Donnerstag 28. März 2024
Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Lk 19 9-10
Katechesen von Kardinal Christoph Schönborn

1. Katechese 2002/03 vom 6. Okt. 2002: Warum überhaupt Mission?

Im Mai 2003 findet in Wien die Stadtmission statt. Die Katechesen dieses Arbeitsjahres sind dem Thema Mission gewidmet. Zuerst geht es um die Frage: Was ist Mission überhaupt und was sind die inneren Kräfte, die Christen antreiben, missionarisch zu sein?

Komm, Heiliger Geist, erfülle unsere Herzen mit dem Feuer deiner Liebe. Entzünde mit deinem Feuer unsere Herzen, unsere Stadt, unser Land. Komm Heiliger Geist und erneuere das Angesicht der Erde. Amen

Mit großer Freude beginne ich das neue Arbeitsjahr mit den Katechesen, die - so Gott will - uns Monat für Monat begleiten werden. Ich muss gleich vorweg sagen, dass ich eine ziemlich grundlegende Änderung in meinem ursprünglichen Plan vorgenommen habe. Angekündigt war das Thema der Klugheit. Ich habe das Thema aber geändert. Es ist etwas dazwischen gekommen, das ich natürlich schon seit längerem weiß, aber das mich mehr und mehr bewegt, weil das Datum immer näher kommt, das ist die geplante große Stadtmission, die im Mai, in den Tagen vor und nach Christi Himmelfahrt stattfinden soll. Nun habe ich mich kurzfristig entschlossen, auch die Katechesen diesem Thema zu widmen und gemeinsam mit Ihnen zu schauen, was eigentlich Mission bedeutet, was es in sich bedeutet, vom Glauben her, vom Evangelium her, aber auch was es für uns bedeutet, vielleicht auch für mich persönlich.

Ich möchte zuerst etwas über die Idee dieser Stadtmission sagen und vor allem was mich dabei bewegt, warum ich glaube, dass dieses Projekt für uns ein Wink Gottes ist. Dann möchte ich ein wenig auf die Einwände eingehen, die es gegen das Thema Mission zahlreich gibt. Schließlich folgt drittens die Begründung, warum eigentlich Mission für den christlichen Glauben etwas so Wesentliches ist.

I.

Vor zwei Jahren haben vier europäische, Erzbischöfe, Kardinäle, von Lissabon - er ist sogar Patriarch, von Paris, von Brüssel und von Wien, sich zusammen getan und gemeinsam mit der Gemeinschaft Emmanuel darüber nachgedacht, dass heute eigentlich die Stadt, ähnlich wie in der frühchristlichen Zeit, in ganz besonderer Weise ein Ort der Offenheit, des Suchens und in einer überraschenden Weise auch der Religiosität ist und immer mehr wird. Wir haben einen gemeinsamen Brief geschrieben, in dem wir einmal die Idee dieser Stadtmission formuliert und dann festgestellt haben, dass die Zeit reif ist, gerade in der Stadt deutlicher, vielleicht auch bewusster das Evangelium neu zu sagen. Gerade in Wien ist dieses Thema uns durch den Stadtpatron, den hl. Klemens Maria Hofbauer, sehr nahe, der ja so entschieden gesagt hat, dass das Evangelium in dieser Zeit neu verkündet werden muss.

Nun ist die Idee, die sich da entwickelt hat und die immer deutlicher Gestalt annimmt, eine zweifache: Einerseits zu sammeln, was es an Erfahrungen gibt, viele von uns machen Erfahrung mit dem Zeugnis vom Glauben. Wenn sie darüber sprechen, wenn es sich ergibt, vielleicht auch wenn die Gelegenheit gesucht wird - oft überraschend mehr Offenheit, als wir vielleicht von vorn herein erwarten würden - austauschen über das, was wir selber erfahren haben und erfahren, mit Zeugnis vom Evangelium, Weitergabe des Evangeliums, mit Mission. Der andere Aspekt ist, nicht nur darüber reden, sondern es auch tun. Wir haben dazu sehr ermutigende Erfahrungen, in Wien selber und an vielen anderen Orten, ich denke besonders an die Innenstadtmission, die, vor einigen Jahren inzwischen schon, von der Dompfarre ausgegangen ist und so ermutigend war, aber auch an Pfarrmissionen, die in einzelnen Pfarren stattgefunden haben. Soweit also diese Idee, die wir zu konkretisieren versuchen. Wien hat es als erste Stadt getroffen. So lade ich Sie vor allem ein, was wir im Lauf dieses Jahres vorbereiten im Herzen, im Gebet mitzutragen. Ich glaube, das ganz Entscheidende wird sein, dass dies nicht ein reiner Aktivismus ist, sondern dass es wirklich vom Gebet, der Fürbitte, auch vom Opfer getragen ist.

