Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 17. August 2025
Unsere Welt ist voller Gewalt und Unfrieden. Immer fassungsloser stehen wir vor den Kriegen und Konflikten in so vielen Teilen der Welt. Warum gelingt es nicht, die Verantwortlichen zur Vernunft zu bringen? Warum scheitern alle Anläufe zu Friedensgesprächen? Man trifft sich zu Verhandlungen und bricht sie gleich wieder ab. Das Morden und Töten geht einstweilen unvermindert weiter, als wäre nicht jeder Tag des Krieges schon einer zu viel. Inzwischen wird weltweit aufgerüstet statt Frieden zu schließen. Immer unerbittlicher wird die Logik der Waffen: um zu siegen oder wenigstens zu überleben, braucht es immer bessere, „modernere“, wirksamere Waffen. So dreht sich die Spirale der Gewalt. Vor 80 Jahren fielen die beiden ersten und bisher einzigen Atombomben, auf Hiroschima und Nagasaki. Zahllose Atomwaffen lagern in den Arsenalen. Wie wird das alles enden?
Können nicht die Religionen zum Frieden beitragen? Leider sind sie zu nicht geringem Anteil Mitverursacher der Konflikte. Konflikte zwischen den Religionen spielen auch im 21. Jahrhundert eine große Rolle. Ich brauche das nicht im Einzelnen anzuführen, es ist schmerzliche Wirklichkeit. Das heutige Evangelium ist, zumindest auf den ersten Blick, eine Bestätigung dafür. Doch was sagt Jesus wirklich?
„Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung“. Nicht weniger schockierend ist das andere Wort Jesu: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ Spaltungen hat es im Christentum zahlreiche gegeben. Sie sind noch heute offene Wunden. Feuer und Schwert haben unter Christen und von Christen gegen andere Religionen nur allzu oft gewütet. Können sie sich zu Recht auf Jesus berufen? Wie sind seine Worte zu verstehen? Sind sie vielleicht doch Ausdruck einer Hoffnung, auch für heute? Gibt es gute, echte Gründe zu hoffen?
Jesu Wort vom Feuer spricht seine tiefste Sehnsucht aus. Es kann helfen, auf andere Worte Jesu zu hören, um dieses zu verstehen. Eines, das außerhalb der Evangelien überliefert ist, lautet: „Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nahe.“ Jesu Worte haben immer wieder, bis heute, Menschen berührt, bewegt, begeistert. So ging es den beiden enttäuschten Jüngern Jesu, die nach seinem Tod trostlos nach Hause gingen. Unerkannt ging Jesus mit ihnen und erschloss ihnen der Sinn der Ereignisse um seinen Kreuzestod. Im Rückblick, nachdem sie ihn erkannt hatten, sagten sie zueinander: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ Ist das die Sehnsucht Jesu, unser brennendes Herz?
Die Antwort gibt das rätselhafte zweite Wort Jesu im heutigen Evangelium: „Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist.“ Jesus spricht im Bild der Taufe von seinem eigenen Tod, durch den er gehen muss. Nur so wird er zur Auferstehung und zum Leben gelangen. Warum dieses „Muß“? Wir alle müssen durch die enge Tür des Todes, nicht erst am Ende des irdischen Weges, sondern täglich, durch die kleinen Tode, die wir sterben müssen, um unseren Egoismus abzulegen. Wir können die Mächtigen nicht zum Frieden zwingen. Sie stehen selber unter vielen Zwängen und sind oft ohnmächtig. Wie schwer ist es, wenigstens in unseren eigenen Familien Frieden zu stiften und Spaltungen zu überwinden! Es braucht dazu das Feuer, nach dessen Brennen sich Jesus sehnt: „Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe“, heißt es in einem alten Gebet.
Lukas 12,49-53
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.