame Hilfe erscheinen, das mögliche Erschließen neuer Ressourcen zum Leben wird aber ausgeschlossen, da das Leben dieses Menschen unwiederbringlich verloren ist. Die Aufgabe der Kirche und ihre Stärke liegen daher im langfristigen Helfen, in der Eröffnung von Gesprächs- und Beziehungsräumen und in der Einladung zu einem Leben in Wertschätzung, Geborgenheit und Würde bis zum Schluss.
Pastorale Positionierung
Pastorale Positionierung

Mit den folgenden Gedanken soll eine Brücke zwischen grundlegenden theologischen Optionen und lebensnaher pastoraler Praxis geschlagen werden, wobei 3 Ebenen zu unterscheiden sind:

 

1. theologische Grundlegung
2. pastorale Haltung
3. konkrete Beratungs-, Begleitungs- und Unterstützungssituation

 

 

Positionierung:
Theologische Überzeugung der Lebensbejahung

 

BEGRÜNDUNG
Wir gehen davon aus, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist. Es hat seinen Sinn und Wert von Gott her und verliert diesen auch nicht in schwierigen und schmerzvollen Situationen. Menschliches Leben muss daher vor willkürlichen Zugriffen anderer Menschen geschützt werden. Dieser Schutz ist gerade in Momenten von Leid, Krankheit, Schwäche oder Schmerz wichtig. Daher lehnen wir es ab, bei Tötungshandlungen im Umfeld von Sterben und Tod, wie Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid, in irgendeiner Weise mitzuwirken.
ERLÄUTERUNG
Grundlage dieser Positionierung ist das Verständnis der Kirche, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes (vgl. Gen 1,27) unbedingte Würde besitzt, unabhängig von Hintergrund, Leistung oder körperlicher Verfassung. Würde und Unantastbarkeit beziehen sich auf den ganzen Menschen aus Seele und Leib, aus Geist und Körper. In dieser Einheit und Ganzheit ist der Mensch auch „zur Auferweckung am Jüngsten Tag bestimmt“. (GS 14). In diesem Sinn ist menschliches Leben „heilig“ bis zuletzt. (KKK 2258). Es muss immer in seinen Entfaltungsmöglichkeiten unterstützt und darf nie willkürlich ausgelöscht werden.
PASTORALE POSITIONIERUNG
Menschen, die versehrt oder geschwächt sind, brauchen daher besondere Beachtung. Kranke oder Behinderte sind zu unterstützen, damit sie ein möglichst normales Leben führen können (KKK 2276). Tötungshandlungen wie die direkte, aktive Euthanasie, die darin besteht, dass man aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker oder sterbender Menschen ein Ende setzt, sind sittlich unannehmbar (KKK 2277). Aber auch der Suizid ist abzulehnen. Die christliche Tradition sieht darin einen Widerspruch zum natürlichen Lebenswillen des Menschen, zur gebotenen Bejahung seiner selbst („rechte Eigenliebe“), sowie einen Verstoß gegen die „Bande der Solidarität“, die den Menschen mit anderen verbinden (KKK 2281).


 

Positionierung:

Pastorale Haltung der unbedingten Annahme bedürftiger Menschen

 

BEGRÜNDUNG
Gemäß der Haltung, sich allen Menschen bedingungslos in Liebe zuzuwenden, wie Jesus Christus es vorgelebt hat, ist es die Ansicht der mit der Seelsorge betrauten Einrichtungen und Personen, dass Kranken und Sterbenden immer beizustehen ist, wenn diese es wünschen. Beistand bedeutet vor allem, Leidende während der dunkelsten Momente nicht alleine zu lassen. Wenngleich suizidale Handlungen abzulehnen sind, dürfen doch die Menschen, auch wenn sie solche Wünsche haben, im Moment ihrer körperlichen, seelischen und auch geistlichen Schwäche nicht alleine gelassen werden.
ERLÄUTERUNG
Diese pastorale Haltung scheint nur auf den ersten Blick in Widerspruch zu der in Pkt. 1 formulierten theologischen Überzeugung zu stehen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich die Unbedingtheit der Liebe Jesu gerade Sündern gegenüber: Ohne ihre Handlungen gut geheißen zu haben, galt er doch als „Freund der Sünder“ (Lk. 5,29-32; 15,1f. 19,6f.) und stand ihnen nahe. Viele dieser Menschen bekehrten sich gerade deshalb. (Mk. 15,39; Lk. 5,8). Jesus ruft zu einer solchen unbedingten Barmherzigkeit und Nächstenliebe auf (Mt. 22,39). Aus diesem Grund muss die Kirche sich angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen für eine möglichst vorbehaltlose Betreuung und Begleitung Sterbender entscheiden. (KKK 2279). Dies entspricht auch der wiederholten Aufforderung von Papst Franziskus, an „die Ränder“ zu gehen  und keine Angst zu haben, sich „die Hände schmutzig zu machen“.  

