"The night is dark, and I am far from home,
Lead Thou me on."
"The night is dark, and I am far from home,
Lead Thou me on."
Papst Leo XIII hat den "schwierigen", widerständigen Briten einst zum Kardinal ernannt. Leo XIV erhebt ihn morgen, am Allerheiligenfest 2025, zum Kirchenlehrer.
John Henry Newman (1801–1890) ist eine der faszinierendsten und widersprüchlichsten Figuren der Neuzeit. Er war ein Wanderer zwischen den Konfessionen, dessen Leben von einer kompromisslosen Suche nach der letzten Wahrheit geprägt war. Knapp 190 Jahre, nachdem er die katholische Kirche noch als von „Häresie angesteckt“ bezeichnet hatte, wird der "große Unruhestifter" (Roman Siebenrock) als Katholik heiliggesprochen und zum ersten englischsprachigen Kirchenlehrer erhoben. Seine Geschichte ist die eines Mannes, der Anerkennung und Ablehnung in vollem Maße erfuhr und dessen Botschaft auch heute noch die Bewegung in die Kirche bringt.
Der in London geborene Newman fand früh eine unerschütterliche Glaubensgewissheit, die sein Leben lang als innerer Kompass diente: die direkte Beziehung die er in die Formel „ich und mein Schöpfer“ brachte. Für Newman, der das Postulat „Heiligkeit geht vor dem Frieden“ zur Richtschnur erhob, war die kontinuierliche persönliche (und gemeinsame) Entwicklung im Glauben ein zwingendes Zeichen des Lebens.
Als anglikanischer Pfarrer und treibende Kraft der Oxford-Bewegung erlangte Newman Berühmtheit. Sein gründliches Studium der Kirchenväter und die konsequente Forderung nach einer Priorität des Gewissens führten ihn zum Bruch mit seiner anglikanischen Heimat. Um die theologische Schwierigkeit zu lösen, wie sich die Urkirche mit der modernen Kirche und ihren zahlreichen Dogmen vereinbaren lasse, verfasste Newman 1845 seinen "Essay über die Entwicklung der christlichen Lehre". Darin legte er dar, dass die Lehre nicht statisch ist, sondern sich wie ein lebendiger Organismus entfaltet. Spätere Dogmen seien keine Verfälschung, sondern die legitime und notwendige Ausfaltung des ursprünglichen Offenbarungssamens – ein Beweis für die Vitalität der Kirche. Dieses Konzept der organischen Entwicklung wurde später von der Dogmatischen Konstitution "Dei Verbum" des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgegriffen und lieferte die Grundlage dafür, dass Tradition als dynamischer Prozess verstanden wird, bei dem die Kirche zu einer tieferen Einsicht in die Wahrheiten gelangt. Auf dieser Grundlage vollzog Newman 1845 die Konversion zur katholischen Kirche, indem er erklärte: „Erst das Gewissen und dann der Papst.“
Eng verbunden damit entwickelte Newman ein theologisches Konzept, das zu seiner Zeit als unerhört galt und ihm Misstrauen einbrachte: er sprach vom „Spürsinn der Gläubigen“ (Sensus fidei fidelium) in Glaubensfragen. Er erkannte, dass nicht nur die Hierarchie, sondern die Gesamtheit der Getauften durch den Heiligen Geist einen übernatürlichen Instinkt für die Wahrheit des Evangeliums besitzt und somit an der Bewahrung und dem tieferen Verständnis der Offenbarung teilhat. Auch hier griff er auf Beispiele aus der zeit der frühen Kirche, v.a. auf die arianische Krise zurück. Dieser revolutionäre Entwurf von der Rolle der Laien und der Unfehlbarkeit im Glauben des gesamten Gottesvolkes fand nach seinem Tod triumphalen Eingang in die kirchliche Lehre:
Dieses theologische Konzept wurde mit 100 Jahren Verspätung in die Konstitution „Lumen Gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) aufgenommen, das den Sensus fidei als zentrale Eigenschaft des Gottesvolkes definierte. Darin lehrt das Konzil explizit, dass die Gesamtheit der Glaubenden im Glauben nicht irren kann, da sie den einmal überlieferten Glauben unverlierbar festhält. In jüngster Zeit hat Papst Franziskus Newmans Konzept prominent aufgegriffen und in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ (2013) zitiert. Im anhaltenden synodalen Weg der gesamten katholischen Kirche ist der Glaubenssinn aller Getauften zum Schlüsselbegriff für ein „Hörendes Kirche“ geworden, die alle Glieder aktiv am Diskurs beteiligt.