Mission gehört von Anfang an zur Kirche. Sie ist vom ersten Moment an missionarisch. Ich lasse die negativen Nebenklänge oder Mitklänge bei diesem Wort einstweilen beiseite. Ich gehe einmal nur davon aus, dass etwa eine Gestalt wie die des Apostels Paulus uns ganz eindeutig vor die Tatsache der Mission stellt. Paulus ist der Missionar schlechthin. Aber wie hat er das gemacht? Wie sieht überhaupt Mission im Sinne Jesu aus? Ist das möglichst lästig sein und den Fuß in die Tür stellen, damit der andere die Tür nicht zumachen kann? Heißt das, die anderen bombardieren mit Texten, Reden, Worten, Bekehrungsversuchen? Wie sieht Mission im Sinne des Evangeliums aus?

Für mich gibt es ein Schlüsselwort in der Apostelgeschichte, das ich Ihnen ans Herz legen möchte und das ich als ein Leitwort für die vor uns liegende Stadtmission sehe. Der Apostel Paulus ist in Korinth. In Athen hat er einen erfolglosen Versuch gestartet, eine Mission auf sozusagen ganz modern zu machen. Er hat Zitate gebracht von heidnischen Philosophen, er hat sozusagen den Anknüpfungspunkt gesucht bei den Götterbildern, die er in Athen gesehen hat. Und er hat mit den Leuten auf dem öffentlichen Platz disputiert, auf der Agora. Aber der Erfolg war nicht übermäßig groß. Drei, vier Leute haben sich ihm angeschlossen, immerhin darunter einer, der Dionysius hieß und den man den Areopagiten nannte und der, wer immer er war, zumindest als Name in der Geschichte der Kirche eine große Bedeutung bekommen hat. Aber dann, als Paulus nach Korinth weiter zieht, in die Hafenstadt, die als besonders verrucht galt als besonders heidnisch, wie eben Hafenstädte sind, wo alle Untugenden, Unsitten zu finden sind, da hat Paulus eine Schlüsselerfahrung. Er beginnt, wie üblich, in einer Synagoge zu sprechen. Das klappt nicht sehr gut, und er beschließt, aus dieser Synagoge wegzugehen in ein Haus in der Nachbarschaft der Synagoge, in das Haus des Titius Justus. Dort beginnt er zu predigen und es beginnt eine Erfolgsgeschichte. In Korinth wird seine Lieblingsgemeinde entstehen. Aber am Anfang steht ein nächtlicher Traum, eine Vision: "Der Herr aber sagte nachts in einer Vision zu Paulus: Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt" (Apg 18,9-10). Ich glaube, dieses Wort kann so etwas wie ein Schlüsselwort für die Stadtmission sein. Jesus sagt ihm in diesem Traum, in diesem nächtlichen Gesicht: "Mir gehört viel Volk in dieser Stadt."