 

 

Beratung und Begleitung als konkretes soziales Unterstützungsangebot

 

Die aktuelle gesetzliche Lage wird dazu führen, dass man in der medizinischen, psychologischen, therapeutischen Beratung oder in der seelsorglichen Begleitung immer wieder Menschen mit Sterbewünschen begegnet. Diese können sehr verschieden ausgeprägt und sehr verschieden stabil sein. Oft gibt es nur das Bedürfnis, über solche Wünsche zu reden oder allgemein über die Möglichkeiten informiert zu werden. Es stellt sich die Frage, wie konkret mit solchen Situationen umzugehen ist. 
 

BEGRÜNDUNG

Allgemein sollte es von Seiten der Kirche Angebote eines ergebnisoffenen Gesprächs geben, damit sich Menschen auf der Suche nach einem ehrlichen Gespräch überhaupt in kirchliche Einrichtungen begeben. In diesen sollte vor allem zugehört werden. Nicht schnelle Antworten sind die Lösung, sondern Einfühlsamkeit und Verständnis. Eine ehrliche und lebensnahe Seelsorge darf nicht schon Antworten haben, bevor das Gespräch überhaupt beginnt. In solchen Gesprächen können sich jedoch schwierige Situationen ergeben. Wenn eine Person, die assistierten Suizid in Anspruch nehmen möchte, dafür einen wie auch immer gearteten Beistand ausdrücklich wünscht, bringt sie die christliche Seelsorgerin oder den christlichen Seelsorger in ein ethisches Dilemma. Zu beachten ist dabei jedoch, dass es, was eine Mitwirkung am assistierten Suizid betrifft, eine sehr verschiedene Nähe bzw. Direktheit gibt, Sie reicht von dem, was gesetzlich „Beihilfe“ bedeutet (Besorgen und Verabreichen des Präparates) bis hin zu einer bloßen Anwesenheit der Seelsorgerin während des assistierten Suizids. Das Dokument Samaritanus Bonus hält auch letztere um eines klaren Zeugnisses willen für nicht vertretbar. Während unmittelbarere Formen der Mitwirkung ausgeschlossen sind, kann es sein, dass Seelorgerinnen und Seelsorger sich im Gewissen verpflichtet fühlen, auch während des assistierten Suizids anwesend zu sein und dies im Sinn der Epikie für vertretbar halten. Seelsorgerinnen und Seelsorger, die in solchen Situationen eine individuelle und reflektierte Gewissensentscheidung treffen müssen, sind dabei zu unterstützen. Falls sie sich dann zu einem Bleiben entscheiden, ist dies als eine Möglichkeit, die bedingungslose Zuwendung Gottes zu jedem Menschen in jeder Situation sichtbar und erfahrbar zu machen, zu respektieren. Die Intention ihres Tuns richtet sich dann nicht auf die Unterstützung des Suizids, sondern auf die Person, die immer mehr ist als ihre konkrete Entscheidung, Seelsorgliche Begleitung in diesem Sinn darf aber nicht in direkte Suizid-Assistenz übergehen.

Beratung ist immer ergebnisoffen, Begleitung immer bedingungslos. Daher sehen wir hier die Möglichkeit, durch respektvolle Nähe und unseren wertschätzenden Lebensbezug eine Perspektive einzubringen, die – vielleicht auch nur vereinzelt – ein Überdenken der getroffenen Suizidentscheidung möglich macht.

ERLÄUTERUNG
Die eben erläuterte Positionierung misst dem individuellen Gewissen von Seelsorginnen und Seelsorgern einen hohen Stellenwert bei. Sie nimmt diese primär nicht in ihrer Funktion als Mitglieder einer Institution (eines Krankenhauses oder Pflegeheimes) in den Blick, das eigene Richtlinien erlassen kann, sondern als individuelle Menschen und getaufte Mitglieder des Volkes Gottes. In diesem Zusammenhang ist an die Ausführungen von Gaudium et Spes 16 über die Würde des Gewissens und seine grundsätzliche Fähigkeit zu erinnern, das Gesetz Gottes, das im Liebesgebot zusammengefasst ist, zu erkennen. (vgl. Mt. 22, 37-40; Gal. 5, 14; siehe auch KKK 1777) Zu erinnern ist auch daran, dass der Mensch nach kirchlicher Lehre seinem sicheren Gewissensurteil immer Folge zu leisten hat (KKK 1790) und „nicht daran gehindert“ werden sollte, „gemäß seinem Gewissen zu handeln“ (KKK 1783 unter Berufung auf DH3). Jedoch ist das Gewissen des Menschen zugleich fehlbar und muss so ständig geformt werden. Es braucht die Bereitschaft, immer wieder neu nach dem „Richtigen und Guten“ zu suchen (KKK 1788) und immer wieder die Anstrengung, die „Zeichen der Zeit“ im Licht des Heiligen Geistes richtig zu deuten (ebd.). Vor dem Hintergrund des Kirchenbildes des Zweiten Vatikanischen Konzils bedarf es der Bereitschaft zu kommunikativer Auseinandersetzung über diese Fragen in der Kirche selbst mit besonderer Berücksichtigung der kirchlichen Lehre und Autorität (KKK 1783).
Vertiefung
Vertiefung
SAMARITANUS BONUS 
KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE (14.7.2020)