Als katholischer Priester des Oratoriums wirkte Newman unermüdlich für die Hebung des Selbstbewusstseins katholischer Laien. Seine Forderung: „Ich möchte, dass der denkende Laie religiös sei und der fromme Geistliche ein denkender Mensch.“ Sein Leben war ein offener Diskurs über die Lehre, denn er war überzeugt, dass „Theologen Ellenbogenfreiheit brauchen, damit sie... etwas entwickeln können.“ Glaube setzt für Newman auch ein intellektuelles Ergründen voraus, lange vor einem gefühlsmäßigen Vollzug. Diese Haltung brachte ihm Anfeindungen und den Ruf als "großer Unruhestifter" ein, machte ihn aber gleichzeitig zu einem Brückenbauer, dessen Denken die oft auseinanderfallenden Bereiche von Vernunft und Glaube, Hierarchie und Laien, in Verbindung hält.
Völlig unerwartet erhob ihn Papst Leo XIII. zum Kardinal mit der Titelkirche San Giorgio in Velabro, Papst Benedikt XVI sprach ihn 2010 bei seinem Besuch in Großbritannien selig, Papst Franziskus vollzog 2019 seine Heiligsprechung und Papst Leo XIV (also wieder ein Leo)hat ihn am 1. November 2025, dem Hochfest Allerheiligen im Petersdom zum Kirchenlehrer und gemeinsam mit dem Hl. Thomas von Aquin zum Patron der Schulen und des katholischen Bildungswesens erklärt und damit seine anhaltend aktuelle Theologie für die ganze Kirche als bedeutsam vorgelegt. Gleichzeit erklärte ihn Papst Leo auf Bitte von Kardinal Luis Antonio Gokim Tagle auch zum besonderen Patron der päpstlichen Universität Urbaniana am Gianicolo. Newmans Erbe ist die Ermutigung an die gesamte Kirche, auf die leise, aber unfehlbare Stimme des Glaubenssinns aller Getauften zu hören und die Tradition als etwas Lebendiges zu begreifen.
Sein liturgischer Gedenktag wird übrigens am 9. Oktober gefeiert, dem Tag, an dem er in die römisch-katholische Kirche aufgenommen wurde. Er bleibt ein leuchtendes Beispiel für es mutigen, freien Christen, dessen Herz stets der Wahrheit und dem Gewissen gehörte.
Den sehr selten verliehenen Ehrentitel Kirchenlehrer oder Kirchenlehrerin erhalten Theologen und Heilige, denen ein prägender Einfluss auf die Lehre der christlichen Kirche zugesprochen wird. Zu ihnen zählen etwa Gregor der Große (540-604), Anselm von Canterbury (1033-1109), Thomas von Aquin (1225-1274), Katharina von Siena(1347-1380), Hildegard von Bingen (1098-1197) u.a.m. Newman, ist der 38. Kirchenlehrer und der erste Englisch publizierende Brite unter ihnen.
Lead, Kindly Light, amid the encircling gloom,
Lead Thou me on;
The night is dark, and I am far from home,
Lead Thou me on.
Keep Thou my feet;
I do not ask to see the distant scene;
one step enough for me.
I was not ever thus, nor prayed that
Thou shouldst lead me on;
I loved to choose and see my path; but now
Lead Thou me on.
I loved the garish day, and, spite of fears, pride ruled my will;
remember not past years.
So long Thy power hath blessed me, sure it still
Will lead me on.
O'er moor and fen, o'er crag and torrent, till
The night is gone;
And with the morn those angel faces smile,
Which I have loved long since, and lost awhile.
John Henry Newman
Führ liebes Licht, im Ring der Dunkelheit
führ du mich an.
Die Nacht ist tief, noch ist die Heimat weit,
führ Du mich an!
Behüte du den Fuß: der fernen Bilder Zug
begehr' ich nicht zu sehn –
ein Schritt ist mir genug.
Ich war nicht immer so, hab' nicht gewusst
zu bitten: Du führ an!
Den Weg zu schauen, zu wählen war mir Lust -
doch nun: führ Du mich an!
Den grellen Tag hab ich geliebt und manches Jahr
regierte Stolz mein Herz,
trotz Furcht: vergiss, was war!
So lang gesegnet hat mich Deine Macht,
gewiss führst Du mich weiter an,
durch Moor und Sumpf, durch Fels und Sturzbach,
bis die Nacht verrann
und morgendlich
der Engel Lächeln glänzt am Tor,
die ich seit je geliebt, und unterwegs verlor.
Übersetzung: Ida Friederike Görres