Donnerstag 26. September 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt am Christtag

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn am Christtag,  24.12.2014, bei der Festmesse im Dom St. Stephan im Wortlaut:

Joh 1, 1-18

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Anfang – mit diesen Worten beginnt das Johannesevangelium. Wir haben heute Nacht den Anfang des Lebens Jesu gefeiert. Am Christtag richtet sich der Blick auf den Anfang aller Anfänge, sozusagen den Ur-Anfang. Im Anfang war das Wort. Wir alle wissen, der erste Satz der Bibel heißt: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Schöpfung. Aber heute geht der Blick noch weiter zurück, in den Ursprung aller Ursprünge. Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.  Aber es kann auch übersetzt werden mit Sinn, Vernunft, Bedeutung. Im Anfang war der Sinn.


Heute, am Christtag, richtet sich der Blick auf diesen Uranfang, der in Gott selber ist. Die Botschaft dieses ersten Wortes des Johannes-evangeliums ist: Im Anfang war nicht der Unsinn! Nicht die Sinnlosigkeit, nicht das Chaos, nicht der Zufall. Im Anfang war der Logos, der Sinn. Damit ist uns eine fundamentale Gewissheit gegeben, auch in einer Welt, wo so viel Sinnloses, soviel Sinnwidriges geschieht. Im Anfang war der Sinn, die Vernunft, das Wort. Im Anfang war ein Sinn.

 

Und das Weihnachtsgeheimnis sagt uns heute nicht nur, dass mit der Geburt Christi eine neue Geschichte begonnen hat, die Heilsgeschichte, die Geschichte unserer Erlösung, die Geschichte des Evangeliums, der Frohen Botschaft, sondern wir dürfen gewissermaßen zurückschauen bis in den Ursprung der Ursprünge und hören, dass am Anfang die Liebe war. Denn nur die Liebe ist sinnvoll. Nur die Liebe macht Sinn. Es war kein Zufall, dass die Welt entstanden ist. Es ist kein Zufall, dass wir auf der Welt sind, auch wenn Zufälle in unserem Leben immer eine Rolle spielen, auch in der Natur. Natürlich gibt es den sogenannten Zufall. Aber alle diese Zufälle zusammen bilden ein Ganzes, ein Sinnvolles, es ist nicht blinder Zufall, dass diese Welt existiert und wir in ihr.


Aber gerade in der Weihnachtszeit spüren wir besonders schmerzlich, dass dieser Sinn so viel Widerspruch erlebt. Das Licht leuchtet in die Finsternis, sagt Johannes, aber die Finsternis hat es nicht begriffen. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wieviel Not gerade in der Weihnachtszeit! Wir denken an die Flüchtlinge, an die Flüchtlinge in unserem Land und in der ganzen Welt. Im November war ich mit der Caritas und mit Parlamentariern im Libanon und habe erlebt, was es heißt für ein Land mit 4,2 Millionen Einwohnern, das 1,5 Millionen Flüchtlinge aufnimmt. Und sie schaffen es. Für uns ist das ein deutliches Wort: Auch wir können es schaffen, Flüchtlingen einen sicheren Ort zu bieten. Wir müssen alle unsere Kräfte zusammentun, um das zu ermöglichen. Ich glaube, es wird sehr viel von der Kirche für Flüchtlinge getan. Es ist nicht alles in den Medien zu lesen, was da geschieht. Es muss auch nicht sein. In unserem Land gibt es Gott sei Dank viele großherzige Menschen.


Brüder und Schwestern, wieviel Finsternis, wieviel Not kommt gerade in der Weihnachtszeit zutage, an Spannungen in den Familien, wo man sich den Frieden wünscht und doch den Unfrieden erlebt. Die Familiensynode, die in ihrer ersten Etappe im Oktober stattgefunden hat und ihre zweite Etappe im kommenden Oktober haben wird, möchte hinschauen auf das kostbare der Familie. Wie wichtig die Familie als das grundlegende Netzwerk unserer Gesellschaft ist. Wie sehr die Familie das Überlebens-Netzwerk der Menschen ist und daher der Dank dafür, was die Familien in unserem Land leisten, oft unbeachtet und unbedankt. Wie viel Gutes geschieht durch unsere Familien auch in Familien, die Brüche und Schwierigkeiten erleben. Das Licht leuchtet in die Finsternis, und die Botschaft von Weihnachten ist, was Johannes zu uns heute in seinem Evangelium im Prolog sagt: „Alle, die das Licht, die das Wort, die Christus aufnehmen in ihrem Herzen, sind Kinder Gottes“.

 

Das ist der Sinn von Weihnachten, dass wir uns alle als Kinder Gottes gewissermaßen adoptiert und angenommen wissen von Gott, dass Jesus, der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, unser Bruder geworden ist, damit Gott unser Bruder ist und wir seine Geschwister und Familie sein dürfen. „Allen, die ihn aufnahmen, gab er die Macht Kinder Gottes zu sein. Denn das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Das ist das Herzwort des heutigen Evangeliums.


Brüder und Schwestern, deshalb machen wir heute eine besondere Geste beim Glaubensbekenntnis. Wenn der Chor im Credo jetzt das „et incarnatus est“ singt, sind wir alle eingeladen, uns niederzuknien.

 

Kommt, lasset uns anbeten! Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, um uns das Geschenk zu bringen, das wir alle Kinder Gottes sind.

 

Amen.

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