Die pastorale Unterscheidung gegenüber denen, die um Euthanasie oder assistierten Suizid bitten:
Ein ganz besonderer Fall, bei dem es heute notwendig ist, die Lehre der Kirche zu bekräftigen, ist die pastorale Begleitung derjenigen, die ausdrücklich um Euthanasie oder assistierten Suizid gebeten haben. In Bezug auf das Sakrament der Buße und Versöhnung muss der Beichtvater sich vergewissern, dass es Reue gibt, die für die Gültigkeit der Lossprechung notwendig ist, und die als ein »Schmerz der Seele und ein Abscheu über die begangene Sünde, mit dem Vorsatz, fernerhin nicht mehr zu sündigen« [89] charakterisiert wird. In unserem Fall stehen wir vor einer Person, die über ihre subjektive Disposition hinaus die Wahl einer schwerwiegend unmoralischen Handlung getroffen hat und frei darin verharrt. Es handelt sich um eine offenkundige Indisposition für den Empfang der Sakramente der Buße und Versöhnung mit Lossprechung, [90] der Krankensalbung [91] sowie der Wegzehrung. [92] Die Person wird diese Sakramente in dem Moment erhalten können, wenn der Amtsträger, aufgrund ihrer Bereitschaft, konkrete Schritte zu unternehmen, zu dem Schluss kommt, dass der Büßer seine Entscheidung geändert hat. Dies bedeutet auch, dass eine Person, die sich in einem Verein registriert hat, um Euthanasie oder assistierten Suizid zu erhalten, die Absicht zeigen muss, diese Registrierung vor dem Empfang der Sakramente rückgängig zu machen. Man denke daran, dass die Notwendigkeit, die Lossprechung zu verschieben, kein Urteil über die Anrechenbarkeit der Schuld impliziert, da die persönliche Verantwortung vermindert sein oder gar nicht existieren könnte. [93] Im Fall, dass der Patient bereits bewusstlos ist, kann der Priester gegebenenfalls die Sakramente sub condicione spenden, wenn aufgrund eines zuvor von der kranken Person gegebenen Zeichens die Reue vermutet werden kann.

 

Diese Position der Kirche ist kein Zeichen für Mangel an Annahmebereitschaft gegenüber dem Kranken. Diese muss tatsächlich mit dem Angebot von immer möglicher Hilfe und Zuhören verbunden sein, die immer gewährt werden, zusammen mit einer vertieften Erklärung des Inhalts des Sakramentes, um der Person bis zum letzten Moment die Möglichkeit zu geben, um es wählen und verlangen zu können. In der Tat achtet die Kirche darauf, hinreichende Zeichen der Bekehrung zu prüfen, damit die Gläubigen vernünftigerweise um den Empfang der Sakramente bitten können. Man achte darauf, dass der Aufschub der Lossprechung auch ein heilender Akt der Kirche ist, der nicht darauf abzielt, den Sünder zu verurteilen, sondern ihn zu bewegen und zur Umkehr zu begleiten. Deshalb, selbst wenn sich eine Person nicht in objektiven Bedingungen für den Empfang der Sakramente befindet, ist eine Nähe erforderlich, die immer zur Umkehr einlädt. Insbesondere, wenn die angeforderte oder akzeptierte Euthanasie nicht in kurzer Zeit durchgeführt wird. Es besteht dann die Möglichkeit einer Begleitung, um die Hoffnung wiederbeleben und die falsche Entscheidung ändern zu lassen, so dass der Zugang zu den Sakramenten für den Kranken eröffnet wird. Es ist jedoch seitens derer, die diese Kranken spirituell begleiten, keine externe Geste zulässig, die als Zustimmung zur Handlung der Euthanasie interpretiert werden könnte, wie zum Beispiel zum Zeitpunkt ihrer Durchführung anwesend zu bleiben. Diese Anwesenheit kann nur als Mitwirkung interpretiert werden. Dieses Prinzip betrifft auf besondere Weise, aber nicht nur, die Krankenhausseelsorger der Einrichtungen, in denen die Euthanasie praktiziert werden kann. Diese Seelsorger dürfen keinen Anstoß geben, indem sie sich in irgendeiner Weise an der Beseitigung eines menschlichen Lebens mitwirkend zeigen.

