Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zur Lesung vom 9. Mai 2024
Heute feiern Christen weltweit ein seltsames Fest: Christi Himmelfahrt! Bei uns ist es dafür bekannt, dass dank des staatlichen Feiertags viele Menschen vier Tage frei machen können. Die Reisefreudigen sind unterwegs. Allen sei eine gute Zeit und eine sichere Heimkehr gewünscht! Mit Heimkehr hat auch das heutige Fest zu tun. Jesus ist dorthin heimgekehrt, woher er gekommen ist, sozusagen als Abschluss seiner Mission auf Erden, die mit einer Geburt in Bethlehem begonnen hat. Er ist von Gott gekommen. Zu ihm ist er heimgekehrt, in den Himmel. Jesus hat kurz vor seinem Tod gesagt, er werde auch für uns alle dort eine Wohnung bereiten. Der Himmel ist nicht nur seine Heimat, sondern auch der Zielort aller Menschen. Jesus hat zudem angekündigt, dass er wiederkommen werde, am Ende der Zeiten.
All das klingt recht sonderbar: vom Himmel kommen, zum Himmel zurückkehren, im Himmel die eigentliche Heimat haben, und doch wieder auf die Erde zurückkehren. In Zeiten der Weltraumfahrt haben sich die Bilder von Erde und Himmel gewandelt. Der Blick in die unfassbaren Weiten des Alls machen die Vorstellung von Himmelfahrt noch seltsamer. Klaffen hier Religion und wissenschaftliches Weltbild nicht allzuweit auseinander? Dazu einige ganz aktuelle Gedanken.
Die Zukunft unserer irdischen Heimat, des Planeten Erde, besorgt uns alle. Wird unsere Welt auf Dauer noch ein lebbarer Ort bleiben? Wird der Klimawandel sie allmählich unbewohnbar machen? Wissenschaftlich betrachtet, hat die Erde ein Ablaufdatum, freilich erst in vielen Millionen Jahren. Sie wird nicht ewig existieren. Aber das gilt für das ganze Universum. Es hat Anfang (Urknall) und Ende. Wir Menschen sind ein Wimpernschlag in den Milliarden Jahren von Werden und Vergehen des Alls. Sicher ist auch, dass wir alle, ausnahmslos, unsere Mutter Erde einmal durch das Tor des Todes verlassen müssen. Trotzdem ist wohl uns Menschen allen der Wunsch gemeinsam, ein halbwegs gutes, friedliches, frohes Leben zu haben, nicht unbedingt das Paradies auf Erden, aber doch wenigstens ein Leben ohne Krieg, Hungersnot und Naturkatastrophen.
Das Fest Christi Himmelfahrt erinnert an jene andere Wirklichkeit, die wir meist in unserem Alltag verdrängen. Wir können gar nicht anders. Das Leben ist zu herausfordernd, um ständig an den Himmel zu denken. Nüchtern sagen die beiden Boten zu den Aposteln, als Jesus vor ihren Augen emporgehoben und ihren Blicken entzogen wurde: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Jesus wird wiederkommen. Doch jetzt sorgt euch um die Erde, die Menschen, die Umwelt. Sagt den Menschen Mut zu, nicht zu verzweifeln, nicht aufzugeben. Ihr werdet nicht alle Probleme lösen können. Es ist euch nicht versprochen, dass euch schon hier das reine Glück erwartet. Doch über euch ist der Himmel offen. Dort erwartet euch ein Zuhause. Wenn ihr daran denkt, dann ist schon auf Erden ein Stück Himmel möglich.
Apostelgeschichte 1,1-11
Im ersten Buch, lieber Theóphilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er den Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisung gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt! Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden. Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samárien und bis an die Grenzen der Erde. Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.