Jeder der 39 Delegationen bei der Versammlung der europäischen Ländern hat ein Positionspapier verfasst.
Im Vorbereitungsdokument (DKE bzw. DKS) "Mach den Raum deines Zeltes weit" für die synodale Kontinentalversammlung in Prag wurden drei Fragen benannt, die im Vorfeld der Versammlung den einzelnen europäischen Ländern bearbeitet werden sollten. Die 39 Delegationen haben schließlich jeweils ein eigens kurzes Positionspapier dazu nach Prag mitgebracht. Die Österreich-Delegation hat ihr Papier bereits Montag, 6. Februar 2023, vorgetragen.
Kathpress dokumentiert im Folgenden die drei Fragen des Vorbereitungsdokuments (Paragraf 106) und im Anschluss das österreichische Papier, das sich darauf bezieht und den Titel "Die österreichische "Teilwahrheit" trägt:
Frage 1: "Welche Einsichten stehen am intensivsten in Einklang mit den konkreten Erfahrungen und Gegebenheiten der Kirche auf Ihrem Kontinent, nachdem Sie das DKE in einer Atmosphäre des Gebets gelesen haben? Welche Erfahrungen erscheinen Ihnen neu oder erhellend?"
Frage 2: "Welche wesentlichen Spannungen oder Divergenzen sind aus Sicht Ihres Kontinents besonders wichtig, nachdem Sie das DKE gelesen und im Gebet innegehalten haben? Welche Probleme oder Fragenstellungen sollten folglich auf den nächsten Etappen des Prozesses in Angriff genommen und berücksichtigt werden?"
Frage 3: "Über welche Prioritäten, wiederkehrenden Themen und Handlungsaufforderungen kann man sich mit anderen Ortskirchen in der ganzen Welt austauschen und welche können auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden, wenn man sich anschaut, was sich aus den beiden vorherigen Fragen ergibt?"
Das DKS (Anm.: Vorbereitungsdokument für die kontinentale Phase) stößt auf sehr positives Echo. Die Vielfalt der Weltkirche und der Mut, divergente Ansichten zu benennen, werden mit Freude und Staunen wahrgenommen. Der Wunsch nach Reformen ist trotz widersprüchlicher Vorstellungen groß. Geäußert wird die Sorge, dass der synodale Prozess ohne konkrete strukturelle Folgen bleibt, die als Voraussetzung für eine glaubwürdige Sendung betrachtet werden.
Zu Frage 1: Die Stellungnahmen beobachten eine große Übereinstimmung weltkirchlicher Probleme. Genannt werden die Förderung der Teilhabe aller Gläubigen an der Sendung der Kirche, die Stärkung der Rolle der Frauen, eine "inklusive" Kirche, Evangelisierung und Mission. "Der ohrenbetäubende Schrei der Armen und der Erde nach Rettung" in der Kirche des Südens wird wahrgenommen, findet in Österreich aber vergleichsweise wenig Gewicht.
Zu Frage 2: Es gibt deutliche kontinentale und regionale Unterschiede, im Besonderen zwischen den Ortskirchen in West- und Osteuropa. Der Wunsch nach einer "inklusiven" Kirche steht in Spannung zum Wunsch, unverändert an den kirchlichen Strukturen und Lehren festzuhalten. Spannungen zeigen sich zwischen Klerus und Laien. Die Interpretation der "Zeichen der Zeit" ist heterogen: Die einen äußern Sorge um die Anpassung an den "Zeitgeist" und orten ein "Kreisen der Kirche um sich selbst", den anderen geht das "Aggiornamento" zu langsam.
Zu Frage 3: Die synodale Methode bedarf der Vertiefung, Ausbildung und Institutionalisierung, damit Synodalität nicht nur ein punktuelles Ereignis bleibt. Auch die Gläubigen und die akademische Theologie sollten an der Unterscheidung teilhaben können.
Auf der Basis der gemeinsamen Taufberufung sollten die Mitverantwortung und die Mitentscheidungsbefugnis aller Gläubigen an der Sendung der Kirche gefördert und kirchenrechtlich verankert werden. Gewünscht wurde die Beauftragung von bewährten Männern und Frauen zu kirchlichen Diensten. Priester erleben sich unter Kritik und wünschen sich ein positives Priesterbild. Das Verhältnis zwischen Klerus und Laien sowie das Verständnis von Amt und Dienst bedürfen einer grundlegenden Auseinandersetzung.
Synodale Entscheidungen zum Thema "Rolle und Rechte der Frau in der Kirche" werden trotz heterogener Vorstellungen über die Umsetzung als entscheidend für die Zukunft der Kirche in Europa betrachtet. Nicht nur die beteiligten Frauengruppen wünschen sich eine Diskussion über die Teilhabe am kirchlichen Weiheamt, insbesondere am Diakonat. So könnte die sakramentale Dimension des diakonalen Handelns der Kirche als Form der Christusrepräsentanz gestärkt werden.
Diskutiert werden sollte, wie eine "inklusive" Kirche verwirklicht werden kann, die für Arme und Marginalisierte, für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und LGBTQI-Personen offen ist.
Die Anliegen, Perspektiven und aktive Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Kirche bedürfen mehr Aufmerksamkeit.
Evangelisierung und Mission sind angesichts von Glaubensschwund und gesellschaftlichem Bedeutungsverlust zentrale Themen. Vertiefung des Glaubens, das Lebendig Halten der Gottesfrage, Glaubensweitergabe in Familien sowie Katechese sollten Thema werden.
Der Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche und andere Männer und Frauen im kirchlichen Dienst muss weltkirchlich weiter bearbeitet werden.
Die Möglichkeit kontinentaler und ortskirchlicher Lösungen sollte ventiliert werden. Dazu könnten "Probier-Räume" eröffnet werden.
Das Bewusstsein der Kirche Europas für die Mitverantwortung für den globalen Süden und die Weltkirche muss gefördert werden.