THEOLOGISCHE GRUNDLAGEN:

II. VATIKANISCHES KONZIL, PASTORALE KONSTITUTION ÜBER DIE KIRCHE IN DER WELT VON HEUTE

Der Wesensstand des Menschen:
(über die Würde des Menschen, die sich auch in seiner Leiblichkeit und seinem Umgang damit äußert):
„In Leib und Seele einer, vereint der Mensch durch seine Leiblichkeit die Elemente der stofflichen Welt in sich: Durch ihn erreichen diese die Höhe ihrer Bestimmung und erheben ihre Stimme zum freien Lob des Schöpfers (vgl. Dn 3,57-90). Das leibliche Leben darf also der Mensch nicht geringachten; er muss im Gegenteil seinen Leib als von Gott geschaffen und zur Auferweckung am Jüngsten Tag bestimmt für gut und der Ehre würdig halten. Durch die Sünde aber verwundet, erfährt er die Widerstände seiner Leiblichkeit. Daher verlangt die Würde des Menschen, dass er Gott in seinem Leibe verherrliche (vgl. 1 Kor 6, 13-20) und ihn nicht den bösen Neigungen seines Herzens dienen lasse.“  

 

Die Würde des sittlichen Gewissens:
„Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird (vgl. Röm 2, 15-16). Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat (vgl. Mt 22, 37-40; Gal 5, 14). Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten. Nicht selten jedoch geschieht es, dass das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne dass es dadurch seine Würde verliert.“   

 

Die hohe Bedeutung der Freiheit:
„Aber nur frei kann der Mensch sich zum Guten hinwenden. Und diese Freiheit schätzen unsere Zeitgenossen hoch und erstreben sie leidenschaftlich. Mit Recht. Oft jedoch vertreten sie sie in verkehrter Weise, als Berechtigung, alles zu tun, wenn es nur gefällt, auch das Böse. Die wahre Freiheit aber ist ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen: Gott wollte nämlich den Menschen ‚in der Hand seines Entschlusses lassen‘ (vgl. Sir 15, 14), so dass er seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange. Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang. Eine solche Würde erwirbt der Mensch, wenn er sich aus aller Knechtschaft der Leidenschaften befreit und sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt sowie sich die geeigneten Hilfsmittel wirksam und in angestrengtem Bemühen verschafft. Die Freiheit des Menschen, die durch die Sünde verwundet ist, kann nur mit Hilfe der Gnade Gottes die Hinordnung auf Gott zur vollen Wirksamkeit bringen. Jeder aber muss vor dem Richterstuhl Gottes Rechenschaft geben von seinem eigenen Leben, so wie er selber Gutes oder Böses getan hat (vgl. 2 Kor 5, 10).“ 

KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE

Über die Erschaffung des Menschen als leibliches und beseeltes Wesen heißt es im KKK :
364 Der Leib des Menschen hat an der Würde des Seins „nach dem Bilde Gottes“ teil: er ist eben deswegen menschlicher Leib, weil er durch die geistige Seele beseelt wird. Die menschliche Person ist als ganze dazu bestimmt, im Leibe Christi zum Tempel des Geistes zu werden [Vgl. 1 Kor 6,19-20; 15,44-45.].


„In Leib und Seele einer, vereint der Mensch durch seine leibliche Verfasstheit die Elemente der stofflichen Welt in sich, so dass sie durch ihn ihren Höhepunkt erreichen und ihre Stimme zum freien Lob des Schöpfers erheben. Das leibliche Leben darf also der Mensch nicht geringachten; er muss im Gegenteil seinen Leib als von Gott geschaffen und zur Auferweckung am Jüngsten Tag bestimmt für gut und der Ehre würdig halten“ (GS 14,1).


365 Die Einheit von Seele und Leib ist so tief, dass man die Seele als die ,,Form“ des Leibes [Vgl. K. v. Vienne 1312: DS 902.] zu betrachten hat, das heißt die Geistseele bewirkt, dass der aus Materie gebildete Leib ein lebendiger menschlicher Leib ist. Im Menschen sind Geist und Materie nicht zwei vereinte Naturen, sondern ihre Einheit bildet eine einzige Natur.

 

Das menschliche Leben ist heilig und ein Geschenk Gottes:
2258 „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an ,der Schöpfermacht Gottes‘ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel. Nur Gott ist der Herr des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende: Niemand darf sich, unter keinen Umständen, das Recht anmaßen, ein unschuldiges menschliches Wesen direkt zu zerstören“ (DnV intr. 5) (Vgl. dazu auch 356).

Rechtslage in Österreich
Rechtslage in Österreich

Das Verbot der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ (§ 78 StGB, 2. Tatbestand) wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.12.2020 als verfassungswidrig aufgehoben. Ab 1.1.2022 ist daher die Hilfeleistung zum Suizid grundsätzlich erlaubt. Weiterhin verboten ist das Verleiten zum Suizid (§ 78 StGB, 1 Tatbestand) und die Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB).

