Freitag 20. September 2024
Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht
Joh. 15, 5
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zur Chrisammesse 2019

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn zur Chrisammesse, am Montag, 15. April 2019, im Dom zu St. Stephan im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. Heute feiern wir die Chrisammesse. Ich habe sie schon so oft feiern dürfen. In der Vorbereitung auf diese Chrisammesse hat mich irgendwie erschüttert, dass so vieles bei mir Routine geworden ist. Natürlich ist es immer neu, das Heute, aber ich stelle doch fest, die Gefahr der Routine, und die Sehnsucht, dass das wirklich stimmt. Heute geschieht das. Heute erfüllt sich dieses Wort, das ihr eben gehört habt. Wir sind hier zahlreich versammelt zusammen mit einigen Bischöfen. Ich freue mich den Weihbischof Grzegorz aus Kattowitz zu begrüßen, unsere Weihbischöfe, den neu geweihten Hochmeister des Deutschen Ordens, so viele Mitbrüder im priesterlichen Dienst, die Diakone, die Seminaristen, die vielen Brüder und Schwestern, die hier zur Chrisammesse gekommen sind. Wir bedenken hier unsere Wurzeln, woher wir herkommen, was wir sind als Christen, als Gesalbte.

 

In unserem diözesanen Entwicklungsprozess haben wir so viel über organisatorische Fragen in den letzten Jahren gehandelt, und es war notwendig so. Wir sind Pilger, und die Kirche ist pilgernd in ihrer irdischen Gestalt, sie braucht alle diese mühsamen Prozesse. Ich danke besonders meinem lieben Generalvikar, der hier als Moderator Kurie die Mühe dieses sehr irdischen Weges Tag für Tag trägt. Aber irgendwo spüre ich eine tiefe Sehnsucht, dass dieses Heute erfahrbar wird. Ja, ich habe schon manchmal auch den Wunsch, dass es spürbar wird. Ich weiß, das Spüren ist nicht alles, der Glaube ist die Hauptsache. Aber der Glaube will auch spüren und erfahren, dass das wirklich so ist. Sehnsucht nach dem Heiligen Geist, dem Vergessenen und Dritten in der Heiligsten Dreifaltigkeit. „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Jes 61,1). Das liest Jesus in der Synagoge in Nazareth. Das sagt der Prophet Jesaja. Der Geist des Herrn ruht auf mir. Die Sehnsucht, dass das wirklich so ist, dass der Geist auf uns ruht, auf uns herabkommt.

Mir ist bei der Vorbereitung dieser besonderen Chrisammesse, weil sie eine neue Gestalt hat. Wir haben immer wieder überlegt, wie kann sie näher am ursprünglichen Sinn gefeiert werden. Ich danke euch Zeremonären, Martin, Erwin, Wolfgang und allen, die mitgeholfen, sie in ihrer Bedeutung deutlicher zu gestalten. Wir dürfen uns heute auf diese Feier einlassen.

 

Die Sehnsucht ist, dass der Geist auf uns ruht, wie er auf dem Herrn, auf Christus ruht. Ich habe mich in der Vorbereitung auf diese Chrisammesse erinnert an meine jungen Priesterjahre. Das ist so ein Phänomen, wenn man älter wird, dann denkt man an diese turbulenten Zeiten Anfang der 70er Jahre, wo vieles drunter und drüber ging in der Kirche. Also glaubt nicht, dass das etwas Neues ist, wenn es drunter und drüber geht in der Kirche. Im vierten Jahrhundert war es noch viel turbulenter in der arianischen Krise. Aber ich habe mich erinnert, was die Erneuerung im Heiligen Geist für mich bedeutet hat, und ich denke für manche von euch, die damals in den 70er Jahren die charismatische Erneuerung erlebt haben. Das war wie ein neuer Aufbruch, manche haben von einem neuen Pfingsten geredet. In unseren doch nicht einfachen Kirchentagen und gesellschaftlichen Tagen, wo die Herausforderungen größer werden, wohl auch schwieriger, ist die Sehnsucht nach den Heiligen Geist, der Führung, Stärkung und des Trostes der Gaben des Heiligen Geistes stärker geworden.

 

Was ist das, die Salbung? Salbung und Sendung. Der Geist ruht auf mir und er hat mich gesalbt und gesendet. Wir werden die Öle segnen und weihen, die eigentlich an der Wurzel des christlichen Lebens stehen. Das ist mir wieder neu bewusst geworden in der Arbeit der Gestaltung dieses Gottesdienstes, wie fundamental für das ganze Volk Gottes dieser Gottesdienst ist. Denn ohne Salbung gibt es kein Christsein. Ohne Chrisam ist man kein Christ. Was heißt das? Ich sehne mich danach, dass unser Taufbewusstsein bewusst wird. Das war das große Anliegen der Charismatischen Erneuerung, das, was uns allen gemeinsam ist. Gesalbt und gesendet, was ist das, was uns gemeinsam ist mit dem heiligen Geist?

 

Was bewirkt der Heilige Geist? Was war damals in meinen jungen Priesterjahren diese doch sehr beglückende und stärkende Erfahrung der Erneuerung im Heiligen Geist? Der Wunsch danach ist in meinem Herzen wieder aufgebrochen, auch in dieser mühsamen Zeit, die Kraft des Heiligen Geistes in unserem wunderbaren, aber oft auch schweren Dienst. Was war es?