Gott hat bereits einen Plan. Noch lange, bevor Paulus in Korinth angekommen ist, hat Gott bereits einen Plan. Und in diesem Plan haben viele Menschen in Korinth ihren Platz. Noch bevor Paulus sie überhaupt ansprechen konnte, hat Gott sie bereits erwählt, hat Gott sie bereits im Herzen. Das heißt doch, Gott hat einen Plan mit den Menschen, mit uns. Mit jedem von uns hat er seinen Plan, seinen ganz unverwechselbaren, persönlichen Plan. Er ist der Gott meines Lebens. Schon lange bevor ich es wusste bin ich bereits in seinem Herzen. Er kennt mich, er weiß um mich, er hat mich gewollt. Wenn ich zurückblicke auf mein Leben, dann kann ich selbst durch den Schleier des Glaubens, unter dem wenigen, was ich von meinem Leben wirklich erfassen kann, doch durchscheinend ganz deutlich seine Handschrift, seine Führung sehen. Er kennt mich, er hat mich geführt. Ich staune, wie er Regie geführt hat in meinem Leben. Manchmal sind es scheinbar ganz zufällige Dinge. Ich weiß, dass in meinem Leben eine ganz entscheidende Wende von einem Telefonat abhing. Es hätte auch nicht sein können. Wahrscheinlich hätte mein Leben eine ganz andere Wendung genommen. Es war so, Gottes Fügung. Und so sagt es Paulus, wenn er auf sein eigenes Leben zurückschaut. Wir kennen alle diese Stelle, wo Paulus über seinen eigenen Weg spricht, im Galaterbrief, wo er uns eine kleine Autobiographie gibt. Er erinnert daran, wie sehr er das Evangelium, Christus und seine Anhänger verfolgt hat. Aber dann sagt er: "Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib erwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige ..." (Gal 1,15-16). Gott, der mich schon vom Mutterleib auserwählt hat ... - lange bevor Paulus davon wusste, war er bereits erwählt, war er bereits im Plan Gottes. Und dieser Plan bestand darin, dass Gott ihm seinen Sohn geoffenbart hat, dass er Jesus kennen gelernt hat als den Sohn Gottes. Wir werden gleich noch sehen, wie wichtig es ist, dass Paulus hinzufügt: "damit ich ihn verkünde".

Diese ganz persönliche Geschichte des Apostels, diese ganz persönliche Geschichte von jedem von uns mündet immer in eine gemeinsame Geschichte. Es stimmt, jeder von uns hat seinen Weg mit Gott, oder Gott hat seinen Weg mit uns. Aber wir sind nicht vereinzelt. "In dieser Stadt gehört mir", sagt Jesus zu Paulus, "ein zahlreiches Volk." Ein Volk, das ist eine Gemeinschaft, nicht nur Individuen, nicht nur einzelne. Noch sind sie nicht dieses Volk, noch sind sie zerstreut, jeder für sich, in ihren kleinen Gruppen, in ihren Familien, in ihren Kreisen. Noch sind sie nicht sein Volk. Aber schon gehört dieses Volk Jesus. Und die Mission soll das verwirklichen. Noch sind sie sozusagen nicht Volk, aber sie sollen Volk Gottes werden. "Mir gehört in dieser Stadt ein zahlreiches Volk." Und so ist durch die Mission des Apostels in Korinth Kirche geworden, Gemeinde, eine Gemeinde, die der Apostel ganz besonders geliebt hat, an der er auch gelitten hat, um die er gerungen hat, aber die eben Volk geworden ist, Gottes Volk. Deshalb schreibt Paulus in beiden Briefen an die Korinther gleich zu Beginn: "An die Kirche Gottes, die in Korinth ist" (1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1). Die Menschen, die zusammen gekommen sind, sind Kirche geworden.

So sehen wir untrennbar die beiden Elemente der Mission. Es ist immer das ganz-persönlich-angesprochen-Sein: Du hast mich berufen. Heute noch frage ich mich: Warum hat dieser Dominikanerpater aus den dreihundert Schülern, die im Schulhof waren, gerade mich angesprochen, als vierzehnjährigen Buben? Ich weiß es nicht, ob er es wusste, weiß ich auch nicht, ich weiß nur, dass es für mein Leben entscheidend war. Die ganz persönliche Geschichte, jeder von uns hat eine ganz unverwechselbar persönliche Geschichte mit Gott. Gleichzeitig, wenn wir gerufen sind, wenn wir Christus begegnen, wie es Paulus geschehen ist und so vielen anderen seither, dann wird aus dem einzelnen einer, der zu einem Volk gehört, zu seinem Volk. "In dieser Stadt gehört mir viel Volk." Die Kirche nennt das die plantatio Ecclesiae, die Pflanzung der Kirche. Hier wird Kirche gestiftet, hier entsteht Gemeinde. Nun meine ich, dass das auch für Wien gilt. Es gibt viele Menschen in unserer Stadt, die zur Kirche ein Naheverhältnis haben, die sich ganz dazu gehörig empfinden, viele, die so distanzierte Sympathisanten sind, viele, die mit der Kirche gar nichts anfangen können, aber jeder hat eine ganz persönliche Geschichte mit Gott, unverwechselbar. Ich glaube, die Mission hat den Sinn, dass uns ins Herz gesagt wird so wie Paulus Jesus in der Nacht in Korinth es ins Herz gesagt hat: "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige nicht! Es wird dir nichts zu leide getan, denn in dieser Stadt gehört mir viel Volk."

