Montag 29. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zur Chrisammesse

Wortlaut der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn im Dom zu St. Stephan zur Chrisammesse, am 25. März 2013.

 

Gelobt sei Jesus Christus!

"Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt". So haben wir im heutigen Tages-Evangelium gehört, die Salbung in Bethanien. Es ist der Duft des Evangeliums, der Wohlgeruch Christi. Brüder und Schwestern, das haben wir in diesen Tagen in Rom erlebt. Il Profumo del Vangelo, der Duft des Evangeliums, der Wohlgeruch Christi.

 

Als sich Papst Franziskus zum ersten Mal auf dem Balkon der Menge gezeigt hat, zuerst für seinen Vorgänger Papst Benedikt zum Gebet eingeladen. In dieser so einfachen Geste hat er die Gläubigen auf dem Platz und alle, die über das Fernsehen mit ihm verbunden waren – es waren viele Millionen – für ihn zu beten um den Segen Gottes. Wie er sich dann vor den Menschen verbeugt hat, ist plötzlich der riesige Petersplatz voll mit Menschen in tiefer Gebetsstille versunken. Im Blick auf das hat ein einfacher Fernsehmitarbeiter nachher gefragt: Was ist da los gewesen? Und sagte: "Io ho sentito il profumo di Betlemme, il profumo del Vangelo." Es sind ihm die Tränen hinuntergelaufen. Ich habe den Geschmack, den Geruch von Bethlehem gespürt, den Geschmack des Evangeliums, "das Haus wurde vom Duft des Öles erfüllt". Das Haus der Kirche, das Haus dieser Welt. Welche Sehnsucht nach diesem Duft des Evangeliums!

Am 17. März, dem ersten Sonntag als neugewählter Papst, hat uns Papst Franziskus bei Tisch in der Domus Sanctae Marthae gesagt: "Ich muss doch als Bischof von Rom am Sonntag in einer Pfarre sein!" Die nächstliegende ist St. Anna im Vatikan, seine eigene Wohnpfarre. Er hat dort die Sonntagsmesse gefeiert und ich würde fast sagen, liebe Mitbrüder, die ihr das Pfarramt inne habt, "wie ein Pfarrer". Nachher ist er einfach vor die Kirchentür gegangen, um die Menschen zu begrüßen, ein Welcome-Service, so wie viele von euch das machen. Kardinal Comastri, der sozusagen der Pfarrer vom Vatikan ist, hat den Heiligen Vater begrüßt: "Padre Santo, il mondo aspetta il profumo di Betlemme, il Profuma del Vangelo." Die Welt erwartet den Wohlgeruch von Bethlehem, den Duft des Evangeliums. Dann hat er dem Papst zugerufen: "Riempia la Chiesa del profumo del Vangelo che è il profumo di Gesù evidentemente. La seguiremo!" "Erfüllen Sie die Kirche mit dem Wohlgeruch des Evangeliums, der natürlich der Wohlgeruch Jesu ist und wir werden ihnen nachfolgen."

 

Ich lade Euch ein, liebe Mitbrüder, über diese Szene etwas zu meditieren. Was bedeutet es für unseren priesterlichen Dienst, wenn wir anschließend unsere priesterlichen Versprechen erneuern? Die Priester werden anschließend die Versprechen erneuern, die sie bei ihrer Priesterweihe gemacht haben. So wie wir bei der Firmung die Taufversprechen erneuern als Zeichen, dass wir die Taufe ernst nehmen.

 

Im Kreuzgang des Stiftes Heiligenkreuz gibt es zwei große Darstellungen, die offensichtlich aufeinander Bezug nehmen. Es ist die Salbung in Bethanien und die Fußwaschung. Offensichtlich haben die Künstler einen Bezug zwischen den beiden gesehen. Können wir sagen, dass Jesus, als er den Aposteln die Füße gewaschen hat, sich daran erinnert hat, dass wenige Tage zuvor Maria von Bethanien ihm die Füße gesalbt hatte. Wir erinnern uns: Petrus wehrte sich dagegen: Nein, nein! Du darfst mir nicht die Füße waschen! Jesus aber lässt es mit sich geschehen. Er wehrt sich nicht dagegen, dass Maria von Bethanien ihm dieses kostbare Nardenöl über die Füße gießt. Viel zu viel, normalerweise nimmt man ein paar Tropfen von diesem kostbaren Öl, das musste ja ein Vermögen kosten! Sie schüttet das ganze Gefäß aus, die ganze Flasche kostbares Nardenöl! 300 Denare sei es wert, sagt Judas Iskariot entsetzt, 300 Denare ist der Jahreslohn von einer größeren Familie. Was für eine Verschwendung! Was für eine spontane Geste! Was sagt uns diese spontane Geste der Maria von Bethanien, der Schwester des Lazarus und der Martha, über die Liebe zu Jesus? Die Kostbarkeit dieser Beziehung! Über den Vorrang, den sie vor allen anderen hat. Warum hat sie das gemacht? Wir wissen es nicht. Es war eine spontane Geste. Vielleicht auch einfach ihre ganz liebevolle Sorge, vielleicht hatte Jesus Schrammen in den Füßen von dem langen Weg. Er kam ja von jenseits des Jordan herauf den mühsamen Weg bis nach Bethanien. Vielleicht waren seine Füße wund von dem langen Weg, von den vielen Wegen, die er gegangen war.