Dem Gesetzgebar ist es gestattet, Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch zu erlassen. Weiterhin in Kraft bleiben alle anderen bis dahin geltenden gesetzlichen Regelungen zu Lebensende. Zu diesen zählen folgende Bestimmungen:

  • Niemand darf gegen seinen Willen behandelt werden (§ 110 StGB).
  • Mittels Patientenverfügung dürfen medizinische Behandlungen bereits im Vorhinein für den Fall abgelehnt werden, dass der Patient seine Entscheidungs- oder Äußerungsfähigkeit verliert.
  • Mittels Vorsorgevollmacht kann eine Vertrauensperson bevollmächtigt werden, für den Patienten im Falle des Verlusts der Entscheidungs- oder Äußerungsfähigkeit zu entscheiden.
  • Pflegende Angehörige haben Anspruch auf Familienhospizkarenz.
  • Die Tötung aus Mitleid ist verboten (§ 75 StGB).
  • Die Tötung auf Verlangen ist verboten (§ 77 StGB).
  • Im Rahmen der Palliativmedizin steht die Schmerzlinderung gegenüber einem Risiko der Lebensverkürzung im Vordergrund (§ 49a ÄrzteG).

Gesetzestext (ris.bka.gv.at)

Fragen
Fragen

In seinem Urteil vom 11.12.2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Verbot der Suizidbeihilfe (gem. § 78 StGB) mit Ablauf des 31.12.2021 als verfassungswidrig aufgehoben. Das umfassende Verbot der Suizidbeihilfe widerspreche dem Selbstbestimmungsrecht, argumentierte der VfGH. Das Verbot der Tötung auf Verlangen (gem. § 77 StGB) wurde nicht aufgehoben. Das Gericht gab dem Gesetzgeber die Möglichkeit Rahmenbedingungen für Suizidbeihilfe zu schaffen. Das entsprechende Gesetz mit dem Titel Sterbeverfügungsgesetz trat mit 1.1.2022 in Kraft.

 

Wann darf straffrei Suizidassistenz geleistet werden?

Variante 1 mittels der tödlichen Dosis eines Präparats aus der Apotheke:

 

Voraussetzungen der sterbewilligen Person (gem. § 6 StVfG)

  • Die suizidwillige Person muss volljährig und entscheidungsfähig sein
  • Der gefasste Entschluss muss frei und selbstbestimmt sein
  • Die sterbewillige Person muss
  1. an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder
  2. an einer schweren, dauerhaften Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen

 

Feststellung der Selbstbestimmung und Aufklärung/Beratung (gem. § 7 StVfG)

  • Die sterbewillige Person muss durch zwei Ärzte aufgeklärt werden.
  • Einer der beiden Ärzte muss über eine palliative Fachqualifikation verfügen.
  • Beide Ärzte müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass der Entschluss zum Suizid frei und selbstbestimmt ist
  • Die sterbewillige Person muss aufgeklärt werden über:
  1. Behandlungs- oder Handlungsalternativen, insbesondere Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen, sowie einen Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder auf andere Vorsorgeinstrumente, insbesondere Vorsorgevollmacht und Vorsorgedialog
  2. die Dosierung des Präparats (§ 3 Z 9) und die für die Verträglichkeit des Präparats notwendige Begleitmedikation,
  3. Art der Einnahme des Präparats (§ 3 Z 9), Auswirkungen und mögliche Komplikationen bei der Einnahme des Präparats und dass mit einer Patientenverfügung lebensrettende Behandlungen abgelehnt werden können,
  4. einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für
    suizidpräventive Beratung, und
  5. einen Hinweis auf allfällige weitere im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote.

 

Errichtung der Sterbeverfügung (gem. § 8 StVfG)

  • nach einer Wartefrist von 12 Wochen nach der Beratung (im Fall die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase eingetreten ist, ist eine Errichtung nach zwei Wochen zulässig)
  • Errichtung einer Sterbeverfügung vor einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen

 

Abgabe der tödlichen Dosis des Präparats durch die Apotheke (gem. § 11 StVfG)

  • Ein Präparat kann unter Vorlage der Sterbeverfügung in einer Apotheke an die sterbewillige Person selbst oder eine von ihr in der Sterbeverfügung bestimmte Person (die Hilfe leistende Person) abgegeben werden.
     
  • Das Mittel muss selbstständig oral zugeführt werden. Ist dies z.B. aufgrund von Schluckproblemen nicht möglich, ist auch eine andere Verabreichung, etwa über eine Sonde erlaubt. Allerdings muss in diesem Fall die sterbewillige Person selbst diese Sonde auslösen.

 

Variante 2 Suizidassistenz auf andere Weise als durch das Präparat aus der Apotheke

 

Voraussetzungen der sterbewilligen Person (gem. § 6 StVfG)

 

  • Die suizidwillige Person an muss volljährig und entscheidungsfähig sein
  • Der gefasste Entschluss muss frei und selbstbestimmt sein
  • Die sterbewillige Person muss
  1. an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder
  2. an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen

 

Feststellung der Selbstbestimmung und Aufklärung/Beratung (gem. § 7 StVfG)

 

  • Die sterbewillige Person muss durch zwei Ärzte aufgeklärt werden.
  • Einer der beiden Ärzte muss über eine palliative Fachqualifikation verfügen.
  • Beide Ärzte müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass der Entschluss zum Suizid frei und selbstbestimmt ist
  • Die sterbewillige Person muss aufgeklärt werden über:
  1. Behandlungs- oder Handlungsalternativen, insbesondere Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen, sowie einen Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder auf andere Vorsorgeinstrumente, insbesondere Vorsorgevollmacht und Vorsorgedialog
  2. die Dosierung des Präparats und die für die Verträglichkeit des Präparats notwendige Begleitmedikation,
  3. Art der Einnahme des Präparats, Auswirkungen und mögliche Komplikationen bei der Einnahme des Präparats und dass mit einer Patientenverfügung lebensrettende Behandlungen abgelehnt werden können,
  4. einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für suizidpräventive Beratung, und
  5. einen Hinweis auf allfällige weitere im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote.