Paulus ist es auf dem Weg nach Korinth geschehen, als er Jesus begegnet ist. Das hat sein Leben grundlegend verändert. Es hat ihn in eine ganz neue Beziehung zu diesem Jesus von Nazareth gebracht. Er hat ihn als Messias, als Sohn Gottes erkannt, anerkannt. Aber sofort ist etwas mit ihm geschehen: Er wurde gesandt. "Als es dem gefiel, der mich vom Mutterschoß an auserwählt hatte, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn den Heiden verkünde", so sagt Paulus über seinen eigenen Weg (Gal 1,15-16). Gleich wird er zum Zeugen. Die Apostel sagen in Jerusalem: "Unmöglich können wir schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben" (Apg 4,20). Um es ganz einfach zu sagen: Wen es im Glauben "erwischt", der kann darüber nicht schweigen, der wird zum Zeugen. Ich spreche deshalb eine Warnung aus: Es kann uns "erwischen". Das heißt, es kann uns bewusst werden, es ist uns wohl auch bewusst, dass wir nicht nur Gerufene sondern auch Gesandte sind, dass wir Zeugen sein sollen. "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige nicht, denn viel Volk gehört mir in dieser Stadt." So bitten wir: Herr, hilf mir, dass ich bereit bin für deinen Ruf!

II.

O Schreck - heißt das vielleicht, dass ich mich wie Paulus auf einen öffentlichen Platz stellen muss, wie er es in Athen gemacht hat oder auch auf den anderen Reisen seiner Mission? Soll ich plötzlich anfangen, am Stock im Eisen Platz oder in der Mariahilferstraße die Leute mit meinen Anschauungen zu belästigen? Wird es mir nicht gehen wie Paulus in Athen, dass man über mich lacht und sagt: "Später einmal wollen wir dich darüber hören" (Apg 17,32)? Paulus war ein Missionar, das war seine Berufung, aber als normaler Christenmensch soll man ihm das nachmachen? Es kommen einem viele Bedenken. Es kommen einem vor allem die Bedenken, die in unserem Umfeld und wohl auch in uns selber da sind: Ist Mission nicht überhaupt ein Unwort geworden? Klingt es nicht nach Intoleranz? Missionarischer Eifer, das klingt nicht gut. Hat man uns nicht zu oft daran erinnert, wie viel an Kulturen zerstört worden ist durch die Mission, zusammen mit der Kolonisation? Ist Mission vielleicht eine Art von Zwangsbeglückung? Die Angst vor Sektenmentalität! Ist die Missionsgeschichte des Christentums etwas, das man vorzeigen kann, auf das man so ohne weiteres hinweisen kann? Nun, wir werden, so hoffe ich, im Lauf des Jahres gelegentlich auch auf die eine oder andere der großen Missionserfahrungen der Kirche hinschauen. Waren das wirklich nur schwarze Kapitel in der Geschichte der Kirche? Ich glaube, die große Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts ist eines der schönsten und spannendsten Abenteuer der ganzen Kirchengeschichte, natürlich nicht ohne Schatten aber doch von wirklicher Größe, mit sehr viel Licht. Ich durfte es in Nigeria und diesen Sommer im Sambia sehen, was es bedeutet, dass dort wirklich das Evangelium eingepflanzt wurde, was das an Hoffnung für diese Länder bedeutet, denen der Modernisierungsschub nicht erspart bleibt, die aber durch die plantatio Ecclesiae, durch die Einpflanzung der Kirche eine wirkliche Hoffnung haben. Ich glaube, man kann es ohne weiteres sagen: In einem Land wie Sambia ist die Kirche wirklich der große Hoffnungsträger. Lateinamerika hat sicher eine sehr dunkle Geschichte, auch Geschichte der Mission. Und doch, wer sich näher damit befasst, wird feststellen, dass in Lateinamerika in der Missionsgeschichte großartiges geleistet wurde. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen. Die heutige Missionsgeschichte gehört zu den bei uns viel zu wenig bekannten ganz spannenden Abenteuern. Ist uns bewusst, dass heute koreanische Missionare in Afrika tätig sind, dass Mexikaner in Asien tätig sind, dass Afrikaner in Lateinamerika, in Nordamerika als Missionare tätig sind, dass es eine intensive Mission zwischen den jungen Kirchen gibt, von der wir viel zu wenig wissen, und die wahrscheinlich auch einmal für uns ganz bedeutend werden wird?