 

Liebe, Aufmerksamkeit, Zuwendung, was für eine unglaubliche Geste! Die Liebe ist immer konkret. Was können wir von dieser konkreten Liebe lernen? Aber es ist gleichzeitig auch eine Geste der Anerkennung der Würde Jesu, der Messias, der Gesalbte. Will sie damit zum Ausdruck bringen, dass sie weiß, wer er ist, dass sie bekennt, wer er ist durch diese Geste? Es ist die Spontaneität dieser Geste, die mich beeindruckt, und sie kommt nicht aus einer Laune, sondern aus einem tiefen inneren Hinhören, sie hat ja Jesus lange zugehört. So konnte eine Herzensbeziehung zu Jesus entstehen, eine Freundschaft, ja eine Liebe und ein Verstehen, und aus diesem Verstehen heraus kam diese spontane Geste. Die Liebe gibt immer mehr als nur das Notwendigste. Füße waschen gehört zu den Riten für die Gäste, wenn jemand kommt, dass man ihm nach dem mühsamen Weg die Füße wäscht. Sie macht mehr, viel mehr, unvergleichlich mehr.

 

An Papst Franziskus hat mich in diesen Tagen, in denen wir ihn so aus der Nähe erleben durften, etwas besonders beeindruckt: seine spontanen Gesten wirken überhaupt nicht aufgesetzt. Manchmal lernt man in Kursen, wie man so volksnahe Gesten macht. Nein, das war es nicht. Das kam so ganz unmittelbar und direkt. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass er wie Maria von Bethanien aus dieser, ich würde fast sagen, selbstverständlich gewordenen Verbundenheit mit Jesus heraus das Spontane, das jetzt Passende und Treffende macht. Die Menschen täuschen sich nicht. Ich habe mit so vielen Menschen in Rom auf der Straße sprechen können, mit Polizisten, mit einfachen Menschen, mit der Raumpflegerin bei uns im Haus. Der Duft des Evangeliums ist untrüglich, da kann man die Menschen nicht betrügen, das spüren sie.

 

So möchte ich noch einmal an einige Schlüsselworte erinnern, die Papst Franziskus uns in diesen Tagen gesagt hat, - ich würde fast sagen in gut jesuitischer oder auch gut franziskanischer Weise -, und zwar so, dass man sie sich gut merken kann. Mehrmals wiederholte er sie in seinen Ansprachen, die immer sehr kurz sind. Eine Lehre für uns alle, auch für mich, liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst! Der heilige Franziskus sagt: Die Predigt soll kurz sein, sie soll das Herz berühren. Genau das macht Papst Franziskus. "Non avete paura della bontà e della tenerezza", hat er mehrmals wiederholt in seiner Predigt zum Amtsantritt am Fest des heiligen Joseph, den er besonders verehrt. Habt keine Angst vor der Güte und der Zärtlichkeit! Was für ein Beispiel gibt uns Maria von Bethanien in dieser Hinsicht! Im Wappen von Papst Franziskus finden wir drei Symbole: das Christusmonogramm in der Mitte, in Referenz an seinen Orden den Jesuiten, der Stern als Mariensymbol und die Nardenblüte als Symbol des heiligen Joseph.

 

Schließlich dieses letzte Wort, das ich uns allen mit Kraft sagen möchte, dass er bei seinem ersten Angelus am Petersplatz gesagt hat im Blick auf das damalige Sonntagsevangelium von der Ehebrecherin: Dio mai si stanca di perdonare! Er hat es mindestens fünf Mal wiederholt: Gott wird nicht müde, uns zu verzeihen! Er hat hinzugefügt: "Ma noi ci stanciamo di chiedere perdono", aber wir werden müde, um Vergebung zu bitten.

Brüder und Schwestern, der Wohlgeruch des Evangeliums, was für eine Hoffnung! Was für eine Verheißung! Danken wir dem Herrn, für diesen Papst.

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