Samstag 20. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Ostersonntag 2020

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zum Ostersonntag am 12. April 2020, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Heute vor 75 Jahren, am 12. April 1945, brannte der Stephansdom. Das riesige Dach stürzte zusammen, die Riesenorgel ging in Flammen auf, das Chorgestühl verbrannte.

Der Dom weinte, und die Menschen weinten. Als die Menschen weinend um den niedergebrannten Dom standen, kam Kardinal Innitzer zu ihnen im Arbeitsgewand und tröstete und sagte zugleich ganz nüchtern: Na, wir werden ihn halt wieder aufbauen müssen.

Und das ist tatsächlich gelungen. Die österreichische Bevölkerung hat in einem unglaublichen Zusammenstehen den Dom wieder aufgebaut. Heute steht er in seiner unvergleichlichen Schönheit und Innigkeit da. Er ist das meistbesuchte Monument Österreichs. Fünfeinhalb Millionen Besucher jedes Jahr. Nur jetzt ist er leer, fast leer. Aber wenn ich die vielen Bilder hier sehe von Menschen, die ihr Bild geschickt haben, weil sie mitfeiern im Geist - nein, weil sie wirklich mitfeiern -, dann bin ich voller Zuversicht.

 

Ja, es stimmt, es kam ganz anders: So hätten wir uns diesen Ostersonntag nicht gedacht. Ich habe mich darauf gefreut, dass die renovierte Riesenorgel heute gesegnet, geweiht werden kann. Nein, Sie sind zu Hause. Keine Osterbesuche, kein Kirchgang mit festlichen Ostern. So feiern wir heute den Ostersonntag. So haben wir die letzten Tage gefeiert. Und doch: Es war sehr innig. Viele von Ihnen konnten mitfeiern in diesen Tagen, dank des ORF, der uns die Übertragung ermöglicht hat.

 

Eines haben wir gelernt: Das Coronavirus macht keinen Unterschied zwischen den Personen und auch nicht zwischen den Ländern. Wir sind alle betroffen, und eines spüren wir sehr deutlich, und das ist ganz wichtig: Wir sind eine Menschheitsfamilie. Schon die Klimakrise hat uns das gezeigt. Niemand bleibt unberührt. Corona zeigt es noch einmal stärker. Wir sind aufeinander angewiesen, und wir werden auch nach Corona das brauchen, dass wir aufeinander angewiesen bleiben.

 

Liebe Schwestern und Brüder, vor allem auch liebe Jugendliche, die Sie dabei sind!

Was gibt es für eine Hoffnung? Gerade zu Ostern. Woraus schöpfe ich Hoffnung?

Der erste Grund wird Sie vielleicht überraschen. Ich bin hoffnungsvoll, weil unser Land gute Institutionen hat. Was hat das mit Ostern zu tun? Ja, wir haben ein gutes Gesundheitssystem.

 

Wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben einen Sozialstaat. Wir haben eine solide Wirtschaft. Und wir haben auch, das darf ich heute schon sagen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Aber was hat das mit Ostern zu tun? Ich bin sicher, es hat sehr viel damit zu tun. Gemeinsames über die Einzelinteressen stellen. Institutionen bewähren sich in Krisen und Notzeiten. Wenn es allen gut geht, dann denkt man, das brauchen wir alles nicht. Jetzt in Corona-Zeiten wissen wir, dass es nicht so ist. Jetzt spüren wir, dass die Weltanschauung des Egoismus nicht hält.

 

Heute sind wir dankbar, dass wir funktionierende Institutionen haben. Aber sie funktionieren, weil sie von Menschen getragen sind, die den Dienst an den anderen, den Dienst am Gemeinwohl an erste Stelle stellen. Und das ist genau der Schlüssel zum Ostergeheimnis.

 

Was ist das Ostergeheimnis? Es ist die Lebenshaltung Jesu. Ganz kurz drei Punkte aus der Lebenshaltung Jesu, die für die Zukunft auch bei uns entscheidend sein werden. Erstens: Er, der Sohn Gottes, war sich nicht zu gut, seinen Jüngern die Füße zu waschen, also Sklavendienst zu tun. Wie viele Menschen tun heute genau diesen Dienst, damit es den anderen gut geht? Ob sie es wissen oder nicht: Sie leben damit die Lebenserhaltung Jesu.

Das Zweite: Jesu Lebenshaltung ist Mitgefühl. Die Sorge, das Leid der Menschen hat Jesus nicht gleichgültig gelassen. Mich bewegt immer am Ostersonntag, dass das erste Wort des Auferstandenen ein Wort des Mitleids mit einer weinenden Frau ist: "Frau, warum weinst Du?" (Joh 20,13)

 

Unser ganzer Umgang mit Corona hat dieses Mitgefühl als Grundlage. Warum tun wir das alles? Um Menschen zu schützen, sie nicht zu gefährden, und dafür bringen wir Opfer. Das ist Lebenshaltung Jesu.

 

Und schließlich das Dritte: Die Lebenshaltung Jesu ist, dass er bereit war, sein Leben einzusetzen für die anderen. Er hat selber gesagt, es gibt keine größere Liebe, als wer sein Leben gibt für seine Freunde. (Vgl. Joh 15,13)

 

Es ist diese Lebenshaltung, die unseren Institutionen die Kraft verleiht, die sich in den Krisen wie Corona bewährt. Diese Kraft geht von Ostern aus, von Jesus, der gestorben ist, auferstanden ist und uns seinen Geist gegeben hat. Denn der Geist Jesu ist der Geist des Dienens, der Geist des Mitgefühls und der Geist der Bereitschaft, sein Leben einzusetzen.

 

Dieser Geist Jesu hat viele Menschen bewegt, den Stephansdom wieder aufzubauen, unser Land wieder aufzubauen, und wir profitieren bis heute davon. Dieser Geist wird auch notwendig sein in Zukunft.

 

Wir haben solide Institutionen, sicher noch könnten sie perfekter sein. Wir alle könnten perfekter sein. Wir sind Sünder. - Aber für die Nach-Corona-Zeit brauchen wir diese Haltungen Jesu. Und dazu brauchen wir die Kraft seines Geistes, die Ausdauer, die Geduld, aber auch die Freude.

Der Glaube an Jesus, das Vertrauen auf ihn, die Freundschaft mit ihm, schenkt uns trotz aller Bedrängnis die Osterfreude. Und diese Freude wünsche ich uns allen, wenn wir heute miteinander Ostern feiern. Wir werden sie in den kommenden Wochen brauchen.

 

Und so sage ich Ihnen das Osterwort von Herzen zu: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

Fotos
20 Jahre Erzbischof von Wien
Bildeindrücke aus dem Stephansdom und dem...
Nach dem Weltjugendtag in Rio nützt Kardinal...
Erzb. Sekretariat
Wollzeile 2
1010 Wien

E-Mail schreiben
Datenschutzerklärung
Darstellung: Standard - Mobil