Erfüllt die Person die Voraussetzungen und hat eine entsprechende Beratung stattgefunden, ist Suizidassistenz bei anderen Formen des Suizids auch ohne Errichtung der Sterbeverfügung straffrei (gem. § 78 Abs. 2 3. Satz StGB).

Wie lange behält eine Sterbeverfügung ihre Gültigkeit?

Die Sterbeverfügung verliert ihre Gültigkeit, wenn sie die sterbewillige Person widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll, sowie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung.

Wie ist die Gewissensfreiheit im Sterbeverfügungsgesetz geschützt?

  • Keine natürliche oder juristische Person ist verpflichtet, eine Hilfeleistung zum Suizid zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken (gem. § 2 StVfG).
     
  • Keine natürliche oder juristische Person darf wegen einer Hilfeleistung zum Suizid, einer ärztlichen Aufklärung oder der Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung oder der Weigerung, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden (gem. § 2 StVfG).

In welchen Fällen ist Beihilfe zum Suizid weiterhin strafbar? (§78 StGB)

  • Das Verleiten einer Person dazu, sich selbst zu töten
  • Hilfe zur Selbsttötung bei
  1. einer minderjährigen Person,
  2. einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund (beispielsweise um sich selbst zu bereichern)
  3. einer Person, die nicht an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen,
  4. die nicht gemäß § 7 StVfG ärztlich aufgeklärt wurde.
Grundlagen und Handlungsperspektiven
Grundlagen und Handlungsperspektiven
  • Assistenz zum Leben geben > Lebenshilfe statt Tötungshilfe

  • Würde des Menschen bewahren > heilsames Gegenüber statt tötendes Gegenüber
  • gesellschaftliches Bewusstsein für die Fragilität des Lebens schaffen > Kultur des Beistandes und der Begleitung statt gesellschaftlichem Druck der Belastung, Existenzrechtfertigung oder Kommerzialisierung

Zum Kern des christlichen Glaubens gehört die Überzeugung, dass Gott alle Menschen dazu geschaffen hat, ihr Leben und die Welt in Freiheit, Verantwortung und Liebe zu gestalten und so zu einem erfüllten Dasein zu finden, das sie in allen seinen Phasen bejahen können. Am Ende des Lebens, so unser Glaube, kehren wir Menschen zu Gott, unserem Ursprung, zurück: In die Liebe, aus der wir kommen. Aus diesem Vertrauen heraus verpflichten wir uns zu einem umfassenden Schutz des Lebens

In ihrer Erklärung zum „Tag des Lebens 2021“ benennen die katholischen Bischöfe Österreichs die entscheidenden Perspektiven im Umgang mit der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes:

 

 „Im Wesentlichen geht es darum, menschliche Nähe zu schenken, Schmerzen zu lindern und eine tatsächliche Autonomie zu gewährleisten. Wir müssen Einsamkeit bekämpfen und auch An- und Zugehörige in dieser herausfordernden Situation entlasten. Es geht darum, Todeswünsche ernst zu nehmen und trotzdem innerhalb schwieriger Umstände ein Mindestmaß an Lebens-Zuversicht zu vermitteln. All das ist Teil einer notwendigen Begleitung für ein tatsächlich „menschenwürdiges Sterben“.

 

Wir begegnen Suizidwilligen mit Achtung und nehmen den Wunsch nach einem assistierten Suizid ernst. Menschen, die sich uns anvertraut haben, können auch diesen Wunsch ohne Angst äußern.

 

Wir hören diese Wunschäußerung als einen Ruf nach Zuwendung, Klärung oder Entlastung und suchen gemeinsam mit dem Suizidwilligen nach hilfreichen Lösungswegen.

 

Leistbarer und flächendeckender Zugang zu einem breit gefächerten Angebot in der Beratung, Begleitung, Seelsorge, Hospiz- und Palliativversorgung sind die beste Antwort auf Wünsche zur frühzeitigen Beendigung des Lebens und stellt somit ein wichtiges Angebot der Suizidprävention dar.