Die Kritik an der Missionsgeschichte, der man sich offen und ehrlich stellen soll, ist freilich auch in Gefahr, dass sie ablenkt von einer sehr persönlichen Frage, von der Frage: Bin ich als Zeuge herausgefordert? Bin ich nicht als Getaufter, als Christ gerufen und gesandt, Zeuge Jesu zu sein? "Ihr werdet meine Zeugen sein!" (Apg 1,8), ist das nicht Grundlage des christlichen Glaubens und Lebens? "Ihr werdet meine Zeugen sein!" - Sind wir es? Werden wir es? Ich glaube, jeder der erfahren hat, was für ein Glück es ist, etwas vom Glauben bezeugen zu können, weitergeben zu können, dem wird der Geschmack dieser Freude nicht mehr aus dem Sinn gehen. Menschen zu Christus führen zu können, oder zu erfahren, wie Christus in den Herzen von Menschen aufleuchtet, wie sie in der Begegnung mit Christus Heilung finden, Heimat finden, Versöhnung - wer von dieser Freude gekostet hat, den lässt sie nicht mehr los. Noch einmal die Warnung: Diese Katechesen haben auch den ganz bewussten Zweck, die Absicht, uns zu ermutigen: "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige nicht!"

Im Übrigen ist die Zeit reif. Die Zeit ist wirklich reif. Wenn wir es nicht erfassen, dann wird es uns erfassen. Es wird uns deutlich gemacht durch andere. Ich glaube, selten war eine Zeit so missionarisch, wie unsere Zeit. Selten war so viel an religiöser Aktivität weltweit da wie heute. Überall in der Welt ist der Islam missionarisch tätig, aus einer unglaublichen Kraft der Überzeugung heraus. In wenigen Tagen beginnt in Graz die große buddhistische Versammlung. Wie viele Menschen in Europa finden heute im Buddhismus eine Antwort auf ihre Fragen. Das heißt doch, dass es Fragen gibt, die Antworten suchen. Und war nicht der Atheismus des 20. Jahrhunderts intensivst missionarisch, mit dem Anspruch, seine Überzeugung in der ganzen Welt verbreiten zu müssen, auch mit Gewalt, auch mit schrecklichster Gewalt, der kommunistische Atheismus. Und mit welchem missionarischen Eifer werden gesellschaftliche Ideen heute im wachsenden Europa verbreitet. Ich denke nur an die intensive Debatte, die dieser Tage wieder in Brüssel und in Strasbourg läuft über die Bioethik, wo mit wirklich missionarischem Eifer Überzeugungen vertreten werden, von denen wir als Christen sagen müssen, sie entsprechen nicht der Menschenwürde und nicht unserer Glaubensüberzeugung. Wir kommen nicht umhin, Stellung zu beziehen. Wir kommen nicht umhin zu sagen, was uns bewegt, was der Grund unserer Hoffnung ist. Es ist nicht in unser Belieben gestellt, ob wir Zeugnis geben oder nicht. Paulus sagt es ganz klar: "Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige" (1 Kor 9,16). Es liegt, sagt er, ein Zwang auf mir, nicht ein gewalttätiger Zwang, sondern ein innerer, eine innere Verpflichtung. Ich kann über das, was mir gezeigt worden ist, nicht schweigen, was ich als Weg des Lebens gesehen habe, was mir Hoffnung gegeben hat, darüber darf und kann ich nicht schweigen.

III.

