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20.08.2019 · Glaube · Spiritualität

Ketzer - Meister Eckhart und das Brennen der Seele in Gott

Der Triumph der streitenden Kirche. zeigt sich in der dominikanischen Verkündigung der Wahrheit gegenüber der Häresie. Der Predigerorden war insbesondere mit Ketzer-bekämpfung und Inquisition beauftragt. –
Fresko in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz von Andrea de Firenze, 14. Jh.

Weil seine deutschen Predigten zur Ketzerei verleiten hätten können, eröffnete
der Erzbischof von Köln ein Inquisitionsverfahren gegen den Meister.

 

 

 

Meister Eckhart stammte aus Thüringen und schloss sich in jungen Jahren dem Orden der Predigerbrüder in Erfurt an. Seine Ausbildung führte ihn von Erfurt nach Köln und Paris.

 

Nach seinen Studien- und Lehrjahren in Paris, dem damaligen geistigen Zentrum, wurde er Prior des Erfurter Dominikanerklosters und Vikar von Thüringen.

 

1302/03 lehrte er in Paris, was ihm den Titel Magister, Meister, einbrachte.1303 wurde er in Erfurt zum Provinzial gewählt, in der Folge war er für mehrere Klostergründungen verantwortlich. 1311–1313 lehrte er neuerdings am nichtfranzösischen Dominikanern vorbehaltenen Lehrstuhl in Paris.

 

Anschließend wirkte er als Prediger und Vikar in Straßburg und am Oberrhein, wo er auch Frauenkonvente visitierte. Seine Reisen legte er gemäß den Regeln der Dominikaner zu Fuß zurück.


Lese- und Lebemeister

Der Ordensmann war berühmt und als Prediger und Seelsorger, in den Ämtern seines Ordens und als Theologieprofessor und Philosoph hoch angesehen und beliebt. Zeitgenossen rühmten ihn als „Lese- und Lebemeister“. Zweimal wurde er von seinem Orden auf den Pariser Lehrstuhl für Theologie entsandt, soviel Ehre wurde vor ihm nur Thomas von Aquin (1225–1274) zuteil.


Von Ordensbrüdern angezeigt

Ab etwa 1324 lehrte und predigte Eckhart in Köln. Ordensbrüder denunzierten ihn beim Erzbischof wegen angeblich häretischer Glaubensaussagen. Heinrich II. von Virneburg leitete daraufhin ein Inquisitionsverfahren gegen den berühmten Theologen ein. Der Erzbischof hatte sich einen Ruf als Ketzerbekämpfer verschafft in der Verfolgung von Beginen und Begarden, die er am Scheiterhaufen verbrennen oder im Rhein ertränken ließ.

 

Im Verfahren gegen Eckhart wurden Listen mit beanstandeten Auszügen aus seinen lateinischen und deutschen Werken und Predigten vorgelegt. Eckhart verfasste dazu seine Rechtfertigungsschrift und appellierte an das päpstliche Gericht.

 

Er reiste nach Avignon, wo aus dem Inquisitionsverfahren ein Zensurverfahren wurde. 1327 kam es in seiner Anwesenheit zur Anhörung vor der päpstlichen Theologenkommission über 28 beanstandete Aussagen.


Eckharts Tod

Eckhart starb wahrscheinlich Anfang 1328 in Avignon oder auf der Heimreise noch vor dem fatalen Ende seines Verfahrens. Der in Avignon residierende Papst Johannes XXII. (1316–1334) verurteilte 1329 mit einer Bulle siebzehn Sätze Eckharts als häretisch und elf als häresieverdächtig. Eckharts Werk geriet dadurch in Verruf und Vergessenheit.

 

Nur wenige hatten nach dem Urteil den Mut zur Beschäftigung damit, einer von ihnen war Nikolaus von Kues (1401–1464). Eckharts Schriften wurden erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. 


 

Zitate

Gott und ich, wir sind eins. Durch das Erkennen nehme ich Gott in mich hinein; durch die Liebe hingegen gehe ich in Gott ein. … Gott und ich, wir sind eins in solchem Wirken; er wirkt, und ich werde.

