Antwort des Brückenbauers:
Ihr Frage ist auch meine Frage, muss ich gestehen. Seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat, ringe ich mit der Frage, wie ich mich als Familienvater (!) in der Ukraine wohl verhalten hätte. (Für mich als Bischof wäre die Antwort klar: Ich bleibe im Land und greife nicht zu Waffen.)
Was würde Jesus raten angesichts der Gewaltbereitschaft der Mächtigen, die man sich ja nicht aussuchen kann? Der Fragesteller nennt zurecht Mt 5,5.9: “Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben. […] Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“
Ich bin vorsichtig, anderen zu sagen, wie sie handeln sollten. Das Evangelium sagt mir in erster Linie, wie ich handeln soll. Das ist der erste Imperativ, und er gilt auch für alle Menschen, die im friedlichen Österreich leben, denn auch hierzulande gibt es zu viele Konflikte, die mit Gewaltbereitschaft anstatt im Sinn der Bergpredigt ausgetragen werden.
Wie hat Jesus reagiert, als er selbst angegriffen wurde? Er hat sich nicht einfach alles gefallen lassen, sondern den Täter zu Rede gestellt: „Jesus entgegnete ihm: Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war, warum schlägst du mich?“ (Joh 18,23). Jesus rät nicht dazu, sich alles gefallen zu lassen, sondern Konflikte anzusprechen. Somit scheint mir klar, was Jesus täte: Er würde vermutlich den Krieg an sich kritisieren.
Nicht so klar ist aber, was Jesus seinen Landsleuten (mit Familien) geraten hätte, wenn sie einen Angriffskrieg erlebt hätten. Das hat dazu geführt, dass sich innerhalb der Kirchengeschichte unterschiedliche Positionen dazu entwickelten: Vom unbedingten Pazifismus bis zur Rede vom sogenannten gerechten Krieg. Heute sprechen wir am ehesten vom Recht legitimer Selbstverteidigung. Offen bleibt allerdings, wie weit diese konkret in ihren Mitteln gehen darf.
Es steht mir nicht zu, die Ukrainer zu radikaler Gewaltlosigkeit aufzufordern, weil es mir nicht zusteht, Menschen zum Martyrium aufzufordern. Allenfalls mache ich ihnen Mut, ihrem Gewissen zu folgen, bis zum Äußersten. Und ich habe höchste Achtung vor allen, die zu solchen Gewissensfragen genötigt werden.