Donnerstag 19. September 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Fest Heilige Drei Könige 2019

Predigt zu Epiphanie, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag 6. Jänner 2019, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten“. Der Stern hat die Weisen, die Sterndeuter, die Könige aus dem Orient, nach Bethlehem geführt. Ich freue mich, dass heute aus dem Heimatland der Sterndeuter, der Heiligen Drei Könige aus Persien eine ganze Reihe von Familien hier sind, die hier in Österreich als Auswanderer nach Amerika hängengeblieben sind. Wir versuchen mit Unterstützung der Regierung ihnen hier eine neue Heimat zu ermöglichen.

 

Wir sind seinem Stern gefolgt. Jedes Jahr bin ich vor Weihnachten im Landesgericht, dem größten Gefängnis von Wien für die Weihnachtsfeier. Heuer war die Weihnachtsfeier für mich ganz besonders eindrucksvoll. Sie stand unter dem Motto „Dem Stern folgen“. Die Feier war gestaltet von den Insassen, den Gefangenen zusammen mit der Gefängnisseelsorge. Was bedeutet das „dem Stern folgen“? Was bedeutet das für die vielen Menschen, über Tausend, die dort einsitzen? Wie haben sie dieses Thema aufgegriffen? Mich hat besonders beeindruckt, was drei junge Häftlinge als ganz persönliches Zeugnis zu diesem Thema „Stern von Bethlehem“ gesagt haben. Das Lebens- und Leitthema war: „Heb deinen Blick, vielleicht entdeckst du deinen Stern und weist dir einen neuen Weg“. Irgendwie gilt das für uns alle. Hebe deine Augen, vielleicht entdeckst du deinen Stern, der dir den Weg zu Jesus führt.

 

Ein Zeugnis von einem jungen Häftling hat mich besonders beeindruckt. Er hat gesagt: „Warum habe ich Drogen geschmuggelt? Ich habe den Himmel gesucht, mich aber in die Hölle gebuddelt. Weshalb bin ich eigentlich einbrechen gegangen? Warum habe ich diese schweren Verbrechen begangen? Ständig bin ich am Grübeln. Geistig steige ich in den Ring mit all diesen Dingen, der Weg ist das Ziel. Hoffentlich werde ich ihn finden. Mein Kampf gegen mich selbst und die Frage, ob ich gewinne oder wieder verliere, anscheinend lässt es sich gar nicht leicht leben. Es bleibt derweil schwierig. Aufgeben geht nicht. So suche ich weiter begierig nach dem Pfad, der mich weist, der mich herausreißt von dem Irrweg. In mir bist Du der Stern, dem ich folge von fern über den Wolken. Führ mich nach Hause. Gott, mein Gewissen lässt mich mehr als nur glauben“.

Wird dieser junge Mann den Stern finden, der ihn herausreißt aus seinem Irrweg, der ihn nach Bethlehem führt? Mich hat an diesem Zeugnis so beeindruckt, dass ich meine, er hat diesen Weg schon gefunden. Er hat die innere Stimme gefunden. Sein Gewissen ist ihm zum Stern geworden, dem ihm leuchtet und den Weg weist. Das ist nicht, wie er sagt, nur irgendein unbestimmter Glaube. Er hat diese Gewissheit bekommen über das, was ihn aus dem Irrweg herausreißt, auf dem er sich befunden hat.

 

Schwestern und Brüder, so wurde für mich diese Weihnachtsfeier eine Stunde sehr ernsten Nachdenkens auch über mich selber, über meinen Weg. Was ist der Stern, der mich geführt hat? Einzelne Worte dieser Feier sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. So sagte einer: „Sterne sieht man nur, wenn du im Dunklen warst, am Tag sieht man die Sterne nicht. Man sieht sie nur in der Nacht. In der Nacht ist es dunkel, aber da leuchtet der Stern. Gerade wenn ich dunkle Stunden erlebe, dann kann der Stern leuchten und mir den Weg weisen“. Ein anderer sagte: „Lass das Alte los, brich auf und folge deinem Stern, vertraue, er wird dich führen! Er kennt dein Ziel. Er führt dich aus Angst und Dunkel“. Lauter Worte von Gefangenen.

 

Diese Häftlinge haben das für sich selber und für die anderen, und im Grunde auch für uns gesprochen. Mir wurde dabei eines so bewusst, wie jedes Jahr, wenn ich im Landesgericht zur Weihnachtsfeier bin: Warum sind die einen drinnen und die anderen draußen? Warum bin ich draußen? Warum sind andere drinnen? Warum sind die einen in der Haft, die anderen in der Freiheit? Ich habe sehr deutlich gespürt: das ist nicht mein Verdienst! Es ist Gnade, es ist Fügung. Ich habe mich selber gefragt: Welcher Stern hat mich eigentlich geleitet, dass ich früh im Leben schon meinen Weg gefunden habe? Wie viele Menschen waren mir Leitstern? Und wie hat dieses innere Licht mir geholfen, da und dort die richtige Entscheidung zu finden?

 

Noch ein Wort hat mich besonders berührt in dieser Feier. Wer sich auf den Weg nach Bethlehem macht, wird erfahren, dass es viele kleine Schritte sind, die einen dem Ziel näherbringen. Die Sterndeuter hatten einen weiten Weg von Persien bis nach Bethlehem. Viele, viele kleine Schritte, aber auf das richtige Ziel zu. Staunend und dankbar kann ich im Rückblick nur sagen: Da ist einer, der uns diesen Stern geschickt hat. Da ist einer, der uns durch diesen Stern leitet, uns den Weg weist. Der uns wieder auf den Weg bringt, wenn wir vom Weg abgekommen sind. Alle gehen wir manchmal Irrwege, und folgen nicht dem Stern.

 

Schwestern und Brüder, am Schluss heißt es: „Als die Sterndeuter von Jerusalem nach Bethlehem aufbrachen, sahen sie den Stern wieder. Und sie wurden von ganz großer Freude erfüllt“. Wie wunderbar ist es, diesem Leitstern, den Stern von Bethlehem wieder zu finden, wenn wir ihn verloren haben! Etwas von dieser Freude soll heute uns allen dieses Fest zur Freude machen. Etwas von dieser Freude den Stern im eigenen Leben zu finden. Papst Franziskus hat gesagt: „Jedem von uns ist dieser Stern ins Herz eingeschrieben, dieses Licht, das uns führt zum Kind von Bethlehem, zu Jesus“.

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