Dienstag 28. Mai 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Aschermittwoch 2016

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zu Aschermittwoch 10. Februar 2016, im Dom zu St. Stephan im Wortlaut:

Liebe Brüder und Schwestern!

 

In dieser Feier treten wir ein in die große 40tägige Fastenzeit, die österliche Bußzeit, heuer in ganz besonderer Weise im Jahr der Barmherzigkeit. Ich habe schon im vergangenen Jahr mein Staunen, meine Bewegung ausgedrückt über dieses dreifache „Dein Vater sieht in das Verborgene“ und ich möchte das heuer wieder aufgreifen, weil es so ins Herz des Jahres der Barmherzigkeit führt: Dein Vater weiß, dein Vater sieht ins Verborgene.

 

Wir alle brauchen Anerkennung. Das ist vital in unserem Leben: Anerkennung! Wenn Eltern ihren Kindern keine Anerkennung schenken, dann verkümmern die Kinder. Wenn Eheleute einander nicht wertschätzen und Anerkennung geben, dann kann eine Beziehung nicht halten, nicht wachsen und nicht reifen. Wenn wir einander im Berufsleben nicht Anerkennung und Wertschätzung schenken, dann wird das Berufsleben zur Qual. Wir alle brauchen Anerkennung. Das ist etwas ganz Berechtigtes und Vitales. Und doch warnt uns Jesus vor einem falschen Suchen nach Anerkennung. Auch das kennen wir: Von wem wollen wir gelobt werden? Dreimal sagt Jesus: Sie tun es, um von den Leuten gelobt zu werden.

 

Wer sind die Leute, von denen sie gelobt werden wollen? Von wem wollen wir gelobt werden? Welches Lob macht uns Freude? Welches Lob suchen wir? Es tut uns gut, wenn wir gelobt werden, und es kann ganz schön wehtun, wenn wir getadelt werden. Aber nicht jedes Lob schmeckt gut. Wenn wir von Lobhudelei reden, dann wissen wir, dass das kein echtes Lob ist. Das ist heuchlerisches Lob, das ist Schöntun, jemandem Honig ums Maul schmieren, wie man sagt. Was ist diese wahre Anerkennung, dieses wahre Lob, das zu suchen sich lohnt? Denn Jesus ermutigt uns, Anerkennung zu suchen, aber an der richtigen Adresse. Euer Vater, „dein Vater, der auch ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten“. Such den Lohn deines Vaters, des himmlischen Vaters. Ach wie gut tut es, das Lob des irdischen Vaters! Wie gut tut uns das Lob von jemand, der uns kostbar und wichtig ist!

 

Jesus sagt uns: Sucht das Lob deines Vaters! Er wird dir die Anerkennung schenken, die wichtiger ist als jede andere Anerkennung. Das schafft eine innere Freiheit, nach der wir uns alle sehnen sollten. Eine innere Freiheit vom Lob der anderen, von der Anerkennung, - so schön, so gut, so wichtig sie ist -, weil wir wissen, das Entscheidende ist: „Dein Vater im Himmel sieht im Verborgenen“.

 

Brüder und Schwestern, das ist gar nicht so einfach. Denn die große Frage ist, die viele von uns sich stellen und die die mir sehr vertraut ist: Ist das so angenehm, wenn der Vater alles sieht? Schafft das Anerkennung? Denn er sieht ja alles! Er sieht auch das, was wir vor den anderen verbergen können. Er kennt uns durch und durch, er kennt unser Herz, das große Fastentuch aus vielen, vielen Stickereien zusammengewoben, ist ein großes Herz. Ihr seht die Aorta in der Mitte in diesem großen Herz. Er kennt unser Herz, und das kann uns manchmal unheimlich sein. Wird er mir Anerkennung schenken, wird er mir Wohlwollen schenken? Wie viel verborgene Angst vor Gott ist in unserem Herzen?

 

Brüder und Schwestern, in diesem Sinn ist das Jahr der Barmherzigkeit eine große Einladung, dem zu vertrauen, der uns wirklich kennt, der ins Verborgene sieht, der uns nicht richtet, sondern seinen Sohn gesandt hat, um uns zu retten. Der aus reiner Barmherzigkeit uns annimmt und aufnimmt, uns bejaht und uns verzeiht. Das Jahr der Barmherzigkeit hat seinen Sinn erfüllt, wenn in uns ein ganz starkes Vertrauen in das Wohlwollen und die Liebe des Vaters wächst. Er, dein Vater, sieht ins Verborgene, aber nicht mit einem kritischen, urteilenden Blick, sondern voll Erbarmen und Barmherzigkeit.

 

So möchte ich zum Schluss die Frage stellen: Wie können wir in diesem Vertrauen wachsen? Wie können wir dieses tief sitzende Misstrauen, eine ganz tief sitzende Angst vor dem richtenden Gott, der urteilt und verurteilt, wie können wir diese Angst überwinden? Durch das Vertrauen. Jesus gibt uns drei ganz praktische Hinweise, es sind drei klassische Hinweise und sie passen für die Fastenzeit.

  1. Almosen geben. Es gibt eine Freude des Almosengebens, wenn es nicht beobachtet worden ist, wenn es nicht groß von anderen anerkannt wird mit einem großen Foto in der Zeitung, was man alles gespendet hat. Sondern wenn es eine echte Begegnung mit einem Notleidenden war. Das kann eine Freude geben, die untrüglich ist. Ein Lob, das uns echte Freude macht.

  2. Das Vertrauen zu dem, der unser Vater ist, dein Vater, der ins Verborgene sieht, dieses Vertrauen wächst nur durch das Gebet. Die Fastenzeit ist die Zeit, wo das Gebet wieder seinen Platz finden soll. Zeit für das Gebet. Dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten. Geh in deine Kammer, mach die Tür zu und sprich mit ihm im Verborgenen.

  3. Das Fasten. Das Fasten ist nicht eine Abmagerungskur, auch wenn sie manchmal notwendig ist. In vielen Teilen der Welt ist sie nicht notwendig, da wäre das Gegenteil notwendig, dass die Menschen zunehmen, weil sie zu wenig zu essen haben. Das Fasten ist ein Freiwerden, freiwerden für das Vertrauen, zu dem, der ins Verborgene sieht, der uns mit seiner Barmherzigkeit anzieht.

Brüder und Schwestern, die tiefste Freude finden wir in diesem einen Wort Jesu: Dein Vater, ihm vertrauen wir. Möge die Fastenzeit uns dazu helfen.

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