 

Das Feuer verwandelt in sich, was ihm zugeführt wird, und dies wird zu seiner Natur. Nicht das Holz verwandelt das Feuer in sich, vielmehr verwandelt das Feuer das Holz in sich. So auch werden wir in Gott verwandelt, so dass wir ihn erkennen werden, wie er ist (1 Joh 3,2).
Meister Eckhart in einer Predigt


Der Mensch soll keinen gedachten Gott haben und sich damit begnügen, denn wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch dieser Gott; sondern man soll einen anwesenden Gott haben, der weit über den Gedanken des Menschen und aller Geschöpfe ist.
Meister Eckhart, Reden der Unterweisung


Kein Gefäß kann zweierlei Trank in sich fassen. Soll es Wein enthalten, so muss man notgedrungen das Wasser ausgießen … Darum: Sollst du göttliche Freude und Gott aufnehmen, so musst du notwendig die Kreaturen ausgießen.
Meister Eckhart, Buch der göttlichen Tröstung


Ich, Meister Eckhart, Doktor der heiligen Theologie, erkläre vor allen Dingen, indem ich Gott zum Zeugen anrufe, dass ich jeglichen Irrtum im Glauben und jegliche Ausschreitung im Wandel immerdar, so viel es mir nur möglich gewesen ist, verabscheut habe, da solcherlei Verirrungen meinem Stande als Doktor und Ordensmitglied widerstritten haben und noch widerstreiten.
Erklärung von Meister Eckhart im Februar 1327 von der Kanzel der Kölner Dominikanerkirche


Er sprach aus der Ewigkeit, und ihr vernahmt es nach der Zeit..
Johannes Tauler (1300–1361) über Eckhart


 

Kurzkommentar

von em. Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer lehrte Dogmatische Theologie an der Uni Wien

 

 

Wieso kam der große Theologe und Mystiker in die Schublade der Ketzer? Er war einer der ersten, der vor allem für die Dominikanerinnen und für das Volk in deutscher Sprache predigte. Er liebte spitze Formulierungen, die zum Nachdenken führen sollten, die man deshalb auch missverstehen konnte.

 

Aber seine Themen betrafen die innerste Vereinigung des Christen mit Gott. In einer seiner Predigten fasste er sein Anliegen in vier Punkte zusammen: „Wenn ich predige, so pflege ich zu sprechen:

  1. von Abgeschiedenheit und dass der Mensch ledig werden soll seiner selbst und aller Dinge.
     
  2. Zum zweiten, dass man wieder eingebildet werden soll in das einfaltige Gut, das Gott ist.
     
  3. Zum dritten, dass man des großen Adels gedenken soll, den Gott in die Seele gelegt hat, auf dass der Mensch damit auf wunderbare Weise zu Gott komme.
     
  4. Zum vierten von der Lauterkeit göttlicher Natur – welcher Glanz in göttlicher Natur sei, das ist unaussprechlich. Gott ist ein Wort, ein unausgesprochenes Wort.“

 

Zwei Mitbrüder Eckharts, die mit der Visitation durch Eckhart als Oberer unzufrieden waren, haben den Meister beim Erzbischof von Köln Heinrich von Virneburg als Häretiker denunziert. Eckhart hat schließlich an den Papst als oberste Instanz appelliert und sich selbst nach Avignon begeben, wo er auch im Frühjahr 1328 gestorben ist.

 

26 aus dem Zusammenhang gerissen Sätze, wurden am 27.3.1329 als häretisch oder häresieverdächtig verurteilt. Aber diese Verurteilung ist sicher gesamtkirchlich niemals rechtskräftig geworden, wie historische Untersuchungen ergaben. Außerdem geben die zensurierten Sätze nicht die Lehre des Meisters authentisch wieder.

 

Eine Kommission des Dominikanerordens nannte ihn 1992 zu Recht einen „homo doctus et sanctus“, einen gelehrten und heiligen Mann.

erstellt von: Der SONNTAG / Elisabeth Pernkopf
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Weitere Informationen:

Meister Eckhart; zeitgenössischer Holzschnitt


Ketzer-Wissen

Die Geburt Gottes im Seelengrund

Was sagt einem ein Vorgang von vor Jahrhunderten, wie die Geburt des Gottessohnes in Betlehem? Theologie und Predigten beziehen sich auf lang zurückliegende Vorgänge.

 

Wie verwirklichen sich Menschwerdung und Erlösung in der je eigenen Zeit für einen selbst, in der Seele des Menschen? Gottesgeburt war für Meister Eckhart ein gegenwärtiges Ereignis, sie geschieht „in derselben Weise in der Seele, wie sie in der Ewigkeit geschieht, nicht weniger und nicht mehr, denn es ist eine Geburt“.


An die Grenzen der Sprache

Eckhart war kühn in seinen Aussagen, er suchte kaum Sagbares an Erfahrung und göttlichem Geheimnis auszusprechen und ging dafür an sprachliche Grenzen. Seine Paradoxien regten zu schärferem Nachdenken an.

 

Durch sein Predigen in der Volkssprache erreichte Eckhart viele Menschen, die fromm und wenig gebildet waren und kein Latein konnten. Das Predigen in Muttersprache war ihm so wichtig, dass er viele seiner deutschen Predigten auch schriftlich hinterließ.


