Montag 29. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Palmsonntag

Wortlaut der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn im Dom zu St. Stephan am Palmsonntag, 24. März 2013.

 

Gelobt sei Jesus Christus!
Liebe Brüder und Schwestern!
Liebe Kinder, liebe Gläubige!

Jesus hat freiwillig gelitten. Er hat das Leiden freiwillig auf sich genommen. Er hätte nicht nach Jerusalem gehen müssen, er hätte im sicheren Galiläa bleiben können. Er ist ganz bewusst nach Jerusalem gegangen, ganz souverän, frei und ungezwungen. Er wusste, was er tat. Er wusste, dass das der Weg war, den der Vater ihm vorgezeichnet hatte, freiwillig, und nicht als blindes Schicksal. Für uns, die wir glauben, dass sein Leiden uns erlöst hat, ist es entscheidend wichtig zu glauben und zu wissen: er hat es freiwillig, bewusst als seinen Weg für uns auf sich genommen. Wir sind nicht Opfer des Schicksals! Gott ist souverän, er ist der Herr der Geschichte, er ist der Herr unseres Lebens.

 

Wenn es eine Erfahrung gegeben hat, die uns Kardinäle beim Konklave bewegt hat, die uns ganz stark verbunden hat, dann war es die, dass der Herr der Herr der Geschichte ist und auch seiner Kirche, und dass wir erfahren durften, wie er die Dinge in der Hand hat und sie führt. Auch durch alle menschlichen Schwächen, Versagen und Sünden hindurch. Wir haben ganz stark die Erfahrung gemacht, dass der Herr uns gezeigt hat, wen er erwählt hat. Ich hatte vor dem Konklave gesagt: Gott hat schon gewählt! Wir müssen jetzt herausfinden, wen er erwählt hat.

 

Unser verehrter Rabbiner von Wien hat mir daraufhin ein sms geschickt und hat gemeint: Es sei schon richtig, aber wir müssen auch mitwirken, und er hoffe und bete, dass wir die richtige Mitwirkung haben und wir das Richtige tun. Das stimmt! Zuerst ist das das Geheimnis Jesu selber. Er hat mit dem Willen des Vaters mitgewirkt. Er hat ganz auf den Vater geschaut. Er hat gesagt: Ich tue nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Dieser Wille ist unser Heil, unsere Heilung, unser Glück, unser Leben. Er will, dass wir leben. Deshalb hat er seinen Sohn gesandt, damit er für uns stirbt, damit wir leben.

Es war diese Erfahrung, die wir so stark im Konklave machen durften, dass der Herr die Dinge führt, dass er uns zeigt, was sein Wille ist, wen er zum Nachfolger Petri erwählt hat. Diese Erfahrung ist eine große Bestärkung darauf zu vertrauen, Gott führt uns, ganz konkret. Auch wenn auf diesem Weg Schweres ist und wenn auf diesem Weg das Kreuz ist, dann sollen wir nach dem Vorbild Jesu Ja sagen.

 

Papst Franziskus hat von seiner ersten Predigt an zu uns Kardinälen sehr klar vom Kreuz gesprochen. Er, der herzliche, der so bescheidene und so ganz nach dem Vorbild des heiligen Franziskus sich uns zeigende, hat von Anfang an vom Kreuz gesprochen. Er hat dieses Wort gesagt, das ist nicht Masochismus, sondern das ist Gnade. Gott will uns nicht quälen, wenn er uns Leid zumutet, er will uns durch das Leid zum Leben führen. Sichtbar wird das an der Haltung der Demut. Was die Menschen offensichtlich auf dem Petersplatz sofort bewegt hat, als Papst Franziskus sich zum ersten Mal zeigte, das war seine Einfachheit, seine Demut, seine Unkompliziertheit. Das heißt, er hat sich nicht in den Mittelpunkt gestellt. Darum ist er so frei.

Es war eine wunderschöne Geste, als er gestern seinen Vorgänger besuchte. Ein ungewohntes Bild, die beiden Männer in Weiß, der Vorgänger und der Nachfolger, als er ihm eine Ikone, ein Marienbild "Unsere liebe Frau von der Demut" geschenkt hat. Er hat zu Papst Benedikt gesagt, dass er an ihm immer seine Einfachheit und seine Demut bewundert habe. Demut macht uns frei. Sie macht frei auf die anderen zuzugehen, nicht auf uns selber konzentriert zu sein. Niemand hat eine größere Freiheit gehabt, als der Herr selber, als Christus.

Ein letztes: Jesus hat gebetet. Immer wieder kommt die Frage: Warum hat er, der Sohn Gottes, das Gebet gebraucht, oft Stunden und Nächte? Im Gebet hat er auf den gehört und geschaut, den er den Vater nennt. Darin hat er die innere Freiheit gefunden, die Souveränität auf das Leiden zuzugehen und durch das Leiden hindurch zum Ostermorgen.

 

Ich hatte das Glück, jetzt fünf Tage mit Papst Franziskus im selben Haus zusammen zu sein, und wir hatten immer Gelegenheit, ganz ungezwungen bei Tisch zu sprechen. Ich habe ihn gefragt: "Stimmt das, dass Sie immer furchtbar früh aufstehen?" Ja, hat er gesagt, er stehe um halb Fünf auf und dann habe er zwei Stunden stille Zeit am Morgen. Mir ist so die Freiheit und Souveränität, die Direktheit und Spontaneität bewusst geworden, die er vom ersten Moment seines Papstdienstes gezeigt hat, sie hat eine tiefe Quelle. Diese Freiheit hat er nicht aus Eigenwillen, sondern aus diesem ganz unmittelbaren und ganz direkten Hinhören und Hinschauen auf den, der ihm diese Freiheit gibt. Er hat sie aus dem Gebet, aus der inneren Verbundenheit mit dem Herrn.

 

Christus ist freiwillig ins Leid gegangen, nicht gezwungen, nicht schicksalhaft, nicht von den politischen Mächten bestimmt und von den Ränkespielen der Großen, sondern aus innerer Freiheit. Die hat er aus seiner Verbundenheit mit Gott, dem Vater. So denke ich in dieser frühlingshaften Atmosphäre, die Papst Franziskus in die Kirche gebracht hat, dürfen wir trotz der Kälte der Natur in diesen Tagen voll Freude auf den Herrn schauen, der uns seinen Weg des Lebens zeigt. Das Kreuz ist ein wesentlicher Teil dieses Weges zum Leben, weil er zum Ostermorgen führt.

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