Lieber Fabian! Lieber Moritz, Lieber Simon!
Liebe Freunde, Kollegen, Bewunderer, Verehrer von Marga Swoboda!
"Menschen, die man nie vergisst", so lautete der Titel von Margas Kolumne, die zu ihren Gedanken vorgestern als letzte einer Serie "Meine Zeitreise" in ihrer "Kronen Zeitung" wieder abgedruckt wurde.
Sie gehört zu den Menschen, die man nie vergisst. Euch, ihren Söhnen, ihren Buben, brauche ich das nicht zu sagen. Ich kann Euch nur von Herzen meine Anteilnahme sagen und alle hier tun es mit mir. Euch trifft der so frühe und schnelle Tod Eurer Mutter mehr als alle anderen. Mutter ist Mutter, unersetzlich.
Aber da sind noch so viele andere, für die der Tod von Marga ein großer Verlust ist, die Kollegen, die unzähligen Leser und Leserinnen "Von Tag zu Tag".
Wenn ich versuchen darf, in ein Wort, ein Bild zu fassen, wie ich Marga Swoboda sehe, dann ist es "Evangelium im Alltag"; was meine ich damit? Marga hatte die außerordentliche Gabe, das Leben von Menschen wahrzunehmen, zu spüren, ins Wort zu bringen. Sie sprach von ihrer "großen Lust, neu auf Menschen zuzugehen". Sie erfasste, was Menschen freut und leiden macht, was sie hoffen lässt und was sie niederdrückt, wo sie Großes für andere taten, und wo sie Schreckliches von anderen erlitten. Selber ein Mensch, den das Leben durchgebeutelt hatte, konnte sie Menschen in ihrer Not und in ihrem Bemühen verstehen.
Das meine ich mit "Evangelium im Alltag". Evangelium heißt ja Frohe Botschaft, es lebt aus der Überzeugung, für die Jesus lebte und starb und auferstand, dass kein Mensch ein "hoffnungsloser Fall" ist, dass es in jedem Leben, und wenn es noch so schräg ist, Spuren der Liebe gibt, und wenn es nur die Spuren der Sehnsucht nach Liebe sind.
Marga verstand es, in allen Situationen noch das Quäntchen Hoffnung zu finden, das das Leben lebbar macht. Und sie konnte scharf und zornig werden, wenn Menschen den Funken Liebe, der noch da ist, brutal zertreten. So war sie nicht eine Erzählerin netter Geschichten, sondern eine wache Beobachterin, eine mutige Kritikerin von Ungerechtigkeiten, Verletzungen der Menschenwürde, Verachtung der Kleinen und Wehrlosen.
Eben das ist für mich "Evangelium im Alltag", wie Jesus es gemeint und gemacht hat. Und das geht nur, wenn man einen starken Glauben hat, an die Güte und Barmherzigkeit Gottes zuerst. An sie hat sie geglaubt, auch für ihr eigenes, oft verletztes Leben. Einen starken Glauben auch an das Gute im Menschen, trotz aller schmerzlichen und enttäuschenden Erfahrungen.
Vor zwölf Jahren hat der unvergessliche Hans Dichand mich gefragt, ob ich Sonntag für Sonntag das Evangelium in der Kronen Zeitung zu kommentieren bereit wäre. Ich habe mit Freude zugesagt, und seither fast 700 Mal meine Seite zum Sonntagsevangelium schreiben dürfen. Was ist das gegen die 8.000 Kolumnen, die Du, liebe Marga, geschrieben hast? Es war 8.000 Mal so etwas wie Evangelium im Alltag, einfach von Tag zu Tag der Spur der Hoffnung nachzugehen und die Freude dieser Lichtspur so vielen Menschen zu schenken.
So möchte ich Dich, liebe Marga, selber das Schlusswort sagen lassen, sozusagen Deine eigne Predigt zum Requiem, das wir hier für Dich und Deine Heimkehr zu Gott heute Abend hier im Dom feiern: Ich lese einfach Deine Kolumne vom 26. März 2005 vor. Sie trug den Titel: "Auferstehung kann ich mir nicht vorstellen".
Auferstehung kann ich mir nicht vorstellen
26.3 .2005
Vielleicht hat man uns damals die Geschichte einfach zu düster erzählt. Karfreitag war zum Fürchten. Den armen Jesus haben sie gekreuzigt, begraben, und dann soll er wieder auferstanden sein. Das große Kruzifix, das Blut am Leib Christi, die groben Nägel, die in das Kunstwerk gerammt waren. Wir konnten uns das nicht vorstellen, dass er wieder auferstanden sein sollte. Wie denn. Wir fürchteten uns. Kinder. Wir hatten ja noch kein Fernsehen. Wir waren nicht routiniert und abgebrüht in Bildern von Grausamkeit.
Heute kann ich an die Auferstehung glauben. Gelernt. Vielleicht nicht, dass der überlebensgroße Christus in unserer Dorfkirche vom düsteren Kreuz auferstanden ist, aber dass es die Auferstehung gibt, glaube ich schon. Gelernt.
Der Tod von Menschen, die ich sehr liebte - wie das absolute Ende ist mir das vorgekommen. Liebte? Ich liebe sie noch immer. Wie lange ist es her?
Jesus stirbt, jemand stirbt. Wie soll man sich die Auferstehung vorstellen? Du bist nicht mehr da, nie mehr da, Mama, dachte ich. Und: Wo ist Gott?
Nie mehr werde ich die Mutter riechen, streicheln, sehen können, so furchtbar endgültig ist der Tod. Was soll das für eine Auferstehung sein, wenn ich sie nie mehr spüren kann, dachte ich. Nicht vorstellbar. Aber es ist wahr. Sie ist überhaupt nicht wirklich fort. Die Gedanken sind stärker als der Tod. Frische Blumen, frisches Grün, frische Gefühle. Zu Ostern geschieht alles, wie es ihr gefallen hätte. Wie gestern, wie vor zwanzig Jahren. Die Mutter hat mich nicht allein gelassen. Sie ist in mir geblieben. Du bist schon wie die Oma, sagen die Kinder. Obwohl sie sie kaum kannten.
Lieber Fabian! Lieber Moritz! Lieber Simon! Auch Eure Mutter wird Euch nicht alleine lassen. Sie ist bei Gott. Sie ist bei euch. Wie sagte sie eben? "Nicht vorstellbar. Aber es ist wahr."
Amen