Das Einssein der Seele mit Gott

Im tiefsten Wesen des Menschen liegt das, was Eckhart „Seelengrund“ nennt. Er ist unerschaffen, wie „ein Fünklein übersinnlicher Erkenntnis, das nimmer erlischt“.

 

Wenn sich der Mensch dessen bewusst wird, geschieht die Gottesgeburt in der Seele. Sie ist bewirkt von Gott selbst, und „wo der Vater seinen Sohn in mir gebiert, darin bin ich derselbe Sohn und nicht ein anderer“. Es kommt zur Einheit von Gott und der „Sohn“ gewordenen Seele.

 

Wenn sich Gott im Menschen gebiert, ist das bei Eckhart kein außergewöhnliches Ereignis für außergewöhnliche Menschen. „Gott ist in jeder Seele gegenwärtig, er gehört zu ihrem Wesen.“ Von daher sagt Eckhart auch jedem Menschen – und sei er angeblich noch so erbärmlich – unverlierbare Würde zu.


Verfinsterungsverdacht

Eckharts Lehre von der Gottesgeburt in der Seele ging auf die Theologie der Kirchenväter zurück und konnte deshalb nicht verurteilt werden. Seine damit verbundene Auslegung von Gottessohnschaft war den päpstlichen Zensoren allerdings zu viel.

 

Dem Papst kam es mehr auf die pastorale Wirkung Eckharts an als auf die theologische Richtigkeit. In der Verurteilungsbulle heißt es: „Dieser Mann hat im Widerspruch mit der sonnenklaren Wahrheit des Glaubens auf dem Acker der Kirche Dornen und Disteln angesät und mit großem Fleiße Gift und Unkraut in die Halme schießen lassen: er hat vieles gelehrt, was den rechten Glauben in den Herzen der Menge verfinstern musste, hat es offen vor dem einfältigen Volk in seinen Predigten dargelegt und auch in Schriften aufgezeichnet.“


Der Mystiker

Bei der Wiederentdeckung von Eckharts Werken, die nur teilweise überliefert sind, fand man im 19. Jahrhundert zunächst seine deutschen Predigten und Traktate, dann erst seine lateinischen Werke. Diese Reihenfolge hat mit dazu beigetragen, Eckhart vor allem als Mystiker zu verstehen.


Der Philosoph

Der Mittelalterkenner Kurt Flasch problematisiert die Bezeichnung „Mystiker“ für Meister Eckhart. Eckhart hatte den Anspruch, mit philosophischen Argumenten die Wahrheit des christlichen Glaubens aufzuweisen.

 

Er legte den christlichen Glauben und die biblischen Schriften mit Hilfe philosophischer Argumente aus – bis hin zur Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes. Begriffe wie „Gott“ und „Seele“, „Menschwerdung“ und „Erlösung“ nehmen damit auch einen Sinn an, der sich aus dem Werk Eckharts erschließt. Für Flasch ist Eckhart ein Philosoph des Christentums. 



 

Glaubenswissen


 

weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
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Ein Heiliger, der die Hand reicht – auch anderen Konfessionen und Religionen, wird er doch in der Ostkirche ebenso verehrt wie im Westen.

Papst mahnt: Synodaler Weg braucht mehr innerdeutschen Dialog

Papst Leo XIV. sieht den Reformprozess der deutschen Kirche noch nicht am Ziel. Beim Rückflug aus dem Libanon mahnte er mehr innerdeutschen Dialog an – und warnte vor Machtgefällen, die Stimmen vieler Gläubiger zum Verstummen bringen könnten. Vielfalt in der Synodalität sei kein Bruch, sondern Stärke.

Grünwidl: Kirche und Medien teilen Verantwortung für Wahrheit

Kirche und Medien tragen gemeinsam Verantwortung für Wahrheit, betonte der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl bei der Adventbegegnung mit ORF-Mitarbeitern.

Bürgermeister Ludwig: Bibelerzählung von Sturm am See „Anleitung für Politiker“

Herausforderungen mit kühlem Kopf zu meistern und die Nerven nicht wegzuschmeißen, könne man von der Bibel lernen, so der Wiener Bürgermeister bei der „Nacht der Stille“ im Stephansdom.

Votivkirche: Palästina-Banner entfernt

Spezialkletterer entfernten palästinensische Fahnen von den Türmen der Votivkirche in Wien. Die Erzdiözese prüft rechtliche Schritte.

Stephansdom: „Herbergssuche“ mit Segnung und Verteilung der Barbara-Zweige

 

Stift Engelszell: Ein Abschied mit Gewicht

Engelszell lebt weiter: Nach dem Ende der Trappistenära übernimmt die Diözese Linz die Verantwortung für das Stift.

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