 

Samaritanus bonus: Die theologische Grundlage aus Rom

 

 

Spannungsfelder

  • Wunsch des Suizidwilligen nach Beistand eines Seelsorgers
  • Konflikt des Seelsorgers zwischen Haltung und Beistand
  • Konflikt des Seelsorgers besonders bei Naheverhältnissen
  • Assistenz zum Leben geben > Lebenshilfe statt Tötungshilfe

  • Würde des Menschen bewahren > heilsames Gegenüber statt tötendes Gegenüber
  • gesellschaftliches Bewusstsein für die Fragilität des Lebens schaffen > Kultur des Beistandes und der Begleitung statt gesellschaftlichem Druck der Belastung, Existenzrechtfertigung oder Kommerzialisierung

Zum Kern des christlichen Glaubens gehört die Überzeugung, dass Gott alle Menschen dazu geschaffen hat, ihr Leben und die Welt in Freiheit, Verantwortung und Liebe zu gestalten und so zu einem erfüllten Dasein zu finden, das sie in allen seinen Phasen bejahen können. Am Ende des Lebens, so unser Glaube, kehren wir Menschen zu Gott, unserem Ursprung, zurück: In die Liebe, aus der wir kommen. Aus diesem Vertrauen heraus verpflichten wir uns zu einem umfassenden Schutz des Lebens

In ihrer Erklärung zum „Tag des Lebens 2021“ benennen die katholischen Bischöfe Österreichs die entscheidenden Perspektiven im Umgang mit der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes:

 

 „Im Wesentlichen geht es darum, menschliche Nähe zu schenken, Schmerzen zu lindern und eine tatsächliche Autonomie zu gewährleisten. Wir müssen Einsamkeit bekämpfen und auch An- und Zugehörige in dieser herausfordernden Situation entlasten. Es geht darum, Todeswünsche ernst zu nehmen und trotzdem innerhalb schwieriger Umstände ein Mindestmaß an Lebens-Zuversicht zu vermitteln. All das ist Teil einer notwendigen Begleitung für ein tatsächlich „menschenwürdiges Sterben“.

 

Wir begegnen Suizidwilligen mit Achtung und nehmen den Wunsch nach einem assistierten Suizid ernst. Menschen, die sich uns anvertraut haben, können auch diesen Wunsch ohne Angst äußern.

 

Wir hören diese Wunschäußerung als einen Ruf nach Zuwendung, Klärung oder Entlastung und suchen gemeinsam mit dem Suizidwilligen nach hilfreichen Lösungswegen.

 

Leistbarer und flächendeckender Zugang zu einem breit gefächerten Angebot in der Beratung, Begleitung, Seelsorge, Hospiz- und Palliativversorgung sind die beste Antwort auf Wünsche zur frühzeitigen Beendigung des Lebens und stellt somit ein wichtiges Angebot der Suizidprävention dar.

 

Samaritanus bonus: Die theologische Grundlage aus Rom

 

 

Spannungsfelder

  • Wunsch des Suizidwilligen nach Beistand eines Seelsorgers
  • Konflikt des Seelsorgers zwischen Haltung und Beistand
  • Konflikt des Seelsorgers besonders bei Naheverhältnissen
Begriffsdefinitionen

Nachstehend finden Sie zentrale Begriffe rund um das Thema.
Klicken Sie bitte auf den Begriff, um jeweils die Erläuterungen einzublenden.
 

Sterbeverfügung

In Analogie zur Patientenverfügung besteht die Möglichkeit, bei Notar*innen oder bei der Patientenanwaltschaft eine sogenannte Sterbeverfügung zu erstellen, in der eine sterbewillige Person ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss festhält, ihr Leben zu beenden.
 

Voraussetzungen dafür sind Volljährigkeit und Entscheidungsfähigkeit, sowie eine Beratung durch zwei unabhängige Ärzt*innen. Eine(r) dieser Ärzte bzw. Ärztinnen muss über eine palliativmedizinische Qualifikation verfügen. Die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person muss ärztlich bestätigt werden. Bestehen bei einem bzw. einer der beratenden Ärzt*innen Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit der Person, muss eine psychiatrische oder psychologische Expertise eingeholt werden.
 

Eine Sterbeverfügung kann nur eine Person errichten, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen; wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt.
 

Eine Sterbeverfügung kann wirksam frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung (§ 7) errichtet werden. Hat eine ärztliche Person bestätigt, dass die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase eingetreten ist, so ist eine Errichtung bereits nach zwei Wochen zulässig. Die Sterbeverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie die sterbewillige Person widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll, sowie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung.
 

Mit einer aufrechten Sterbeverfügung sind sterbewillige Personen, die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, berechtigt, ein letales Präparat (Natrium-Pentobarbital, Nembutal®) über eine Apotheke zu beziehen. Das Mittel muss selbstständig oral zugeführt werden. Ist dies z.B. aufgrund von Schluckproblemen nicht möglich, ist auch eine andere Verabreichung, etwa über eine Sonde erlaubt. Allerdings muss in diesem Fall die sterbewillige Person selbst diese Sonde auslösen.