 

Das Erste: Die Freude am Wort Gottes. Was bewirkt die Salbung des Heiligen Geistes? „Er hat mich gesandt, die Frohe Botschaft zu verkünden“, damit das Evangelium die Frohe Botschaft ist. Wir haben es in den Zeugnissen so berührend von den Konvertiten vorhin gehört, wie sie die Kraft des Wortes Gottes erfahren. Es ist wirklich eine Freude im Laufe der Jahre, wie ich den Eindruck hatte, das Wort Gottes erschließt sich mehr und mehr, vielleicht auch durch die Erfahrung. Es ist wirklich lebendig und es durchdringt das Herz, und es richtet auch. Aber es richtet auch auf. Ich wünsche mir so, dass das, - was ich auch im 3. Hirtenbrief geschrieben habe-, das Bibelteilen, des sich Sammeln um das Wort Gottes, die gute Tradition der Bibelrunden verwirklicht wird. Auch darüber haben wir in den Zeugnissen der Konvertiten gehört. Das gemeinsame Hören auf das Wort Gottes und dann das Echo der anderen als Geschenk wahrnehmen, wie sich die Schrift erschließt. Zu diesem Sammeln um das Wort Gottes gehören unbedingt die Gemeinschaften. Wir haben in der letzten Zeit viel darüber gesprochen über die kleinen christlichen Gemeinschaften, die Hausgemeinschaften, manche von euch haben die Hauskreise in euren Pfarren wiederbelebt. Die Freude am Wort Gottes.

 

Was ist das Zweite? Die Liebe zu den Armen. Das war eine Frucht der charismatischen Erneuerung in den 70er Jahren, ein Aufbruch hin zum Wahrnehmen der Not, der Armut. Jesaja bekommt vom Herrn diesen Auftrag, diese Sendung durch die Salbung, die Frohe Botschaft denen zu bringen, deren Herz zerbrochen ist, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden, den Gefesselten die Befreiung, den Blinden das Augenlicht, fügt Jesus hinzu.

 

Brüder und Schwestern, wird sind auch gesellschaftlich an einer Art Wasserscheide. Geht die Gesellschaft in die Richtung einer neuen Härte und Kälte, wo nur mehr zählt, wer Erfolg hat und wer nicht Erfolg hat, wird als minderwertig bezeichnet. Auch in sprachlicher Hinsicht stellen wir eine Verrohung fest. Die Art und Weise, wie in den letzten Monaten Flüchtlinge und Asylwerberinnen, viele Frauen und Mütter unter ihnen, wie sie als Kategorie systematisch schlecht gemacht werden. Ich weiß, wir sollen als Christen, als die, die vom Heiligen Geist gesalbt und gesendet sind, die Frohe Botschaft zu verkünden, - wem? Den Armen! – d.h. unsere Gemeinde leben das. Es gibt so viele Beispiele dafür, ich nenne nur eines: Le+O. In wie vielen Gemeinden werden Woche für Woche Tonnen an Lebensmitteln gesammelt und ausgeteilt. Das muss die Signatur einer christlichen Gemeinschaft und Kirche sein. Das ist die Salbung des Heiligen Geistes. Wir dürfen und müssen auch unsere Stimme erheben. Aber wichtiger als das Erheben der Stimme ist das einfache Tun. Ob wir dafür gelobt werden oder nicht, aber wir sollen es tun.  Der Lohn liegt in der Schönheit des selbstlosen Tuns, das ist der schönste Lohn. Sicher ist es wichtig, die Stimme zu erheben, aber viel wichtiger ist, was in all unseren Gemeinden an tätiger Nächstenliebe geschieht. Lassen wir uns vor allem nicht entmutigen. Manche, die sich um Flüchtlinge gekümmert haben, sind dann schwer enttäuscht und verletzt, wenn einfach Abschiebungen stattfinden, wo man sich fragt: muss das wirklich sein?

 

Ein Drittes: Die Erfahrung der Gemeinsamkeit. Der Geist des Herrn ruht auf mir und deshalb hat er mich gesandt die Frohe Botschaft zu verkünden. Das geht nur gemeinsam. In dieser Chrisammesse gibt es verschiedene Elemente, die diese Gemeinsamkeit ausdrücken. Wir haben es in den Worten der Schrift gehört. „Ihr alle werdet ‚Priester des Herrn‘ genannt, man sagt zu euch ‚Diener unseres Gottes‘“ (Jes 61,6a). Und in der Offenbarung des Johannes heißt es: „Er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“, allen gemeinsam.

Ich glaube, liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, die ihr heute eure Versprechen erneuert, ich glaube wir verlieren nichts an der Identität unseres speziellen Dienstes, wenn wir die Freude über die Gemeinsamkeit haben. Gesalbt sind wir zuerst als Getaufte, berufen zur Heiligkeit sind wir als Getaufte. Dann hat jeder in dieser Gemeinsamkeit seinen oder ihren speziellen Dienst. Nach der Vielfalt der Gaben, die uns gegeben sind, dürfen wir als Diakone, Priester, Bischöfe diesen Dienst tun, zu dem wir durch die Weihe beauftragt sind, für das Volk Gottes, für alle und weit darüber hinaus für alle Menschen.

 

Wir dürfen jetzt Eucharistie feiern. Denn der Herr sammelt uns um seinen Tisch, den Tisch seines Wortes und des Brotes, das sein Leib und sein Blut sind. In dieser Gemeinsamkeit um den Altar ist er in der Mitte. Dann geschieht dieses Heute, das ereignet sich jetzt in dieser Eucharistie. Heute hat sich dieses Wort der Schrift erfüllt. Das, was ich vom Heiligen Geist für uns und für mich persönlich erbitte, dass nicht der Geist der Routine, der Oberflächlichkeit, auch der Müdigkeit, der Niedergeschlagenheit von uns Besitz ergreift, sondern dass wir in diesem Heute Freude erfahren, Freude, die ich als damals als junger Priester so stark erlebt habe in der Erneuerung im Heiligen Geist. Der Herr schenke sie uns gemeinsam heute. Amen.

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