Ich möchte in diesem dritten und letzten Teil der Katechese ein wenig der Frage nachgehen, was eigentlich der Ursprung der Mission ist. Woher kommt das? Warum ist das der Kirche so wesentlich, so dass das Konzil sagen kann: "Die Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch". Das Konzil sagt dazu: Der Grund ist der Ursprung der Sendung der Kirche, dieser Ursprung ist in der Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes gemäß dem Plan des Vaters (Missionsdekret Ad Gentes 2). Weil wir an den Gesandten glauben, an den, den Gott gesandt hat, deshalb ist Sendung so wesentlich für die Kirche. Ich darf hier einfach an die ersten Worte des Katechismus erinnern, die ganz knapp zusammenfassen, warum das so ist. In der allerersten Nummer des Katechismus heißt es: "Gott ist in sich unendlich vollkommen und glücklich. In einem aus reiner Güte gefassten Ratschluss hat er den Menschen aus freiem Willen erschaffen, damit dieser an seinem glückseligen Leben teilhabe" (KKK 1). Ursprung von allem ist Gottes freier Ratschluss. Es gibt keine Notwendigkeit, dass wir sind, dass die Welt ist. Es gibt keine Notwendigkeit, die Gott gezwungen hätte, die Welt zu schaffen, rein sein freier Wille, uns an seinem Leben teilnehmen zu lassen. "Deswegen", sagt der Katechismus, "ist er dem Menschen jederzeit und überall nahe. Er ruft ihn und hilft ihm, ihn zu suchen, ihn zu erkennen und ihn mit all seinen Kräften zu lieben. Er ruft alle durch die Sünde voneinander getrennten Menschen in die Einheit seiner Familie, die Kirche" (ebd.). Gottes Plan ist also, jedem von uns nahe zu sein, aber nicht vereinzelt, sondern um uns zu seiner Familie zu machen. "Er tut es durch seinen Sohn, den er als Erlöser und Retter gesandt hat, als die Zeit erfüllt war. In ihm und durch ihn beruft er die Menschen, im Heiligen Geist seine Kinder zu werden und so sein glückseliges Leben zu erben" (ebd.).

Mission hat also ihren Ursprung letztlich im Dreifaltigen Gott selber. "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch", sagt Jesus zu Ostern (Joh 20,21). Wir sind gerufen, die Sendung Jesu weiter zu tragen. Darum sagt der Katechismus in der Nummer 2: "Damit dieser Ruf an alle Welt ergehe, sandte Christus die von ihm erwählten Apostel und gab ihnen den Auftrag, das Evangelium zu verkünden: "Darum geht hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 19-20). Kraft dieser Sendung zogen sie "aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch Zeichen, die er geschehen ließ" (Mk 16, 20)" (KKK 2).

Drittens sagt der Katechismus: "Wer mit der Hilfe Gottes den Ruf Christi angenommen und ihm in Freiheit entsprochen hatte, wurde durch die Liebe zu Christus gedrängt, die Frohbotschaft auf der ganzen Welt zu verkünden. Dieses von den Aposteln erhaltene kostbare Vermächtnis wurde von ihren Nachfolgern treu bewahrt. Alle an Christus Glaubenden sind berufen, es von Generation zu Generation weiterzugeben, indem sie den Glauben verkünden, ihn in brüderlicher Gemeinschaft leben und in der Liturgie und im Gebet feiern" (KKK 3; Vgl. Apg 2, 42) Weitergabe dessen, was von Christus uns gegeben wurde.

Schließlich viertens: "Die Kirche bemüht sich, die Menschen zu Jüngern Christi zu machen; sie will ihnen zum Glauben verhelfen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, damit sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen" - verhelfen, Jünger Christi zu werden! - "Durch Unterweisung sucht sie, die Menschen zu diesem Leben heranzubilden und so den Leib Christi aufzubauen. Alle diese Bemühungen wurden schon früh als Katechese bezeichnet" (KKK 4; Vgl. Catechesi Tradendae 1; 2). Katechese heißt, die Sendung Christi weiterführen.