Suizidalität

Im WHO Report zur Suizidprävention werden suizidales Verhalten mit Suizidgedanken, Suizidplänen und Suizidversuchen sowie der vollendete Suizid unterschieden. Unter Suizidgedanken werden alle Gedanken daran verstanden, sich das Leben zu nehmen. Suizidale Gedanken sind nicht stabil, sondern in der Intensität zeitlich schwankend.


Sie sind bei vielen Betroffenen auch nicht anhaltend. Suizidpläne umfassen die konkrete Planung der Durchführung des Suizids. Der Begriff des Suizidversuchs umfasst nach der Definition der WHO jegliches nicht tödliche suizidale Verhalten und bezieht sich auf eine bewusst selbst zugefügte Vergiftung, Verletzung oder jede andere Selbstschädigung, die einen tödlichen Ausgang haben kann, aber nicht muss. Dies umfasst zum einen Handlungen, aus denen ohne Intervention von Dritten eine Selbstschädigung erfolgen würde. Zum anderen schließt dies die Einnahme von Substanzen in Dosen, die über der allgemein als therapeutisch benannten Dosis liegen, mit dem Ziel der Selbsttötung ein.

Ursachen

Das Suizidrisiko ist bei allen psychischen Erkrankungen erhöht (Psychosen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen). Der Anteil psychiatrischer Erkrankungen an Suiziden ist schwer einzuschätzen, in den publizierten Studien schwankt der Anteil der als depressiv eingeschätzten Menschen zwischen 15% bis 95% der Suizide.

 

Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum an Risikofaktoren, die zu suizidalem Verhalten beitragen: systemische, gesellschaftliche, kommunale, beziehungsbezogene bis zu individuellen Risikofaktoren (z.B. psychische und körperliche Erkrankungen, Sucht, Trennungen und Verluste, Suizide im näheren Umfeld). Belastende und traumatisierende Ereignisse oder sogar die Angst vor solchen Ereignissen können Suizidgedanken und/oder suizidale Handlungen auslösen. Auch die Darstellung von prominenten Suiziden oder besonderen Suizidmethoden in den Medien kann weitere (nachahmende) Suizide zur Folge haben.

 

Für Suizide von alten Menschen (Alterssuizide) und Menschen mit schweren Erkrankungen wurde der Begriff des Bilanzsuizides geprägt, nach dem Menschen für sich eine negative Bilanz ihrer Lebenssituation ziehen und damit den Entschluss zum Suizid begründen. Dieser Begriff ist sehr umstritten, von einigen Experten der Suizidprävention wird das Konzept des Bilanzsuizids abgelehnt, denn der Vorgang des Bilanzierens beschreibt hier nicht immer eine adäquat abgewogene und wohl begründete Entscheidungsbasis. Ursachen für Suizide bei älteren Menschen können u.a. Verlust von Lebenssinn, Gefühl von Wertlosigkeit, eigene Gebrechlichkeit, Demoralisierung und das Gefühl, nur eine Last zu sein bzw. lediglich Kosten zu verursachen, sein. Bei Menschen mit einer (fortgeschritten) lebenslimitierenden Erkrankung finden sich akute Belastungen durch nicht erträgliche Symptome sowie eine Reihe von Ängsten als Ursachen: Angst vor Autonomie- und Kontrollverlust, Angst anderen zur Last zu fallen, Angst vor Würdeverlust und Angst vor unerträglichem Leid.

Suizidprävention

Nicht jeder Mensch, der einen Sterbewunsch, welcher Art und Intensität auch immer, äußert oder anders signalisiert, will auch wirklich sterben.

 

Es gibt ganz unterschiedliche Arten und Ausprägungen von Todeswünschen, Suizidwünschen oder Sterbewünschen, mit unterschiedlichem Handlungsdruck und verschiedenen Funktionen. Suizidgefährdung kann minimiert werden, wenn Betroffene sich auf eine Behandlung/Unterstützung einlassen.

 

Nicht immer können Suizidgefährdete dazu bewegt werden, dass sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Diese Hilfe kann ambulant oder stationär erfolgen, mit psychotherapeutischen Gesprächen und pharmakologischer Behandlung.

 

Suizidprävention umfasst aber mehr als die Hilfe im Einzelfall. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) versteht Suizidprävention als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Als eines der wirksamsten Mittel wird die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (z.B. Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken) beschrieben. Ebenso wichtig sind niedrigschwellige Behandlungsangebote, Fortbildungen in den medizinischen und psychosozialen Berufen, Früherkennung von psychischen Erkrankungen, die Beobachtung/Beschränkung von “Suizidforen” (z.B. in sozialen Medien) und nicht zuletzt ein gesellschaftliches Klima, in welchem die Suizidproblematik wahr- und ernst genommen wird.

 

Durch die Förderung von Teilhabe älterer Menschen am sozialen Leben kann das Gefühl der Sinn- und Nutzlosigkeit minimiert werden.

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Für den Inhalt verantwortlich:

Nicole Meissner, MSc BA

 

Redaktion:

Mag. Katarzyna Kuban

 

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