Donnerstag 16. Mai 2024
Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht
Joh. 15, 5
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zu Christi Himmelfahrt

Predigt am 9. Mai 2013 im Dom zu St. Stephan, Kardinal Christoph Schönborn

Gelobt sei Jesus Christus!

 

Heute möchte ich auf einen Satz in der Apostelgeschichte näher eingehen, der mich schon lange beschäftigt, berührt und den ich versuchen werde, ein wenig mit Ihnen zu betrachten. Da heißt es, dass die beiden himmlischen Boten, die Engel, zu den Jüngern sagen, die hinaufschauen zum Himmel und Jesus nachschauen: „Was schaut ihr hinauf, ihr Männer von Galiläa? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“

 

Nun ist schon die Vorstellung der Himmelfahrt nicht ganz einfach, aber erst recht die Vorstellung seiner Wiederkunft. Er verheißt, dass er wiederkommen werde, und die Engel betonen das: „… So wie ihr ihn habt auffahren sehen, so wird er wiederkommen.“ Was heißt das? Wie sollen wir uns das vorstellen? Wie soll er wiederkommen, wann soll er wiederkommen? Ist diese ganze Geschichte mit der Himmelfahrt und mit der Erwartung seiner Wiederkunft wirklich glaubwürdig? Kann man das einem vernünftigen, aufgeklärten Menschen heute überhaupt zumuten? Ja, man kann es. Zu mindestens glaube ich, dass ich nicht ganz unvernünftig bin, und ich bekenne, dass ich das glaube. Ich glaube das nicht, weil es mir völlig einleuchtend ist, sondern ich glaube es, weil das der Glaube der Kirche ist und weil es Jesu Verheißung ist. In wenigen Minuten werden wir das „Credo“ hören und innerlich mitvollziehen, in dem es heißt: „Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, der aufgefahren ist in den Himmel und er wird wiederkommen in Herrlichkeit zu richten die Lebenden und die Toten; ‚cuius regni non erit finis‘,… und seiner Herrschaft wird kein Ende sein.“

 

Das bekennen wir in jedem Credo und ich denke, wir tun das doch nicht ohne Grund. Wir tun das nicht unvernünftig und blind. Nun, ich kann nicht sagen, wann das geschieht, aber ich glaube, dass es geschieht. Ich habe keine Vorstellung davon, wie das geschieht, aber ich glaube, dass es ein herrliches und alles überstrahlendes Ereignis sein wird. Ich glaube es nicht, weil ich es verstanden habe, sondern weil Jesus es verheißen hat. Ich glaube seinem Wort, weil ich IHM glaube, weil ich IHM vertraue, weil ich vertraue darauf, dass das, was er uns gesagt hat, die Wahrheit ist, auch wenn ich das WIE und das WANN nicht weiß.

 

Trotzdem stellt sich die Frage: Ist eine solche Erwartung nicht eine Illusion? Seit 2.000 Jahren bekennen die Christen ihren Glauben an die Wiederkunft des Herrn. Er wird wiederkommen in Herrlichkeit. In jedem „Vater unser“, auch heute werden wieder wir beten: „Dein Reich komme!“. Ist es in 2.000 Jahren nicht gekommen und haben wir vergeblich gehofft? Hat nicht schon Paulus erwartet, dass er es noch erleben wird, dass der Herr wiederkommt? Ist das Ganze vielleicht doch eine Täuschung? Für mich war ein Schlüssel in dieser Frage eine ganz persönliche Frage, die meine Schwester mir einmal gestellt hat: „Warum ist eigentlich Jesus nicht schon längst wiedergekommen?“ Da kam mir ganz spontan die Antwort: „Weil er wollte, dass du und ich dabei sind. Wäre er schon früher gekommen, wäre das Ende der Geschichte schon gekommen, - und dann wären wir nicht dabei. Er wollte offensichtlich, dass auch wir dabei sind. Er wollte uns dabei haben in seinem Reich, in seiner Gemeinschaft, in der großen Familie Gottes. Deshalb ist er noch nicht wiedergekommen.“

 

So ist für mich das Wort Jesu heute in der Apostelgeschichte in der 1. Lesung irgendwie verständlicher geworden, wenn er sagt:  „Euch steht es nicht zu, die Zeiten und die Fristen zu kennen, die mein Vater in seiner Macht festgesetzt hat.“ Auch wenn ich nicht weiß wann es sein wird, so bin ich doch froh und dankbar, dass ich dabei sein darf, und ich hoffe wir sind es alle. Hoffentlich werden noch viele Generationen in seinem Reich, in seiner großen Familie dabei sein dürfen!

 

Er wird wiederkommen. Wir wissen nicht WANN, wir wissen nur DASS. Und was ist die Zwischenzeit? Denn wir leben in der Zeit zwischen seiner Himmelfahrt und seiner Wiederkunft. Was ist diese Zwischenzeit, in der wir leben? Ein ungemütlicher, zugiger, kalter Wartesaal, wie auf einem Bahnhof, wo man vergeblich auf einen Zug wartet? Ein Durchgang, gewiss, aber vor allem eine Pilgerschaft. Für diese Pilgerschaft hat der Herr uns eine Verheißung gegeben: Ihr werdet die Kraft von oben empfangen, den Hl. Geist, und mit dieser Kraft werdet ihr in eurer Pilgerschaft den Weg gehen können. Mit dieser Kraft werdet ihr gegen alle Resignation, gegen alle Mutlosigkeit ankämpfen können, werdet die Hoffnung nicht verlieren, und vor allem nicht die Liebe. Von dem kommenden Reich werdet ihr immer wieder schon jetzt ein Licht bekommen.

 

Ob das jetzt durch die Musik ist, in der uns etwas von der Herrlichkeit Gottes schon aufleuchtet oder und vor allem, ob es die Liebe ist, denn die Liebe ist die Mitte, das Leben des Reiches Gottes. Wo die Liebe herrscht, dort ist Gottes Herrschaft schon mitten unter uns, auch jetzt schon. Amen.

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