Gedanken zum Evangelium vom 14. Dezember 2025
Es gibt Momente, in denen alles zusammenzubrechen scheint. Alles steht in Frage. Nichts mehr macht Sinn. Es gibt radikale Lebenskrisen, niemand ist vor ihnen sicher. Sie können alles im bisherigen Leben umstürzen. Von einer solchen Krise spricht das heutige Evangelium. Es hat aufs Erste gesehen wenig mit der überall verbreiteten Adventstimmung zu tun, sehr wohl aber mit dem realen Leben, das oft so anders aussieht als ein Adventsmarkt.
Ich versuche, mich in die Situation des Johannes des Täufers hineinzudenken. Er ist im Gefängnis. Sein „Verbrechen“: Er hat dem König Herodes gesagt: „Du hast nicht das Recht, die Frau deines Bruders zu heiraten.“ Sie hat ihm das sehr übelgenommen. Er hat Johannes daraufhin einsperren lassen. Wer kann Johannes aus der Hand dieser rachsüchtigen Frau und ihres schwachen zweiten Mannes retten? Wer, wenn nicht der, dem er mit seinem ganzen Eifer gedient hat: Jesus, sein Verwandter, den er im ganzen Land als den kommenden Befreier angekündigt hat? Von Jesus hat Johannes den Leuten gesagt: „Der, der nach mir kommt, ist stärker als ich.“ Er wird Ordnung schaffen und das Land vom Bösen befreien: „Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.“
Nichts davon scheint sich zu erfüllen. Herodes herrscht weiter als Tyrann und Johannes sitzt wehrlos im Gefängnis. Stattdessen ist Jesus sanft und barmherzig. Zwar geschehen durch ihn erstaunliche Wunder, Heilungen, sogar Auferweckung von den Toten. Verändert er dadurch die Welt? Beseitigt er das Unrecht? Warum befreit Jesus nicht seinen eigenen Verwandten aus der Haft des Herodes? In dieser Situation kommt es im Herzen des Johannes zu einer erschütternden Frage, die er Jesus ausrichten lässt: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Mit voller Überzeugung hat Johannes Jesus als den verkündet, durch den alles anders wird. Was wurde daraus?
Hat Johannes seinen Glauben verloren? Seine Krise erinnert mich an die vielen Menschen, die durch schwere Schicksalsschläge den Glauben an Gott verlieren: „Wenn es Gott gibt, wie kann er das zulassen?“ „Wir haben so gebetet, und doch ist unser Kind gestorben!“ „Wo ist der gute Gott, wenn es so viel Schreckliches in der Welt gibt?“
Die quälende Frage des Johannes geht durch alle Generationen, bis heute. „Sollen wir auf einen anderen warten?“ Auf einen, der endlich diese Welt in Ordnung bringt? Die Antwort Jesu ist bis heute die gleiche geblieben: „Geht und berichtet dem Johannes, was ihr hört und seht.“ Sehen und hören wir das viele, viele Gute, das täglich geschieht? Es sind keine Sensationen. Es sind Wunder der Geduld, der Barmherzigkeit, der Aufmerksamkeit. Es sind die zahllosen Wunder der Liebe. Es ist die Kraft des gelebten Evangeliums, die wirklich die Welt verändert und den Armen Hoffnung schenkt. Haben die Worte Jesu dem Johannes im Gefängnis Trost gebracht? Konnte er wieder glauben? Bald darauf ließ Herodes Johannes enthaupten. Einige Monate später ließ Pilatus Jesus kreuzigen. Bald ist Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu. Die Frage des Johannes passt dazu: „Bist du der, der kommen soll?“
Matthäus 11,2-11
In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird. Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.