Dienstag 30. April 2024

Gemischte Gefühle

Geht es Ihnen auch so?

Eine Mischung aus Sorgen, Hoffnung, Unsicherheit, Freude, Zufriedenheit, Angst überkommt mich von Zeit zu Zeit.
Und dann sind da noch diffuse Gefühle, die ich gar nicht recht zuordnen und benennen kann.

 

Vielleicht teilen Sie meine grundsätzliche Einstellung, dass das Leben jedes Menschen auf Sinn, auf Erfüllung und auf Gelingen ausgerichtet ist. Diese Einstellung hilft mir, wenn sich nach Misserfolgen und Ablehnung das Gefühl der Verzagtheit einstellt. Und diese Einstellung ermutigt mich, nach Misserfolgen oder Ablehnung, der Hoffnung eine Chance zu geben: wenigstens einen Funken Hoffnung!
 

Wir alle kennen zur Genüge das Gefühl der Ohnmacht, der Überforderung, des Ausgeliefert-Seins, der Niedergeschlagenheit, der Wut und des Zorns. Die letzten Monate und Jahre gaben uns reichlich Anlass dazu.

 

Solche und ähnlich belastende Gefühle sind häufig der Grund, weswegen Menschen die Telefonseelsorge anrufen.  „So offen könnte ich mit sonst niemandem über meine Sucht reden“ sagen dann gelegentlich Menschen, die 142 angerufen haben und ein respektvolles, wertschätzendes Gegenüber am anderen Ende der Telefonverbindung erleben. Das erleichterte Durchatmen der Anrufenden ist zu spüren, manchmal sogar zu hören.

 

Kränkung, Trauer, Enttäuschung, Mobbing, Einsamkeit, Ignoriert-werden, Scham - die Liste ließe sich noch lange fortsetzen – all das hat Platz im geschützten Rahmen eines Telefongesprächs.

 

Seltener, aber doch, sind es positive Gefühle, die von Anrufenden zur Sprache kommen. Die Freude darüber, soeben Vater geworden zu sein; das Gefühl der Dankbarkeit darüber, bei einem Unfall haarscharf verschont geblieben zu sein; die befürchtete Krebsdiagnose doch nicht bekommen zu haben; und ähnliches.

 

Für uns Telefonseelsorger*innen stellt sich die Frage, wie wir Anrufende mit belastenden Gefühlen bzw. in belastenden Situationen ermutigen können, auch die Ressourcen ihrer positiven Gefühle verstärkt zu nutzen. Mir selbst hilft immer wieder die Dankbarkeit. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich in einem freien Land lebe, ein sicheres Zuhause und eine geheizte Wohnung habe, jeden Morgen aufstehen kann. Für das alles und vieles andere mehr kann ich bewusst dankbar sein. Dieser Blick der Dankbarkeit relativiert meine eigenen Gefühle der Angst und Ungewissheit.

 

Vielleicht sind diese Überlegungen auch für Sie eine Einladung, bewusst die erfreulichen, scheinbar selbstverständlichen Dinge des Lebens in den Blick zu nehmen. Die belastenden Gefühle verschwinden deshalb wahrscheinlich nicht, aber sie verlieren vielleicht an Macht und Einfluss auf die Lebensqualität.

Das wünsche ich Ihnen und mir!

 

L.G.

Telefonseelsorge
Stephansplatz 6
1010 Wien
T 142

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