Nun habe ich vorhin gesagt, dass wir in einer Zeit leben, in der es viele Missionen gibt, in der viele auf dem Marktplatz der öffentlichen Meinungen ihre Überzeugungen zum Markt tragen. Das ist sicher keine neue Situation. Das frühe Christentum ist in eine Welt gekommen, in der es eine Fülle von Ideen gab unter denen es sich ausweisen musste. Ich möchte im Lauf dieser Katechesen ein wenig anschauen: Wie ist das eigentlich gelungen? Wie geht das heute? Was macht die Mission, die christliche Mission aus? Sind das nur Worte? Ist es das Zeugnis? Ist es die Tat? Ist es das Wirken Gottes in den Herzen? Ich denke, wir werden sehen, dass es etwas von all dem ist. Aber eines steht zweifellos in der Mitte. Das Konzil sagt über die Mission: Es geht nicht nur darum, gewissermaßen die "Innerlichkeit des Menschen" zu erreichen (Ad Gentes 3). Es stimmt, jeder Mensch ist Gott nahe, Gott ist jedem Menschen nahe. Aber es geht nicht nur um Religiosität. Wir leben in einer Zeit, in der die Religiosität sehr intensiv ist. Es wird viel gesucht, in allen möglichen Strömungen und Bewegungen. Aber Mission hat für uns einen ganz bestimmten Grund, nicht eine allgemeine Religiosität, so wichtig es ist, das religiöse Grundgefühl, dass wir von Gott abhängen, dass wir auf Gott hingeordnet sind, dass Gott uns nahe ist, dass es eine Beziehung zu Gott im Gebet, in der Betrachtung gibt. Das Unverwechselbare der christlichen Mission formuliert das Konzil so: "Gott hat beschlossen, auf eine neue und endgültige Weise in die Geschichte der Menschen einzutreten - Darum sandte er seinen Sohn in unserem Fleisch, damit er durch ihn die Menschen der Gewalt der Finsternis und Satans entreiße und in ihm die Welt sich versöhne" (Ad Gentes 3). Gott hat einen Schritt getan, den keine menschliche Religion bisher sich ausdenken konnte. "Gott sandte seinen Sohn" (Gal 4,4). Diese Sendung, dieses Ungeheure, dass Gott Mensch geworden ist, dass Gott in die menschliche Geschichte eingetreten ist, dass das Wort Fleisch angenommen hat und unter uns gelebt hat, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, das ist der eigentliche Grund, warum es eine christliche Mission gibt, weil Gott diesen unglaublichen Schritt der Mission getan hat, seinen eigenen Sohn zu senden. Deshalb ist er der Mittelpunkt der Mission. Es geht darum, Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Es geht darum, Menschen zu Christus zu führen. Es geht darum, dass Christus zu den Menschen kommen möchte.

Das Wort "Mich dürstet" (Joh 18,28) hat die kleine hl. Theresia, deren Fest wir vor kurzem gefeiert haben, dahingehend gedeutet, dass Jesus hier nicht nur seinen körperlichen Durst ausspricht, sondern sein Verlangen, Menschen mit seinem Leben zu verbinden, Menschen zu sammeln, oder, wie sie es in ihrer Sprache sagte: Seelen zu gewinnen. Sie hat begriffen, es hat sie ergriffen, dass sie diesen Durst nicht ungestillt sein lassen will. Wenn wir Gott so viel bedeuten, dass er seinen Sohn gesandt hat, wenn wir ihm so wichtig sind, dann kann uns das nicht einfach kalt lassen, dann muss es uns drängen, Menschen zu Jesus zu führen, Menschen zu helfen, dass sie Jesus kennen lernen. Das ist der innerste Grund der Mission. Wenn Gott uns so viel gegeben hat, dann will er offensichtlich, dass diese Gabe empfangen wird. Dann will er, dass seine Familie sich um Christus bildet. Ich glaube ohne diesen Durst, dieses Verlangen, das eine kleine hl. Theresia so bewegt hat, werden wir Mission wohl nie verstehen. Oder umgekehrt, sagen wir es positiv: In dem Maß, wie wir etwas von diesem Verlangen Jesu spüren, seine Liebe zu verbreiten und zu schenken, wird es uns drängen, ihr zu dienen.

Noch einmal Paulus in Korinth, und ich glaube auch in Wien, ein Wort, dass Jesus zu uns spricht: "Fürchte dich nicht, rede nur, ich bin mit dir! In dieser Stadt gehört mir viel Volk." Ich darf Sie einladen, bei der Stadtmission, auf diesem Weg zur Stadtmission mit dem Herzen dabei zu sein.

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